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Efringen-Kirchen Frage nach Vergabe spaltet Gremium

Ingmar Lorenz
Das Thema Bauplatzvergabe stieß bei den Bürgern auf großes Interesse. Zahlreiche Zuhörer waren ins Foyer der Mehrzweckhalle gekommen. Foto: Ingmar Lorenz

Gemeinderat: Heftige Diskussion zum Thema Bauplatzvergaberichtlinien. Bürgermeister hebt Beschluss auf.

Efringen-Kirchen - Es wurden reichlich Argumente ausgetauscht und Paragrafen gewälzt. Am Ende der Debatte über die Bauplatzvergaberichtlinie blieb der Gemeinderat gespalten zurück. Der Bürgermeister hebelte den gefassten Beschluss des Gremiums sofort aus, und die Gretchenfrage, wer bei der Bauplatzvergabe vorrangig behandelt werden soll und darf, blieb unbeantwortet.

Zu Beginn der Sitzung informierte Bürgermeister Philipp Schmid das Gremium und die rund 60 Zuhörer, die ins Foyer der Mehrzweckhalle gekommen waren, über die Hintergründe.

Was sind die Hintergründe der Vergaberichtlinien?

Die entscheidende Frage bei der Bauplatzvergabe ist, wie der Wohnbedarf für Einheimische besonders berücksichtigt werden kann und darf. Denn Einheimische bei der Vergabe zu bevorzugen, ist europarechtlich zumindest umstritten. Seit 2017 braucht es für die Priorisierung von Einheimischen eine „soziale Komponente“. Der entsprechende Passus im Text des Baugesetzbuchs sei aber „butterweich“ formuliert, so Schmid. Die Kommune habe deshalb die Möglichkeit, eigene Richtlinien zu erstellen.

Die Verwaltung hatte dies auch getan, wobei deren Vorschlag im Gemeinderat keine Zustimmung fand. Daraufhin hatte sich eine interfraktionelle Arbeitsgruppe gebildet, die ihren eigenen Entwurf auf den Weg gebracht hatte. So lagen in der Sitzung am Montagabend also zwei Richtlinien zur Abstimmung vor: die der Verwaltung und die der interfraktionellen Gruppe.

Zugleich wies Schmid aber darauf hin, dass eine Überprüfung durch das Landratsamt ergeben habe, dass der interfraktionelle Entwurf rechtswidrig ist. Würde sich der Gemeinderat für diesen Entwurf aussprechen, müsse der Bürgermeister dagegen sofort Widerspruch einlegen.

Worin unterscheiden sich die beiden Entwürfe?

Der Entwurf der interfraktionellen Gruppe weicht von dem der Verwaltung vor allem dahingehend ab, als dass die interfraktionelle Gruppe die Bewohner der jeweiligen Ortsteile bei der Bauplatzvergabe besonders berücksichtigt, während im Verwaltungsentwurf alle Bewohner der Gesamtgemeinde priorisiert werden.

Abweichungen gibt es zudem im angewendeten Punktesystem und vor allem auch in der Frage der Einkommensgrenze als Kriterium. Weil die Gemeinde die Bauplätze nicht vergünstigt anbietet, könne auf „soziale Kriterien“ und mithin auf eine Einkommensgrenze verzichtet werden, glaubt die Gruppe. Die Verwaltung sieht das anders und hat in ihrem Entwurf eine Einkommensgrenze von 116 000 Euro Brutto für ein Paar mit zwei Kindern festgelegt.

Als erster sprach sich Karl Rühl (CDU) im Namen der interfraktionellen Arbeitsgruppe dafür aus, an deren Entwurf festzuhalten. Dieser sorge für Transparenz. Sozial Schwächere würden durch den vorliegenden Kriterienkatalog auch ohne die Festlegung einer Einkommensgrenze hinlänglich berücksichtigt.

Wie argumentieren die interfraktionelle Gruppe?

