Efringen-Kirchen Wo Geflüchtete ankommen

Beatrice Ehrlich

Ein Besuch bei der Bearbeitungsstraße der Bundespolizei in Efringen-Kirchen

Seit Oktober 2022 gibt es in Efringen-Kirchen eine Bearbeitungsstraße für die Registrierung Geflüchteter, die im Bereich der Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein aufgegriffen werden. Polizeisprecherin Katharina Keßler gibt im Interview Einblicke in das, was dort jeden Tag passiert.

Von Beatrice Ehrlich

Efringen-Kirchen - An einem kalten Tag Ende Januar sind die Zelte am Eingang leer, in den Gebäuden sitzen Bundespolizeibeamte und warten. Nur ein einziger unerlaubt eingereister Geflüchteter aus Marrokko wurde bisher aufgegriffen. Schon seit einigen Tagen, berichtet Polizeioberkommissarin Katharina Keßler, sei die Zahl der Ankommenden zurückgegangen. Die Lage sei dynamisch, sagt sie. Im Moment befinde man sich in einer relativ aufgriffsarmen Zeit, was wohl am Wetter liege.

Wann wurde die Bearbeitungsstraße in Efringen-Kirchen eingerichtet und weshalb?

Die Bearbeitungstraße am Standort Efringen-Kirchen gibt es seit Ende Oktober 2022. Grund dafür war, dass es seit dem Sommer einen starken Anstieg unerlaubter Einreisen gab. „Unerlaubt“, das heißt, dass die Einreisenden keine gültigen Dokumente beziehungsweise kein Visum vorweisen konnten. Um sie alle zu registrieren reichten die Bearbeitungskapazitäten unserer Reviere in Lörrach und Freiburg bald nicht mehr aus. Deshalb wurden mit dem Aufbau der Bearbeitungstraße die Kräfte in Efringen-Kirchen gebündelt.

Warum am Standort Efringen-Kirchen?

Hier im ehemaligen Sanitätsdepot der Bundeswehr hatten wir mit Räumen, die normalerweise für Schulungen und Fortbildungen genutzt werden, die Möglichkeit diese relativ kurzfristig in eine Bearbeitungsstraße mit mehreren Stationen umzubauen. Als Wartebereich für die Menschen, die registriert werden, hatten wir zunächst mit Unterstützung des THW Zelte auf unserem Parkplatz errichtet, mittlerweile haben wir dafür in einem Lagergebäude Platz geschaffen.

Wie lange dauert das Durchlaufen der Bearbeitungsstraße, und was wird dabei alles erfasst?

Die Dauer des Verfahrens hängt von der Auslastung ab, wenn mehrere Menschen da sind, kann es ein paar Stunden dauern. Die Menschen, die wir aufgegriffen haben, werden zunächst durchsucht, auch nach Dokumenten, und dann befragt.

Es werden die Fingerabdrücke überprüft, also ob die betreffende Person schon einmal erfasst worden ist, überprüft, ob schon mal ein Visum beantragt wurde. Dann folgt die erkennungsdienstliche Behandlung, das heißt, die Aufnahme von Lichtbildern und das Speichern der Fingerabdrücke. Bei jedem unerlaubt Eingereisten leiten wir ein Strafverfahren ein, dass der Staatsanwaltschaft vorgelegt wird. Wenn die Menschen nur die unerlaubte Einreise begehen, wird das Verfahren meistens eingestellt.

Die Menschen reisen dann alleine weiter?

Sie bekommen von uns eine Anlaufbescheinigung, wo und wann sie sich zu melden haben, und wenn jemand über keine eigenen Geldmittel verfügt, händigen wir ihm ein Ticket aus. Die meisten kommen selbständig zum Bahnhof in Efringen-Kirchen.

Wie funktioniert die Verständigung?

Sie erfolgt teilweise in Englisch, mithilfe einer Übersetzerin, etwa für Farsi, und manchmal auch mit Hand und Fuß. In den Reihen unserer Kollegen befinden sich einige, die weitere Fremdsprachen mitbringen

Gab es außergewöhnliche Vorfälle in jüngster Zeit?

Nein, es gab keine. Nur in einem Fall sind wir auf Widerstand gestoßen. Wir treffen ganz überwiegend auf Menschen, die sichtbar erleichtert sind, und hier auf menschenwürdige Behandlung hoffen. Wir haben Betten zum Ausruhen und eine mit Hilfe der Gemeinde Efringen-Kirchen gut bestückte Kiste mit Kuscheltieren für die Kinder. Viele der Ankommenden sind gezeichnet von der langen Reise und den entsprechenden hygienischen Zuständen. Sie sind dankbar, endlich angekommen zu sein.

Wie viele Beamte sind dafür im Einsatz? Sind das mehr als sonst?

