Efringen-Kirchen Die Schicksale der Kirchener Juden

Reinhard Cremer

Gedenkwoche: Vortrag des ehemaligen Pfarrers Axel Huettner. Zeitzeugen melden sich zu Wort.

Efringen-Kirchen - Am 9. November jährte sich zum 80. Mal die früher als „Kristallnacht“ bezeichnete Pogromnacht, in der und an den Tagen darauf jüdische Einrichtungen zumeist von Angehörigen der SA und der SS zerstört wurden und in Flammen aufgingen. Der ehemalige Pfarrer Axel Huettner referierte am Donnerstagabend in der Aula des Schulzentrums über die Geschichte der Kirchener Juden.

Huettner ist ausgewiesener Kenner der Materie und hat dazu auch ein Buch verfasst. Moderiert wurde der Abend, der im Rahmen der Gedenkwoche „Nie wieder...oder doch wieder?!“ stattfand, von Stefan Hoffmann von der Chrischona-Gemeinde in Kirchen. Etwa 50 interessierte Bürger waren der Einladung gefolgt. Begleitet wurde der Abend von einer Musikgruppe der Alevitischen Gemeinde in Friedlingen. Die Aleviten stellen die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in der Türkei. Mit deren Einladung habe man, so Organisator Roy Paraioso, darauf aufmerksam machen wollen, dass das Thema Verfolgung auch heute noch aktuell sei.

In einem kleinen Film kamen mehrere betagte Zeitzeugen aus Efringen-Kirchen zu Wort. Der anwesende 88-jährige Hubert Berndt erinnerte im Film daran, dass alle Juden, die ausreisen wollten, eine „Reichsfluchtsteuer“ zahlen mussten – nachdem man ihnen schon ihr Hab und Gut genommen hatte.

In die Schweiz ausgewandert

Eine dieser Familien war die der Blochs. Als „Urvater“ der Familie steht Jacob Bloch (1836 bis 1880). Sein Sohn, der Mediziner Alexander Bloch, im Ersten Weltkrieg als Oberstabsarzt beim Militär, emigrierte nach dem Aufruf zum Boykott aller jüdischen Einrichtungen und Geschäfte in der örtlichen Presse im Jahr 1937 in die Schweiz, wo er 1955 zurückgezogen verstarb. Sein sogar im Jahre 1935 noch mit dem Ehrenkreuz für Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkrieges ausgezeichneter Bruder Vaist wanderte mit seiner Ehefrau Berta in die USA aus, wo er bald darauf starb. Tochter Alice war mit dem Kirchener Lehrer Ludwig Alfred Rosenberg verheiratet, der in den 1980er und 1990er Jahren mehrfach auf Einladung der politischen Gemeinde seine deutsche Heimat besuchte.

Ebenfalls im Ersten Weltkrieg hatte Nathan Moses, stigmatisiert als Sohn einer ledigen Mutter, für seine Heimat gekämpft. Später studierte er Jura und war engagierter Verfechter einer zionistischen Idee für einen Judenstaat Israel. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Betty und deren „Reisebüro“ war er Ausreisewilligen bei ihrem Vorhaben behilflich.

Tabuthema aus Angst

Doch ihre eigene Ausreisemöglichkeit vernachlässigten sie. Infolge der Deportation des Ehepaars ins französische Gurs wurde die Familie getrennt. Nathan Moses starb in einem Krankenhaus in Marseilles, Betty wurde in Auschwitz ermordet. Den Töchtern gelang die Flucht nach Genf.

Zeitzeuge Hubert Berndt ergänzte, dass aus Angst vor Repressalien die Situation der Juden nicht nur in seiner Familie ein Tabuthema war. Wie Huettner ausführte, war auch die Haltung der christlichen Kirchen sehr ambivalent. Innerhalb der evangelischen Kirche gab es die den Nationalsozialismus unterstützenden „Deutschen Christen“ und die „Bekennende Kirche“, deren Mitglieder im Untergrund gegen die Nazis arbeiteten. In der katholischen Kirche war Kardinal Faulhaber (mit Unterstützung des Papsts Pius XI.) ein erklärter Gegner des Regimes.

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