Efringen-Kirchen Ein gelassener Blick zurück

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Gerhard Rüdlin Foto: ter

Ehemaliger Kellerei-Geschäftsführer Gerhard Rüdlin wird 75

Die Bezirkskellerei in Efringen-Kirchen war sein Leben. 45 Jahre hat Gerhard Rüdlin als Geschäftsführer die zweitgrößte Winzergenossenschaft in Baden, die heute Markgräfler Winzer eG heißt, mit viel Herzblut und Erfolg geprägt. Am morgigen Sonntag kann er voller Vitalität seinen 75. Geburtstag feiern.

Efringen-Kirchen - Was macht eigentlich Gerhard Rüdlin? Im Gespräch mit unserer Zeitung gab er einige Einblicke in sein Leben im Ruhestand.

75 Jahre – wo steigt die große Feier?
Nirgends, ich werde über den Geburtstag mit meiner Frau Simone ein paar Tage verreisen. Zu meinem 70. hatte ich ein großes Fest gefeiert.

Sie sind ein Urgestein der badischen Weinwirtschaft und machten in den 45 Jahren die Bezirkskellerei zur zweitgrößten Genossenschaftskellerei in Baden. Wie stark sind Sie noch mit den Markgräfler Winzern verbunden?
Natürlich verfolge ich weiterhin mit großem Interesse das Geschehen der Kellerei, die bei meinem Amtsantritt  im Jahr 1973 von damals 150 Hektar erfasster Rebfläche auf 940 Hektar wuchs. Durch diese tolle Entwicklung ist eine enge Beziehung entstanden, aber in irgendeiner Weise aktiv bin ich nicht mehr. Allerdings wird mir das Wohl der Winzer immer ein Herzensanliegen bleiben.

Wie oft trifft man Sie in der Kellerei an?
Nur wenn ich Wein brauche, gehe ich hin. Dann halte ich mit dem einen oder anderen früheren Mitarbeiter ein Schwätzchen. Und dass ich mit meinem Sohn in Kontakt bin, ist ja selbstverständlich. Doch bei diesen Treffen geht es weniger ums Geschäft, vielmehr steht die Familie im Mittelpunkt.

Also gibt es keine Ratschläge vom Vater?
Nein, die benötigt mein Sohn nicht. Die Kellerei hat einen neuen Namen und neue Weinlinien kreiiert und ist am Markt erfolgreich. Dazu gratuliere ich ihm von Herzen.

Niemand in Deutschland stand so lange wie Sie an der Spitze einer Winzergenossenschaft. Sind Sie stolz darauf?
Was heißt stolz? Es ist eine Bestätigung meiner Arbeit. Ich habe Zeiten erlebt, in denen von den 40 Winzergenossenschaften in Baden viele Geschäftsführer in den 90er-Jahren entlassen wurden. Die Arbeit hat mir immer viel Spaß gemacht, jeder Tag war eine Herausforderung. Hätte ich viel falsch gemacht, hätte die Zusammenarbeit nicht so lange Bestand gehabt.

Sie haben sich auch ehrenamtlich in unterschiedlichen Gremien jahrzehntelang engagiert. Dafür und für Ihr berufliches Wirken hatte Ihnen 2011 der damalige Justizminister Rainer Stickelberger das Bundesverdienstkreuz überreicht...
… was ich noch heute als besondere Ehre  empfinde.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung des badischen Weinbaus?
Qualitätsstreben und Innovationen sind positiv, da kann man nur gratulieren. Doch der harte Preiskampf auf dem Weinmarkt stimmt mich nachdenklich. Der Strukturwandel führt auch im Weinbau zu immer größeren Betrieben, um die Wirtschaftlichkeit und damit ein gutes Auskommen für die Winzer zu gewährleisten.

Sie waren mitunter streitbar, gingen Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg, wenn Sie von einer Sache überzeugt waren. Wird man mit den Jahren gelassener?
Ich denke schon. Früher habe ich nicht gern klein beigegeben, wenn ich für meinen Standpunkt eingetreten bin, das ist schon richtig. Das war aber nie persönlich gemeint, sondern es ging stets um die Sache zum Wohl der Winzer.

Sie waren in den 70er-Jahren in Efringen-Kirchen kommunalpolitisch als Gemeinderat und Bürgermeister-Stellvertreter aktiv. Was ist aus dieser Zeit geblieben?
Das waren interessante Sitzungen, bei denen es unter anderem um die Eingemeindung und die Namensgebung von Efringen-Kirchen ging. Auch wurde damals das Gelände erworben, wo heute der Ortsmittelpunkt mit Rathaus und Schule ist. Mit Interesse beobachte ich die Entwicklung der Gemeinde, schließlich wohne ich mit meiner Frau im Ortsteil Wintersweiler. Und hier fühlen wir uns sehr wohl.

Sind Sie nach einem langen, teils aufreibenden Berufsleben und zahlreichen Ehrenämtern in das berühmte schwarze Loch gefallen, als Sie in den Ruhestand gingen?
Überhaupt nicht, obwohl ich zuerst Bedenken hatte. Doch meine Frau hatte es trefflich verstanden, mich vom Geschäft abzuschirmen. Golfen, die Jagd, Lesen und Fahrradfahren zählen zu meinen Hobbys, da kommt keine Langeweile auf. Auch pflege ich zahlreiche Kontakte mit meinem Freundes- und Bekanntenkreis sowie Stammtischkollegen. Und außerdem habe ich vier Enkel, die mir viel Freude bereiten.

Zur Person:

Als Gerhard Rüdlin, der aus Müllheim-Zunzingen stammt, 1971 nach Efringen-Kirchen kam, war er der jüngste Geschäftsführer der badischen Weinwirtschaft. Und als er 2016 mit einem großen Fest  in den Ruhestand verabschiedet wurde, war er deutschlandweit der dienstälteste. Unter seiner Ägide ist die Efringen-Kirchener Kellerei zu einem Vorzeigebetrieb avanciert. Als der Kellereichef vor sechs Jahren aufhörte, konnte er seinem Sohn Hagen als Nachfolger und neuem Geschäftsführenden Vorstand einen prosperierenden Betrieb, dem 1000 Winzer zwischen Batzenberg und Grenzacher Hornfelsen angeschlossen sind, übergeben. Vielfältig war auch sein ehrenamtliches Engagement. 25 Jahre war Gerhard Rüdlin unter anderem Vizepräsident des Badischen Weinbauverbands und Bezirksvorsitzender des Markgräflerlands, 30 Jahre gehörte er dem Vorstand des Vereins Markgräfler Wein an, davon 15 Jahre als Vorsitzender. Auch war er Mitbegründer der „Alten Wache“ in Freiburg. Wenn er von etwas überzeugt war, konnte der Mann, den die Stuttgarter Zeitung zum Abschied als „ein Stück badische Weinbaugeschichte und ungekrönten Regionalfürsten im Markgräflerland“ gewürdigt hatte, leidenschaftlich für die Sache kämpfen.

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