Efringen-Kirchen Jede Erinnerungskultur ist wichtig

Daniel Hengst
An die ehemalige Synagoge und die Gräueltaten erinnert heute noch eine Tafel Foto: Daniel Hengst

Vor 85 Jahren wurde die Synagoge in Kirchen zerstört.

Vor 85 Jahren entfesselte sich die sogenannte „Volkswut“ über den „feigen jüdischen Meuchelmord an dem deutschen Gesandtschaftsrat vom Rath in Paris“. Das führte in der Nacht des 9. Novembers 1938 dazu, dass Synagogen zerstört und angezündet wurden – bekannt als „Reichspogromnacht“.

Neben Lörrach habe es in der Region noch in Kirchen eine jüdische Gemeinde gegeben, erzählte Axel Huettner, der das Buch „Die jüdische Gemeinde von Kirchen“ verfasste. „Die Synagoge in Kirchen wurde nie angezündet“, hält Huettner als Chronist auf Anfrage fest. Eine Partei-Formation, aus Haltingen kommend, unter der Führung des dortigen Bürgermeisters, habe die Synagoge geplündert.

Der Kultraum der ehemaligen Synagoge von Kirchen, der am 9. November 1938 zerstört wurde. Foto: Archiv Axel Huettner

Die Inneneinrichtung sei zerstört worden, „der Pult und der Tora-Schrein“. Zahlreiche Einrichtungsgegenstände wären zudem in den Hof geworfen worden. Gleiches sei in Schulhaus und der Lehrerwohnung passiert.

Plündern der Synagoge

Die achte Volksschulklasse sei am nächsten Morgen zur zerstörten Synagoge geführt worden. Die jüdischen Männer seien in Schutzhaft genommen und in das Konzentrationslager Dachau gebracht worden. Von dort seien sie allerdings nach sechs bis acht Wochen wieder zurückgekehrt.

Endgültig zerstört wurde das Synagogengebäude neben weiteren in Kirchen durch einen Artillerieangriff der französischen Truppen 1940, erinnert der Pfarrer an seine Recherchen.

Gedenken in Kirchen

Bis in die 1990er-Jahre habe es verschiedene Veranstaltungen in Kirchen gegeben, die an die Zerstörung der Synagoge erinnerten.

Die ehemalige Synagoge von Kirchen mit dem Schulhaus, dem rituellen Bad und der Wohnung des Religionslehrers. Foto: Archiv Axel Huettner

Die evangelische Kirchengemeinde habe sich jahrelang engagiert, es habe Gedenkausstellungen gegeben. „Es war schon Einiges.“ Dann habe es leider aufgehört. „Jede Erinnerungskultur ist wichtig“, sagte Axel Huettner, denn durch diese „Barbarei“ habe alles „blutiger als vorstellbar“ geendet.

Stolpersteine erinnern

Als einzige derzeit mögliche Organisation, vielmehr Gruppe gebe es in Kirchen den Arbeitskreis Stolpersteine, welcher in Frage käme, Gedenkveranstaltungen zur Reichspogromnacht zu veranstalten. Allerdings habe dieser Kreis jetzt gerade erst mit der Verlegung der Stolpersteine begonnen, was ein wichtiges Gedenken sei.

Schockierender Anschlag

Über den Brandanschlag im Berliner Bezirk Mitte, der Mitte Oktober in einer Nacht mittels zwei Molotow-Cocktails von der Straße aus in Richtung eines jüdischen Gemeindezentrums in dem neben einer Synagoge unter anderem eine Kindertagesstätte untergebracht ist, sei er „schockiert“. „Da bekomme ich sofort Bilder im Kopf“, sagte Huettner und dies obwohl er den Krieg und die Naziherrschaft nicht miterlebt habe. Solche Ereignisse würden einen Punkt markieren, den es nicht mehr geben sollte.

Veranstaltung in Lörrach

Auch wenn es in Kirchen selbst keine Veranstaltung gebe, bei welcher der Zerstörung der Synagoge gedacht werde, so gebe es weiterhin eine Veranstaltung in Lörrach.

Von Seiten der Stadt, der jüdischen Gemeinde und der Gruppe Abraham, werde am Abend des 9. Novembers den Ereignissen von vor 85 Jahren gedacht. Die Gruppe Abraham pflegt den Kontakt zwischen Christen, Juden und Muslimen und gehört zur katholischen Kirchengemeinde Lörrach.

Die Gedenkfeier in Lörrach beginnt am Donnerstag, 9. November um 17.30 Uhr in der Synagogengasse an Neuen Marktplatz. Neben einer Ansprache von Oberbürgermeister Jörg Lutz gibt es Gebete von Landesrabbiner Moshe Flomenmann und Pfarrer Michael Hoffmann.

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