Efringen-Kirchen Automobilgeschichte am Handgelenk

Weiler Zeitung

Handwerk: Jürgen Betz betreibt in Efringen-Kirchen eine Uhrenwerkstatt mit besonderer Historie

Was haben ein ehemaliger deutscher Autohersteller und eine Uhrenmanufaktur in Efringen-Kirchen gemeinsam? Auf den ersten Blick nur den Namen „Borgward“. Wer aber genauer hinsieht, entdeckt weit mehr Bindeglieder. Die Linien im Design der Karosserien und der Instrumente spiegeln sich in Gehäusen, Zifferblättern und Zeigern der Uhren wider. Verbindendes Element ist zudem die Leidenschaft der Kunden. Denn während ein Borgward seiner Zeit mehr war als ein Fortbewegungsmittel, sind die Uhren von Jürgen Betz mehr als nur Zeitmesser.

Von Ingmar Lorenz

Efringen-Kirchen. Jürgen Betz, Geschäftsführer der Borgward Zeitmanufaktur in Efringen-Kirchen, betrachtet die Armbanduhr, die er in der Hand hält. Die Linien des Gehäuses sind schwungvoll, das Zifferblatt ist bestimmt von Klarheit. Betz hat die Uhr selbst entworfen. Auf der kleinen Theke in seinem Verkaufsraum, den er in einem uralten und schön restaurierten Gebäude ebenso wie seine Werkstatt eingerichtet hat, liegen weitere Modelle. Sie sind viel älter als die Uhr, die Betz in der Hand hält. Trotzdem tragen auch sie den Namen Borgward. „Diese Uhren wurden verschenkt“, erklärt Betz. Und zwar von dem Autohersteller selbst. Kunden erhielten eine Uhr, wenn sie mit ihrem Borgward beispielsweise besonders viele Kilometer zurückgelegt hatten.

Dass einst ein Geschäftsmann aus Bad Kreuznach in Efringen-Kirchen hochwertige Uhren unter dem Namen Borgward produzieren würde, hätte sich damals aber wohl trotzdem niemand träumen lassen. Tatsächlich ist die Strecke, die Betz bis zur Eröffnung seiner Zeitmanufaktur zurückgelegt hat, ziemlich kurvig.

Vom restaurierten Auto zur Selbstständigkeit

Denn der gelernte Maschinenbautechniker kommt als Quereinsteiger in die Uhren-Branche. Über einige Zwischenstationen führt ihn sein Weg zunächst nach Weil am Rhein zur Firma Schätzle. Dort taucht Betz tief in die Materie der Zifferblattproduktion ein. Während seiner Arbeit stößt er eines Tages auf eine Kiste voller alter Prägewerkzeuge mit der Aufschrift „Borgward“. „Dafür hatte man damals eigentlich keine Verwendung mehr.“ Denn den Autohersteller, für den bei Schätzle Zifferblätter hergestellt wurden, gibt es zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr.

Trotzdem ist Betz von seinem Fund fasziniert, denn mit den alten Autos verbindet er eine ganz persönliche Geschichte. „Ich fahre einen Goliath von 1959“, erklärt er. Den Wagen hat Betz gemeinsam mit seinem Vater von Grund auf Restauriert.

Immer mit der Leidenschaft für die deutschen Oldtimer im Hinterkopf reift allmählich sein Entschluss, sich selbstständig zu machen. 2002 wagt er den Schritt, und vier Jahre später richtet er seinen Verkaufsraum und seine Werkstatt in einer ehemaligen Wagnerei in Efringen-Kirchen ein. In Bremen kommt im Lauf der Zeit ein weiteres Geschäft hinzu.

Stück für Stück baut er seine eigene Marke auf, die, nachdem er sich die Rechte gesichert hat, den Namen Borgward trägt. Mit fünf Mitarbeitern, unter ihnen der einzige Lehrling im Uhrmacher-Handwerk im gesamten Landkreis Lörrach, stellt Betz pro Jahr etwa 300 Uhren her.

Die historischen Fahrzeuge sind für Betz dabei die wichtigste Inspirationsquelle. Das zeigt sich vor allem an den Entwürfen der Zifferblätter, aber auch an den Uhrwerken selbst. Denn als Oldtimer-Fan sind für ihn nicht nur die Linien der Karosserie entscheidend, sondern auch der Motor.

Dementsprechend werden alle Borgward-Uhren von hochwertigen mechanischen Werken angetrieben. Bis zu 240 winzige Einzelteile greifen dabei ineinander und lassen die Zeiger ruhig und gleichmäßig ihre Runden drehen. Aufgezogen werden die Uhren von Hand, oder mit Hilfe eines Rotors durch die Bewegungen beim Tragen.

„Die Uhrwerke werden von uns veredelt“, sagt Betz. Das bedeutet, dass das Werk auseinandergebaut, viele Einzelteile durch bestimmte Schliffe verschönert werden und anschließend alles wieder zusammengesetzt wird.

Damit der Kunde die „Seele der Uhr“ auch sehen kann, gibt es auf dem Boden des Gehäuses wie bei vielen Luxusuhren ein Sichtglas.

Eigene Nische in einem hart umkämpften Markt

Viele Menschen sind von mechanischen Uhren fasziniert. „Es ist ein Lifestyle-Produkt“, sagt Betz. Die Schweiz gilt vielen Uhren-Fans als El Dorado. Entsprechend hart umkämpft ist der Markt. Für Betz bedeutet die Nähe zur Eidgenossenschaft allerdings in erster Linie, dass er seine Zulieferer „vor der Haustür“ hat. Mit den großen Uhrenfabriken kann und will er sich nicht messen. Stattdessen geht Betz einen anderen Weg. „Unsere Zielgruppe ist sehr klein, aber wir haben unsere Nische gefunden“, sagt er.

Das war und ist harte Arbeit und verlangt viel Einfallsreichtum. So ist Betz häufig nicht nur auf Uhren-, sondern beispielsweise auch auf Oldtimer-Messen unterwegs. „Wenn ich nur in meiner Werkstatt sitzen würde, hätte ich keine Kunden“, erklärt er. Zudem bietet Betz Seminare an, bei denen die Teilnehmer unter Anleitung ihre Uhr selbst herstellen.

Modeerscheinungen etwa im Bereich der Smart-Watches spielen für ihn hingegen kaum eine Rolle, sagt Betz. Problematisch sei diesbezüglich nur, dass – wie er sagt – „das Handgelenk dadurch belegt wird“. Obwohl beide Geräte die Zeit anzeigen, gebe es doch einen wichtigen Unterschied. Denn mechanische Uhren verkörpern die jahrhundertelangen Entwicklungen in einem Präzisionshandwerk und – wie im Fall der Zeitmanufaktur in Efringen-Kirchen – auch ein Stück deutscher Geschichte.

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