Fischingen „Ich bin nie wieder gerne Zug gefahren“

Weiler Zeitung
Helene Brunner und Otto Bürgin finden das Gedenken an das Unglück bei Markdorf nicht nur für die damals betroffenen Familien wichtig. Foto: Jutta Schütz Foto: Weiler Zeitung

Zugunglück: Zeitzeugen aus Fischingen berichten / Überlebt, weil der Waggon zu voll war

Fischingen (jut). Zur Gedenkfeier am 80. Jahrestag des Markdorfunglücks sind auch einige Zeitzeugen in die Binzener Kirche gekommen. Sie hatten als Kinder das Zugunglück vom 22. Dezember 1939 selbst mit- und überlebt.

Fast alle hatten Fotos aus ihrer Kinderzeit dabei und tauschten sich untereinander aus. Die Fotos, die die Zeitzeugen mitgebracht hatten, zeigten die Kinder beim Schlittenfahren und Spielen im tiefen Schnee im Allgäu und im Kleinwalsertal.

„So viel Schnee hatten wir noch nie gesehen, für uns war das wunderbar – aber wir wollten zu Weihnachten und zum neuen Jahr natürlich auch gerne zu Hause sein“, sagten übereinstimmend mehrere Zeitzeugen.

Weiter daran erinnern

Den anwesenden Überlebenden war die Gedenkveranstaltung wichtig: „Es soll weiter daran erinnert werden, denn das Geschehen hat unsere Familien betroffen und tut dies indirekt heute noch“, stellte Otto Bürgin aus Fischingen fest.

Bürgin, damals fünf Jahre alt, baute im Kleinwalsertal zusammen mit seinen Freunden Gräben in den Tiefschnee. „Klar, es war Krieg und wir haben Militär gespielt, das machten ganz viele Buben damals“, erinnert er sich.

Als die Reise mit dem Sonderzug ins Markgräflerland losgehen sollte, gab es einen Wagen, an dem „Fischingen“ angeschlagen war. „Aber der Waggon war bereits voll besetzt, deshalb stiegen wir weiter hinten in den Zug ein. Meine Mutter schickte den Vater dann noch einmal nach vorne, um zu schauen, ob es dort noch Plätze gab, aber dort war nichts frei. Das hat uns das Leben gerettet“, erinnert Bürgin sich.

Mit dabei war auch Helene Brunner, geborene Meier, aus Fischingen. 1939 war sie neun Jahre alt. Zusammen mit ihrem Bruder Adolf Meier und ihren Schwestern Martha Wittich und Lisbeth Herr war sie mit der Mutter in Riezlern im Kleinwalsertal untergebracht.

Kein Auge zugetan

Die Erinnerung an das Unglück hat sie sehr mitgenommen. „Ich bin nie wieder gerne Zug gefahren, bis heute nicht. Als ich einmal mit dem Schlafwagen nach Rügen gereist bin, habe ich kein Auge zugetan, weil ich immer an das Unglück denken musste“, berichtete sie.

Zum Hintergrund: Viele Familien aus dem Markgräflerland waren zu Beginn des Zweiten Weltkriegs Richtung Bayern evakuiert worden. Sie sollten am 22. Dezember 1939 mit einem Sonderzug zurück nach Müllheim fahren. Dieser Sonderzug kollidierte wegen der Unachtsamkeit zweier Fahrdienstleiter nachts auf eingleisiger Strecke nahe Markdorf mit einem Kohlenzug. 101, nach anderen Quellen 106 Menschen kamen bei dem Zugunglück ums Leben. 47 Verletzte, vermutlich waren es mehr, wurden gezählt. 98 der Toten stammten aus dem Markgräflerland.

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