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Efringen-Kirchen „Opfern den Namen zurückgeben“

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Blick auf den jüdischen Friedhof in Efringen-Kirchen Foto: Siegfried Feuchter

Interview: Das Projekt „Stolpersteine“, mit dem an die während des Dritten Reichs aus Kirchen deportierten Juden erinnert werden soll, nimmt konkrete Formen an. Am 7. November werden die ersten acht Gedenksteine verlegt.

Marion Caspers-Merk, die ehemalige langjährige Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin im Gesundheitsministerium in Berlin, leitet den offenen Arbeitskreis „Stolpersteine“ und ist für die Umsetzung der Aktion verantwortlich.

In welch angemessener Form an die deportierten Juden aus Kirchen und die Opfer des Nationalsozialismus erinnert werden soll, beschäftigt den SPD-Ortsverein und den Förderverein Alte Schule schon lange. Der Arbeitskreis „Stolpersteine“, dem Sie als Historikerin vorstehen, hat nun die konkrete Umsetzung in die Wege geleitet. Mussten viel Hürden überwunden werden?

Zunächst will ich betonen, dass der Arbeitskreis offen und parteiübergreifend ist. Alle, die an der Auseinandersetzung mit Geschichte und Erinnerungskultur Interesse haben, sind willkommen.

Sind dem Aufruf zur Mitarbeit viele gefolgt?

Ja, zahlreiche Menschen haben spontan zugesagt und sich eingebracht, unter anderem auch der frühere Wollbacher Pfarrer Axel Huettner, der bekanntlich das Buch „Die jüdische Gemeinde von Kirchen 1736-1940“ geschrieben hat. Er hat auch den Kontakt zur Schule aufgenommen.

Es lief also alles zufriedenstellend...

… na ja, am Schluss war es schon sehr holprig, denn die Gemeindeverwaltung legte uns im Zusammenhang mit den Einverständniserklärungen der Hauseigentümer im wahrsten Sinne des Wortes Stolpersteine in den Weg. Die sind aber jetzt weggeräumt und der Weg frei für das Verlegen der Gedenksteine.

Im Übrigen, so haben unsere Recherchen ergeben, war in keiner anderen Gemeinde, in der Stolpersteine verlegt wurden, unterschriebene Einverständniserklärungen notwendig.

Ist die Gemeinde mit im Boot bei der Aktion?

Am Ende hat der Gemeinderat unser Konzept mehrheitlich gutgeheißen. Sie ist ohnehin immer mit im Boot, weil die Stolpersteine im öffentlichen Raum, und zwar auf den Gehwegen, verlegt werden. Auch die Spenden laufen über die Gemeinde.

Wann werden die ersten Stolpersteine respektive Messingblöcke verlegt?

Die ersten acht Gedenksteine werden am 7. November ab 9 Uhr auf dem Trottoir vor dem damals von den jüdischen Mitbürgern letzten frei gewählten Wohnort verlegt.

War es schwierig, entsprechende Standorte zu finden?

Überhaupt nicht. Wir haben mit den Hauseigentümern gesprochen und sind sofort auf ein positives Echo gestoßen. Es geht darum, den Opfern den Namen zurückzugeben und dadurch auch Heimatgeschichte aufzuarbeiten.

Haben Sie zu der Aktion auch Nachfahren der deportierten Juden eingeladen?

Das hätten wir gerne, doch es ist sehr schwierig und aufwendig, Adressen von Nachfahren ausfindig zu machen, zumal viele bereits verstorben sind. Mit einem Urenkel, der in Deutschland lebt, stehen wir derzeit in Kontakt. Vielleicht kommt er.

Wird der Künstler Gunter Demnig, der in den 1990er Jahren die Idee zu den Stolpersteinen als Erinnerung an das Schicksal einzelner Menschen entwickelt hat, anwesend sein?

Ja, der Künstler verlegt die ersten Stolpersteine selbst. Am Vorabend des 7. November wird er außerdem einen Vortrag zu Konzept und Motivation dieser europaweiten Bewegung halten. Wir in Efringen-Kirchen werden mit dieser Aktion in guter Gesellschaft sein, denn hier in der Umgebung sind bereits in Lörrach, Schopfheim, Müllheim, Sulzburg und Breisach Stolpersteine verlegt worden.

Wie viele Gedenksteine wird es in Kirchen geben?

Ich rechne am Ende schon mit 50. Es geht nicht nur um aus der Gemeinde deportierte Juden, sondern auch um Verfolgte, die fliehen mussten. Auch gibt es zwei belegbare Opfer der NS-Euthanasie. Gerade in einer Zeit, in der Risse durch unsere Gesellschaft gehen, ist es besonders wichtig, daran zu erinnern, dass zu einer Demokratie auch der Respekt vor Andersdenkenden gehört und es sich lohnt, sich für demokratische Werte einzusetzen. Es freut mich sehr, dass auch die Geschichts-Arbeitsgemeinschaft der Schule sich für das Thema Stolpersteine interessiert. Diese wird zur Aktion am 7. November ebenso eingeladen.

Wer finanziert die Stolpersteine?

Wir finanzieren das ausschließlich über Spenden. Etwa 120 Euro kostet ein Stolperstein. Bislang haben wir 3000 Euro an Spenden eingenommen, was sehr erfreulich ist. Weitere Spenden sind willkommen, damit wir nach und nach weitere Gedenksteine verlegen können.

Am 3. September gibt es einen Tag der jüdischen Kultur. Was ist geplant?

Armin Schweizer, der sich schon lange für diese Form der Erinnerungskultur einsetzt, wird einen Vortrag über das Konzept der Stolpersteine halten, während Ernst Giesel, dessen Vater mit in Kirchen lebenden Juden befreundet war, die menschliche Seite und das Zusammenleben beleuchten wird.

Außerdem wird Christian Rabe am 22. September in der Kleinkemser Kulturscheune ein Benefizkonzert zugunsten der Stolpersteine geben.

Wer das Projekt „Stolpersteine“ unterstützen und damit die Erinnerungskultur wachhalten möchte, kann dies über das Spendenkonto bei der Gemeinde Efringen-Kirchen tun: Sparkasse Markgräflerland, IBAN DE77 6835 1865 0007 3502 42

Marion Caspers-Merk

Marion Caspers-Merk Foto: Siegfried Feuchter

Die Politikwissenschaftlerin
war von 1990 bis 2009 SPD-Bundestagsabgeordnete, Drogenbeauftragte der Bundesregierung und Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium in Berlin.

Die 68-Jährige,
die seit mehr als 30 Jahren in Welmlingen wohnt, engagiert sich auch nach ihrem Abschied aus der großen Politik in vielfältiger Weise – beruflich wie ehrenamtlich. Sie ist unter anderem Dozentin an der Dualen Hochschule Lörrach und Mitglied des Kreistags. Zudem leitet sie den Arbeitskreis „Stolpersteine“ in Efringen-Kirchen.

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