^ Endenburg: Anekdoten vom Schneiderhof - Steinen - Verlagshaus Jaumann

Endenburg Anekdoten vom Schneiderhof

Ines Bode
Jürgen Kammerer (rechts) weiß viele Geschichten von früher zu erzählen – heiterer und ernster Natur. Foto: Ines Bode

„Z’Liecht goo“, so steht es im Berta Schneider-Büchle geschrieben, heißt: „Abendliche Unterhaltung in Nachbars Stube“ – gleichzeitig Titel der vorletzten Wintereinladung ins Bauernhausmuseum „Schneiderhof“ Kirchhausen.

Auf dem Schneiderhof ist vieles kleiner: Die Türen waren für Menschen mit Körpergröße 1,65 Meter gedacht, die Stühle entsprechend. Die Fenster sind etwa sechzig Zentimeter hoch und in der Küche kann man sich gerade mal drehen. Doch früher hat hier eine Familie gegessen. Nach drei Jahrhunderten ist die Rauchküche schwärzer als schwarz, geschuldet dem Räuchern, aber sie funktioniert. Der Speck hängt hoch oben, kaum sichtbar und wird später aufgetischt.

Schneiderhof-Kenner und Motor des Fördervereins Jürgen Kammerer empfing die Gäste vor dem Haus, und die versammelte Gruppe passte wie ein Wunder in die winzig scheinende Nagelschmiede. Nebenbei weist Kammerer auf die mächtige Linde, über 20 Meter hoch, die alles überragt – 1987 von ihm selbst gepflanzt.

Auch das nostalgische Bett in der Schlafstatt ist überraschend groß und vor allem breit. „Für eine Person“, bestätigte Kammerer. Ein Jahr vor der Lindenpflanzung starb Berta mit 91 Jahren. 1895 kam die letzte Bewohnerin auf die Welt, wuchs zur klugen und schönen Frau heran, sei Klassenbeste gewesen, und sollte den Hof fast bis zum Ende ihrer Tage im Alleingang bewirtschaften, wie besagtes Büchlein bezeugt.

Kaum etwas wurde verändert. Aus Geldmangel. Ein Vorwurf, der auch die Behörden erreichte. Tatsächlich muss man Danke sagen, da die Nachwelt heute keinen Schneiderhof hätte, den ein tatkräftiger Verein hätte retten können.

Nur im Kuhstall warm

Kammerer kannte Berta und schildert den Besuchern folglich den früheren Alltag authentisch. Kalt sei es gewesen den langen Winter über. „Nur im Kuhstall war es warm. Hier sorgten die vierbeinigen Heizkörper für bessere Temperaturen“.

Ohnehin trieb es die Bewohner in aller Herrgottsfrühe in den Stall. Die Scheune mit Tenne überrascht wiederum hinsichtlich des Umfangs. Zwei Einfamilienhäuser würden wohl hineinpassen.

Auch im Bau von Fahrrädern hatte man es damals gut gemeint, dem Maß des Exemplars nach zu urteilen, das Kammerer präsentierte.

Der Hintergrund ist traurig: Die Familie hatte gespart, wollte endlich raus aus der Baufälligkeit des Gebäudes und neu bauen, doch die Inflation machte alles zunichte. Leisten konnte man sich ein Fahrrad.

Die Rechnung vom Juni 1923 weist eine sechsstellige Summe auf – ohne Komma. 1922 gab es Glühbirnen, 15 Watt genügten völlig, und später fanden sich in Bertas Schublade defekte Exemplare, weil sie sich womöglich noch verwenden ließen.

Schlagfertige Hofherrin

Viele Anekdoten hatte Kammerer auf Lager. Sie standen auch für die Schlagfertigkeit der Hofherrin und ihrem spartanischen Leben.

Der Tag begann mit dem Z’Morge, nur sonntags gab es Bohnenkaffee, am „liebschde sällä us de Schwiz“. Mit 86 Jahren bestellte sie noch den Kartoffelacker.

Beim letzten Besuch auf ihrem Hof, von Kammerer hin chauffiert, wollte sie sich nicht anschnallen: „Nütt – miiner Lebdig ha i kein Stroofzettl kriegt, jetzt wot is grad no nemol wüsse“.

Produkte genießen

Stundenlang ließen sich Anekdoten erzählen, in der gemütlichen Stube sitzend, der Tisch frühlingshaft von Gerlinde Fels gedeckt – und wie einst die Produkte des Hofs genießend.

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