Efringen-Kirchen „Wir wurden nicht allein gelassen“

Alisa Eßlinger

Jugendzentrum: Jugendliche berichten über Corona-Zeit / Wertschätzung und Unterstützung fehlen

Efringen-Kirchen - Eigentlich sollte der Besuch beim Jugendzentrum Efringen-Kirchen (JuZ) dazu dienen, die Corona-Zeit Revue passieren zu lassen. Doch schnell wurde klar, dass den Jugendlichen mehr Dinge auf den Nägeln brennen als die Krise. Unsere Zeitung hat sich mit den Jugendlichen zusammengesetzt und sie über die derzeitige Lage befragt.

Auf dem Parkplatz am Turn- und Sportverein Efringen-Kirchen prallt die Sonne am Mittwochabend noch sehr heiß. Vor dem JuZ-Containern sitzen die Jugendlichen unter dem kleinen Vordach. Dabei fragt man sich, wie die Jugendlichen das unter dem Wellblechdach aushalten. Doch sobald man den Vorplatz im Schatten erreicht, merkt man gleich, dass ein Luftzug für etwas Abkühlung sorgt. Die Jugendlichen sitzen in einem deformierten Kreis entweder auf Bänken oder Campingstühlen zusammen – unter ihnen auch Betreuer Jens Künster.

Treffen trotz Lockdown

Eins steht für alle fest: Das JuZ hat ihnen gefehlt. „Wir sind gottfroh, dass wir uns wieder am JuZ treffen können“, sagt Andi direkt zu Beginn und fügt hinzu: „Irgendwann hat man wieder Lust etwas zu machen. Man kann nicht nur rumsitzen und ein paar Körbe werfen, die Menschen fehlen einem einfach.“

Direkt am Anfang habe der Lockdown die meisten Jugendlichen sehr hart getroffen. Dabei gibt Andi auch zu, dass sich die Gruppe trotz Corona gesehen hat. „Das musste dann heimlich entweder auf dem Schulhof oder hier auf dem Parkplatz geschehen“, erzählt Saskia und berichtet: „Manchmal hat uns sogar die Polizei gefunden, dann mussten wir rennen. Aber auch wenn sie uns erwischt haben, waren sie netter als andere Menschen.“

Ihre Freundin Necoma findet es auch, dass es nicht logisch ist, wenn man sich nur zu zweit treffen darf. „Wenn ich mich an einem Tag mit der einen und am anderen Tag mit der einen Freundin treffe, dann können wir uns auch gleich zu dritt sehen“, erklärt sie. „Wir waren aber nie sehr viele, vielleicht gerade mal vier Leute. Uns war schon auch wichtig, den Kontakt zu reduzieren“, berichtet Ambra. Sie hatte vor allem mehr Abstand zu den anderen gesucht, da ihre Mutter Asthma hat und sie kein Risiko eingehen wollte. „Ich habe mich mit meinen beiden Freundinnen dann im Garten oder zum Hundespaziergang verabredet“, erzählt sie.

„Man braucht einfach etwas Action“

Doch sobald nach und nach die Lockerungen kamen, sei die Gruppe wieder gewachsen, fügt Andi hinzu. „Man braucht einfach etwas Action“, wirft Saskia in die Runde und wird von den anderen bestätigt.

Nicht nachvollziehbar war es für Saskia und Ambra, dass sie sich privat mehr einschränken mussten, als in ihrem Beruf als Erzieher. „Bei der Arbeit geht es einfach nicht, die Richtlinien einzuhalten und die Kinder verstehen auch nicht, Abstand zu halten“, erklärt Ambra. Und Saskia fügt hinzu: „Was soll man machen, wenn die Kinder gewöhnt sind, einen bei der Begrüßung zu umarmen oder sogar in den Arm zu springen? Außerdem sind Masken bei unserem Beruf hinderlich, die Kinder brauchen die Mimik des Gegenübers.“

So sind sich auch alle Jugendlichen einig: Hätte es beim JuZ eine Maskenpflicht gegeben, wären sie nicht gekommen, sagen die Jugendlichen klar.

