Bodo Wartke, der zungenfertige Alleskönner was Sprache und Klavierspiel angeht, füllt zuverlässig die Säle. Auch der Burghof Lörrach war ausverkauft, alle wollten das neue Programm „Wandelmut“ sehen und hören.
Bodo Wartke greift die Themen auf, die die Welt bewegen, vom Liebeskummer und problematischen Paarbeziehungen über amerikanische Präsidenten und Klimawandel bis zu religiösem Fanatismus. Er flaniert mit Lässigkeit und offenkundigem Spaß durch den „wundersamen botanischen Garten der deutschen Sprache“, dem er unerwartete Kostbarkeiten entlockt.
Das Klavier ist für ihn nicht nur Mittel zum Zweck, sondern kongenialer Partner. Vom rassigen Boogie über Rap und Rag bis zu Mozart und Beethoven holt Wartke alles heraus, was drin ist. Ein Highlight war hier der „Hummelflug“ von Rimsky-Korsakov eingebunden in eine Hommage an die Insektenwelt. Mozarts Kleine Nachtmusik bewegt sich bei ihm weitgehend am Original entlang, aber mit fetzigem Beat und Boogie angereichert – und zeigt so, dass auch im klassischen Konzert „hart abgehottet“ werden kann. Mit Beethovens „Für Elise“ unterlegt Wartke den Text zu einem kleinen Liebes- und
Eifersuchtsdrama, und das nicht nur in musikalischen Zitaten, sondern mit der kompletten Originalfassung. Das Wunderbare an diesen Collagen: Bei Wartke wirkt das nicht zusammengesetzt, sondern aus einem Guss wie ein Original.
Große Freude hat das Publikum an den Zungenbrechern, mit denen Wartke in den sozialen Medien inzwischen ein Millionenpublikum erreicht. Besonders „Der dicke Dachdecker“ ging über Nacht durch die Decke, wie Wartke erzählt. Sogar Leute, die kein Deutsch können, feiern den Text mit seiner irrwitzigen Lautmalerei frenetisch. Auch die Kopplung der beiden Zungenbrecher vom Brautkleid und vom Blaukraut wird bei ihm zum virtuosen, lustigen Sprechstück. Und sein „persönlicher Angst-Gegner“, die Geschichte vom Whisky-Mixer, flutscht ohne Versprecher. Bei der „enhanced version“ von Fischers Fritze kommt noch eine Katze ins Spiel. Kleiner Seitenhieb auf das Fernsehen, in dem er gerne öfter auftreten würde: Die haben wenig Platz für intelligente deutsche Texte und Lieder, die länger als anderthalb Minuten sind. Dass er aber auch bei Kurzformen mithalten kann, zeigt sein „Shorty“ über den Wandel in einer langen Beziehung: Früher „Party – und wie!“ heute: „Paar-Therapie“.
Bodo Wartke hat es auch mit dem klassischen Drama, seine Adaptionen von König Ödipus und Antigone werden gefeiert, seine Version der „Antigone“ hat es sogar in ein Schulbuch geschafft. In Lörrach lässt er Zweifel und Zuversicht in einem gnadenlosen Duell mit pro und contra antreten. Ganz still wird es im Saal, als nach dem Lied vom Wunsch nach dem starken Kerl, dem Autokraten, der endlich die Demokratie abschafft, ein Schuss fällt und der Pianist, der gerade zum Protest ansetzt, nach hinten kippt. In welchem Land er gerne leben möchte, besingt Wartke auf diesen Schock hin mit einer versöhnlichen Utopie, in der die Regierenden „Besonnenheit, Anstand und Vernunft“ besitzen. Das Publikum ist außer sich vor Freude, der Beifall brandet auf und wird von Wartke mit großer Geste an den Flügel weitergeleitet.
In den drei Zugaben, die er dem begeisterten Volk noch gönnt, ist ein Lied aus seinem neuen Programm, das er nächstes Jahr im Burghof vorstellen will. Das Publikum zählt jeweils auf seinen Wink hin von eins bis fünfzehn, wobei die Silben der Zahlen zu Teilen des Textes werden: 7 wird zum Beispiel eingebaut in „sie benachteiligt“ und so weiter. Nach einer polyglotten Liebeserklärung, auf Wunsch des Publikums auch in Latein und Klingonisch hält es niemanden mehr auf dem Sitz. Stehende Ovationen für einen außergewöhnlichen Künstler.