Mit Blick auf die Frage nach der Ortsteilbindung verwies Rühl auf die Vergaberichtlinien der Stadt Offenburg und der Gemeinde Bad Krotzingen. Dort hätten die Ortschaftsräte bei der Vergabe der Bauplätze die Möglichkeit, die Ortsansässigen zu proirisieren. Klagen gebe es in der Bundesrepublik mit Blick auf Bauplatzvergaberichtlinien bislang nur, wenn es sich um Einheimischenmodelle handle. Das sei in Efringen-Kirchen aber aufgrund der fehlenden Vergünstigung der Bauplätze nicht der Fall. Warum die Ortsteilbindung für die interfraktionelle Gruppe so entscheidend ist, brachte Rühls Fraktionskollege Alvin Martin auf den Punkt: „Wenn es sie nicht gibt, kann es passieren, dass bei der Vergabe kein Ortsansässiger einen Bauplatz bekommt.“

Auch Franz Kiefer (FDP) machte sich für den interfraktionellen Entwurf stark. Die Sozialkosten würden immer weiter steigen. Deshalb werde die Betreuung in den Familien immer wichtiger. Dabei müsse sichergestellt werden, dass die Familienangehörigen auch im gleichen Dorf wie die Eltern leben und dort auch bevorzugt Bauflächen bekommen könnten, legte Kiefer dar.

Auf rechtlicher Ebene argumentierte Rudi Ritz (Grüne). „Es kann nicht sein, dass die Ortschaftsansässigkeit kein Kriterium darstellt“, kritisierte er den Entwurf der Verwaltung. Die Ortsteile hätten immer noch ein gewisses Maß an rechtlicher Eigenständigkeit, was unter anderem durch die unechte Teilortswahl zum Ausdruck komme.

Juristisch argumentierte auch Kevin Brändlin (FDP). Denn der gesamte Sachverhalt sei noch gar nicht richterlich entschieden. Daher sei auch der Entwurf der Verwaltung möglicherweise gar nicht zu 100 Prozent wasserdicht. „Es kann deshalb nicht nur um Rechtssicherheit gehen.“ Wenn das der Fall wäre, müssten die Entwürfe ausschließlich von Anwälten und nicht von Gemeinderäten beraten werden, spitzte Brändlin zu.

Was spricht für die Lösung der Verwaltung?

Gegen den interfraktionellen Entwurf sprach sich Irmtraud Töppler (SPD) aus. „Wir wollen an dem bisherigen Baulandmodell festhalten.“ Es herrsche Konsens darüber, dass der Freiverkauf keine Option sein könne. Gleichzeitig müsse durch die Richtlinien gewährleistet werden, dass Einkommensschwache unterstützt werden. Der Vorschlag der Verwaltung gehe diesbezüglich weiter, als der Entwurf der interfraktionellen Gruppe, meinte Töppler. Zudem müsse der Gemeinderat darauf achten, rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Ein Argument, das auch Töpplers Fraktionskollege Hanspeter Buck besonders hervorhob.

Mit all dem konfrontiert, wiederholte Bürgermeister Schmid fast gebetsmühlenartig, dass er mit beiden Modellen gut leben könne. Durch die Einschätzung des Landratsamts sei er aber dazu gezwungen, den Entwurf der interfraktionellen Gruppe für rechtswidrig zu halten. Da half auch der Vorschlag von Karl Rühl nicht, dass der Bürgermeister die Verantwortung im Fall der Fälle doch auf den Gemeinderat schieben könnte.

Ohne eine Einkommensgrenze zu definieren, sei die soziale Komponente im Entwurf der Arbeitsgruppe nicht gegeben, meinte Schmid. Eine Priorisierung sei aus seiner Sicht zudem rechtlich nur für alle Einwohner der Gesamtgemeinde möglich, nicht aber für die Bewohner der einzelnen Ortsteile.

Wie geht es mit der Bauplatzvergabe weiter?

Bürgermeister Schmid stellte das Modell der interfraktionellen Gruppe schließlich zur Abstimmung. Die Räte sprachen sich bei zehn Ja-Stimmen, fünf Nein-Stimmen und einer Enthaltung für die von der Gruppe erarbeiteten Bauplatzvergaberichtlinien aus. Wie angekündigt, widersprach Bürgermeister Schmid dem aus seiner Sicht rechtswidrigen Inhalt des Beschlusses sofort.

Es sollen nun weitere Gespräche mit den Mitgliedern des Gemeinderats und dem Landratsamt stattfinden, bevor das Thema bei der Sitzung am 11. Februar erneut verhandelt wird.

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