Es sind deutlich mehr als sonst. In der Bearbeitungsstraße müssen viele Positionen besetzt werden, hinzu kommen die Kräfte, die draußen unterwegs sind. Neben den Beamten unserer Bundespolizeiinspektion in Weil sind weitere Beamte der Bundespolizeidirektion in Stuttgart und der Bundesbereitschaftspolizeidirektion im Einsatz. Das sind Polizeikräfte, die man sonst von Fußballeinsätzen oder Demonstrationen kennt.

Wie viele Menschen durchlaufen die Straße pro Tag?

Das ist sehr dynamisch, heute werden es wahrscheinlich nur eine Handvoll sein. Mittlerweile – seit Mitte Januar – wurde eine zweite Bearbeitungstraße am Badischen Bahnhof in Basel, also auf Schweizer Hoheitsgebiet, eingerichtet. Hintergrund dafür ist das Gemeinschaftsabfertigungsabkommen über die Errichtung nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die Grenzabfertigung in Verkehrsmitteln während der Fahrt aus dem Jahr 1961. Das bedeutet, dass Reisende, die wir in Zügen zwischen dem Schweizer Bahnhof (SBB) und dem Badischen Bahnhof aufgreifen, direkt dort registriert und dann, im Rahmen der guten Zusammenarbeit, in die Schweiz zurückgeschickt werden können. Das gilt dann als „Versuch der unerlaubten Einreise“. Seitdem beobachten wir einen Rückgang der unerlaubten Einreisen.

Wo werden sie aufgegriffen? Von wo überall werden sie nach Efringen-Kirchen gebracht?

Zu unserem Einsatzgebiet gehören alle Verkehrswege, die Fernlinien per Bus und Bahn ebenso wie etwa die Tramlinie 8 nach Friedlingen, aber auch der Individualverkehr, Taxis, Uber oder andere Mitfahrgelegenheiten.

Woher kommen die Menschen? Welche Reiseroute haben sie hinter sich?

Von Januar bis November 2022 waren die drei Hauptherkunftsländer Afghanistan, Syrien und Burundi. Aus Brundi reisten ganze Familien ein, 20, 25 Leute im Verbund. Das war aber ein Phänomen, das nur rund zwei Monate andauerte.

Wir vermuten, das diese Menschen über Serbien eingereist sind, wo vorübergehend kein Visum nötig war. Jetzt kommen nur noch einzelne. Die Menschen kommen über die zentralmediterrane Route oder über die Balkanroute, wobei die Ankünfte über letztere seit dem vergangenen Sommer deutlich zugenommen haben.

Wie hoch ist der Anteil an Einzelpersonen, Männer, Frauen, Familien und unbegleitete Minderjährigen an den Ankommenden?

Es handelt sich ganz überwiegend um alleinreisende Männer. Darunter sind auch immer wieder alleinreisende Minderjährige. Die schicken wir nicht in die LEA, sondern sie werden hier mit dem Taxi abgeholt und in die Obhut des Jugendamts Lörrach gegeben. Phasenweise kommen auch Familien, eben aus Burundi oder aus dem Irak, nur selten alleinreisende Frauen.

Welche Gründe nennen sie für ihre Flucht?

Die Fluchtgründe sind ganz individuell. Bei den Afghanen ist es meistens die Flucht vor der Herrschaft der Taliban und deren Folgen.

Wie geht es für einen Menschen, der Asyl beantragen möchte, nach dem Durchlaufen der Bearbeitungsstraße weiter?

Wir überprüfen immer, ob „einreiseverhindernde“ oder „aufenthaltsbeendende“ Maßnahmen einzuleiten sind, etwa bei sogenannten „Dublin-Fällen“ – Menschen, die bereits in einem anderen “Dublin-Staat“ einen Asylantrag gestellt haben. Die Informationen werden dann an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur weiteren Prüfung und Entscheidung mitgeteilt. Die Menschen, die ein Asylgesuch auf deutschem Hoheitsgebiet stellen, leiten wir in die Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Karlsruhe weiter.

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Schweizer Behörden?

Wir haben einen engen Austausch mit dem Schweizer Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit. Seit 2013 gibt es eine Gemeinsame operative Dienstgruppe (GoD).

Zur Person: Katharina Keßler ist als Polizeioberkommissarin bei der Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein seit 2018 für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Die 34-Jährige gebürtige Bayerin ist seit 2007 in Weil und hat 2013 die Gemeinsame operative Dienstgruppe mit dem Schweizer Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit mit aufgebaut.

Laut der Polizeilichen Eingangsstatistik der Bundespolizei (PES) betrug die Zahl unerlaubter Einreisen mit Bezug zu den Grenzen der Schweiz im Jahr 2022 im Juli: 410, im August: 576, im September: 991, im Oktober: 2390, im November: 2916 und im Dezember (hier laut Sondermeldedienst der Bundespolizei): 1036. Von Januar bis Juni 2022 hat laut Bundespolizei-Sprecherin Katharina Keßler die Zahl der monatlichen Einreisen jeweils bei gut 300 gelegen. Während die Zahl der jährlichen solcher Einreisen 1574 im Jahr 2020 und 2512 im Jahr 2021 betragen hatte, stieg sie 2022 auf 9929 an.

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