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Efringen-Kirchen Erinnern, damit es nicht mehr passiert

Daniel Hengst
Marion Caspers-Merk erklärt als Sprecherin die Stolperstein-Aktion in Efringen-Kirchen während Gunter Demnig Steine verlegt. Foto: Daniel Hengst

Acht Stolpersteine werden in Gedenken verlegt.

Die ersten acht Stolpersteine hat der Künstler Gunter Demnig am Dienstagmorgen in Kirchen verlegt. Etwa 60 Personen waren gekommen, um, wie es Marion Caspers-Merk sagte, „den Menschen ihren Namen wiederzugeben“.

Als Sprecherin des Arbeitskreises Stolpersteine in Efringen-Kirchen erinnerte Marion Caspers-Merk an die 1930er- Jahre. „Die Menschen waren unsere Nachbarn, sie waren Weinhändler, Schuhmacher und Metzger. Ihre Kinder gingen hier zu Schule.“ Die frühere Bundestagsabgeordnete erinnerte ebenso daran, dass sie sich im Musikverein und der Freiwilligen Feuerwehr engagierten. Die Würde des Menschen sei unantastbar, so stehe es im Grundgesetz. „Wir wollen gerade in diesen Zeiten daran erinnern, dass wegen der Religion, seiner Rasse, politischen Überzeugung, sexuellen Orientierung oder seiner Behinderung niemand verfolgt oder vernichtet werden darf“, erklärte die Sprecherin des Arbeitskreises. Dies sollte sich jeder immer wieder in Erinnerung rufen, da „die Demokratie Demokraten braucht, weil sie immer neu gelebt und verteidigt werden muss“.

Widerstand

Passend hatte Christian Rabe die Melodie des israelischen Komponisten David Zehavi auf seinem Fagot gespielt. Zehavi hatte diese 1945 für das Gedicht der Widerstandskämpferin Hannah Szenes „Ein Spaziergang nach Caesarea“ von 1942 geschrieben.

Christian Rabe spielte eine Melodie von David Zehavi. Foto: Daniel Hengst

Beides werde oft in Israel beim Gedenken an den Holocaust verwendet, hielt Rabe fest.

Nachdenkliche Schüler

Ihre festgehaltenen Gedanken brachten ebenso die Schüler der Arbeitsgemeinschaft Geschichte von Lehrer Erwin Disch der Realschule Efringen-Kirchen, zum Ausdruck. Einer Schülerin war die Verlegung der Stolpersteine sehr wichtig, weil „dadurch die Bevölkerung und insbesondere die jüngere Generation angesprochen“ werde sowie die Verbrechen und Opfer nicht Vergessenheit gerieten.

Die Schüler der Arbeitsgemeinschaft Geschichte der Realschule Efringen-Kirchen brachten ihre Gedanken zu den Stolpersteinen zum Ausdruck. Foto: Daniel Hengst

Ein Mitschüler erinnerte an ein „schreckliches Kapitel“ und spannte den Bogen ins Jetzt: „Es gibt immer mehr, die rechtsradikale Parteien wählen.“ Dies sei ein Beispiel, dass man es nicht machen sollte. „Damals waren es Juden, es könnten bald andere Religionen oder ethnische Gruppen sein.“ Die Stolpersteine sollten erinnern, damit dies „nie wieder geschehen kann“.

Caspers-Merk hatte in der Basler Straße, wo einst die Familie Bloch, für die drei Steine gesetzt wurden, unweit der Synagoge wohnte, daran erinnert, wie Sophie Bloch ihren „kleinen Laden zwangsweise aufgeben musste“. Fünf weitere Steine wurden im Pflaster in der Friedrich-Rottra-Straße für die Familie Bräunlin/Olesheimer/Weil befestigt. Mit Sohn Herbert und Enkel Robert waren die Nachfahren von Herbert Bräunlin vor Ort und beschrieben, durch welches Glück ihr Vorfahre überlebt hatte und bis 2017 in Haltingen lebte.