„Man kann Corona einfach nicht mehr hören“, sagt Saskia und auch Ambra berichtet, dass im Radio ausschließlich nur ein Thema zu hören war. „Es gibt Schlimmeres auf dieser Welt als Corona. Klar, es ist schlimm, dass so viele Menschen mit dem Virus gestorben sind, aber von Terroranschlägen in Ägypten oder ähnliches hört man nichts mehr“, fügt Ambra hinzu.

Und auch Andi sagt: „Die wirkliche Bedrohung sehe ich nicht in Corona.“ Für ihn steht fest, dass die Medien nur zensierte Nachrichten bringen. „Man blickt gar nicht mehr durch: Erst können Kinder auch Corona kriegen und plötzlich nicht. Bei den Masken wurde am Anfang auch gesagt, dass sie nichts bringen und plötzlich haben wir eine Maskenpflicht“, sagt Saskia zur Verdeutlichung.

Mehr auf dem Herzen

Immer wieder schweift das Gespräch mit den Jugendlichen zum JuZ. So merkt man, was den Jugendlichen wirklich auf dem Herzen liegt – nämlich die Situation des JuZ: Das verbindende Glied des JuZ ist Künster. „Es tut sehr gut, jemanden zu haben, dem man sich anvertrauen kann“, hebt Andi hervor, und damit ist er nicht der einzige. Auch Saskia ist froh, dass sie wieder eine Anlaufstelle zum reden hat: „Ich weiß, dass ich immer zu Jens kommen kann und er mir bei meinen Problemen hilft. Er verurteilt einen nicht gleich und versucht uns immer zu helfen.“ Und Necoma erzählt auch, dass Künster seine Schützlinge über den Lockdown nicht im Stich gelassen hat. „Die meisten Betreuer würden sich ausruhen, aber nicht Jens“, hebt sie hervor.

Betreuer ist eine Stütze

Viele von den Jugendlichen sagen auch deutlich, dass sie nicht mehr zum JuZ kommen würden, wenn Künster nicht da wäre. „Er macht so viel für uns und setzt sich immer für unsere Belange ein“, erklärt Andi. „Ich fahre extra 40 Minuten hier her, weil ich gerne hier bin. Hier haben wir einen Ort, wo sich Menschen aus verschiedenen Gemeinden treffen können“, sagt auch Saskia.

Vor allem die Wertschätzung, die sie von ihrem Betreuer bekämen, fehle ihnen seitens der Gemeinde: „Ich habe nicht das Gefühl, dass wir von Efringen-Kirchen eine Unterstützung bekommen. Zum Beispiel sollte der JuZ-Container eigentlich nur eine Übergangslösung sein, und jetzt steht er immer noch“, erklärt Andi und fügt hinzu: „Egal, was passiert, wir sind immer die Schuldigen“, erklärt Andi und wird von seinen JuZ-Freunden bestärkt.

„Das hat auch Corona gezeigt: Wir wurden aggressiv von Menschen aus dem Ort darauf hingewiesen, sich nicht mehr zu treffen. Oder sie haben die Polizei gerufen, wenn wir auch nur zu zweit waren“, berichtet Saskia. „Da heißt es immer, die Jugend sei frech, aber auch die älteren Menschen sind nicht immer freundlich“, fügt Necoma hinzu, aber ihr ist auch bewusst: „Natürlich kann man nicht alle über einen Kamm scheren.“

Hierbei schaltet sich Künster ein, der sonst teilweise nicht bei dem Gespräch anwesend ist: „Heute waren Lokalpolitiker da und ich bin auch im Gespräch mit einer Gemeinderätin. Der Plan ist, im Sommer wieder ein ,Jugend-Hearing’ zu starten. Es ist wichtig, dass wir Vertreter im Gemeinderat haben, damit unsere Jugendlichen auch gehört werden.“ Künster hofft nun, dass sich in Zukunft etwas ändern wird.

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