Von Jürgen Scharf Efringen-Kirchen. Sie handeln von Krieg (die Revelge), Hunger (das Irdische Leben), Tod (Der Tambourg’sell): diese Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ nach Gedichten von Achim von Arnim und Clemens Brentano, die Gustav Mahler in Töne gefasst hat. Der Zyklus der zwölf Orchesterlieder beginnt mit „Der Schildwache Nachtlied“ und endet mit dem „Himmlischen Leben“. Dazwischen liegt ein Kosmos an Düsterem, Hellem und Heiterem, das ein Sänger durch differenzierte Liedgestaltung herausarbeiten muss. Bei der Aufführung dieser „Wunderhorn“-Lieder in der Kulturscheune Rabe in Kleinkems gelingt dies dem Tenor Christoph Waltle. Er zieht alle Register des sprechenden Gesangs, angefangen bei den Soldatenliedern bis zur komisch-ironischen Fischpredigt. Auch das Liebesglück und das Liebesleid erzählt Waltle in der Art eines Romans des Lebens, und die hübschen leichteren Lieder wie „Verlorne Müh“ oder die netten „Rheinlegendchen“ kann er mit einigem Humor dank seiner intelligenten Gestaltung charakteristisch gut darstellen. Der Sänger, der im Solistenensemble des Stadttheaters Freiburg engagiert ist, mag im Liedfach vielleicht noch nicht so erfahren sein. Er öffnet sich erst bei den späteren dramatischeren Liedern, aber schon im „Lob des hohen Verstandes“ mit dem Sängerwettstreit („Kuckuck Iah!“) singt er sich frei. Stets bleibt er schlicht und unmanieriert, lässt die Texte ohne große Aufregung für sich selbst sprechen. Das hat große Vorteile für den Mahlerschen Liedgesang, denn es ist textdurchdringend, sprachlich und musikalisch klar vorgetragen. Man versteht jedes Wort in einem Lied wie der „Revelge“ mit seiner Mischung aus Bitterkeit und Sarkasmus oder im „Tambourg’sell“, wo ein Deserteur zum Galgen geführt wird. Aber auch die Humorske „Lob des hohen Verstandes“ kann Waltle humorvoll charakterisieren. Dank seiner instrumental geführten Stimme erreicht er auch höhere Tenorregionen, und so war diese Aufführung vom Sängerischen her eine Interpretation, die in existenzielle Belange hinauswuchs. Ein Bläserquintett wie das Pocket Orchestra Freiburg – ein Orchester im Taschenformat ohne Streicher – ist schon das Äußerste, was räumlich in die Kulturscheune passt. Zu hören war eine Fassung der Wunderhornlieder für Tenor und Bläserquintett des Ensembleflötisten Joachim Linckelmann, die mit einer kleinen Anzahl Instrumente in der Tat eine große Anzahl von Klängen erzeugte. Neben Linckelmann spielten Georg Lustig (Oboe), Iain Semple (Klarinette), Marc Nötzel (Horn) und Annette Winker (Fagott), und man vermisste in dieser reduzierten bläserlastigen Kammerversion wirklich nicht das große Orchester. Es gab auch mehr Klangfarben als in Mahlers eigener Version für Klavier und Gesang. Zusätzlich schaffte die Bearbeitung mehr Nähe, Intimität und durch den hautnahen Gesang fast schon eine persönlich gefärbte Exegese. Gerade ohne ausgedruckte Liedertexte kam das zahlreiche Publikum in viel intensiveren Konzertgenuss, als wenn es die Gedichte mitlesen würde.