Herbert Bräunlin erzählte, dass er 1948 in dem Haus geboren wurde und dort noch vier Jahre, bis zum Umzug der Familie nach Haltingen, lebte. Sein 1915 verstorbener Urgroßvater, ein Olesheimer, habe das Haus 1870 gekauft. Damals sei es niedriger gewesen, ohne Bad und Toilette. In Haltingen sei man in das Haus seiner Großmutter Ida Bräunlin gezogen. „Wir haben jüdische Vorfahren, aber wir haben uns nie als Juden gefühlt“, erzählte Bräunlin, weil „unser Vater nie etwas über die Zeit erzählt hat“. Erst sehr viel später hätten sie etwas über diese Zeit erfahren. Mit ihm und seinen Geschwistern habe der Vater darüber nie direkt geredet. Mit seinem Enkel, Robert, schon eher. „Zu tief“ durfte Robert Bräunlin aber ebensowenig bohren.

Sein Vater, Sohn einer Jüdin und „eines Ariers“, sei christlich getauft worden, erzählte Herbert Bräunlin, weshalb er sich nie als Jude gefühlt habe. Als Halbjude sollte sein Vater zwei Mal abgeholt werden. Sein Arbeitgeber habe jedes Mal gesagt, dass er für die Kriegsproduktion unabkömmlich sei.

Großer Verlust

„Es ist so viel verloren gegangen, gerade wie die jüdischen Feste und Kultur“, sagte Christian Rabe beim späteren offenen Gespräch im Café „Sa Skore“. Unter den etwa 60 Interessierten war auch Magdalena Schneider, ihr sei wichtig, dass etwas wie der Holocaust nicht wieder passieren dürfe: „Wir brauchen einen lauten Protest.“ Man dürfe sich nicht verstecken, sondern „muss sich entgegen stellen“. „Der Antisemitismus darf in Deutschland nicht wieder aufkommen“, begründete Pia Hofmann ihren Beweggrund.

Erinnerung an acht Juden

Mit den ersten acht Stolpersteinen hebt der Arbeitskreis Stolpersteine das Schicksal jener Menschen hervor.

Emma Olesheimer, geb. Weil geb. 10. März 1857 in Emmendingen. Sie heiratete 1886 den Witwer Meier Olesheimer. Emma verstarb am 5. Dezember 1940 in Gurs.

Lina Weil, geb. 25. Februar 1867 in Emmendingen war unverheiratet, lebte zusammen mit ihrer Schwester Emma Weil und deren Kindern in deren Haus hinter der Kirche in Kirchen. Im Gurs-Nebenlager Noé, verstarb sie am 27. März 1943.

Jonas Olesheimer, geb. 21. Mai 1888 in Kirchen, wurde als Funker im Ersten Weltkrieg verschüttet. 1940 wurde er von Lörrach aus nach Gurs deportiert. Seine letzte Station war am 10. August 1942 das KZ Auschwitz, der Tag wurde später zu seinem Todestag erklärt.

Ida Bräunlin, geb. Olesheimer, geb. 15. Februar 1895, sorgte dafür, dass ihr Sohn Herbert Bräunlin getauft wurde. Sie wurde zuletzt in das Lager Izbica in Polen deportiert. Der 26. April 1942 wurde als Todestag festgesetzt.

Herbert Bräunlin wurde am 17. Februar 1923 als Sohn von Robert Friedrich Bräunlin und Ida geb. Olesheimer geboren. Er starb 2017.

Sophie Bloch, geb. Geismar, geb. 25. August 1891 in Freiburg, wurde nach Auschwitz verschleppt. Der 31. Dezember 1945 wurde als Todestag festgesetzt.

Alexander Bloch wurde am 6. Oktober 1923 und Paula Bloch am 23. April1922 in Freiburg als Kinder von Julius Bloch und dessen Ehefrau Sophie geb. Geismar geboren. Beide wanderten über die Schweiz in die USA aus.

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