Fußball „Die Wurzeln sind tief in mir drin“

Die Oberbadische
Vedat Erdogan ist in Schönau geboren, lebt in Lörrach und schießt für den TuS Maulburg seine Tore. Foto: Gerd Lustig Foto: Die Oberbadische

Maulburgs Stürmer Vedat Erdogan spricht offen über Mesut Özil, das Foto und die Integration

Erst das Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten, dann eine schwache Weltmeisterschaft, jetzt der Rücktritt: Die Schlagzeilen um Mesut Özil reißen nicht ab. Jeder hat seine Meinung zu diesem Sommerdrama in mehreren Akten. Vedat Erdogan ist in Schönau geboren, hat türkische Wurzeln und hat die Diskussion rund um den 92-maligen Nationalspieler natürlich verfolgt.

Von Mirko Bähr

Lörrach. Vedat Erdogan, weder verwandt noch verschwägert mit dem Präsidenten am Bosporus, ist Stürmer. Zuerst ballerte er bei seinem Heimatverein FC Schönau den gegnerischen Keepern die Bälle nur so um die Ohren, eingenetzt hat er auch für den FV Lörrach-Brombach, um dann schließlich sogar einige Male in der Oberliga für den Freiburger FC aufzulaufen. Nun lässt der 28-Jährige seine Karriere ausklingen. Beim TuS Maulburg töpfte er in der Kreisliga B in zwölf Einsätzen 18 Mal und trug so seinen Teil zum Aufstieg in die Kreisliga A bei.

Integration: Es wird wieder viel zerstört

Er kennt das Gefühl ganz genau. „Wenn es gut läuft, dann bist du integriert. Passt nichts zusammen, dann bist du der Ausländer“, sagt Erdogan ehrlich. Diese verstecke Fremdenfeindlichkeit würden die Deutschen selbst gar nicht wahrnehmen, auch weil sie nicht offensichtlich ist, wohl aber die Menschen mit ausländischen Wurzeln.

Viel sei erreicht worden, was dieses Thema anbelangt, findet er. Nur mit den jetzigen Diskussionen, die teilweise weit unter der Gürtellinie geführt würden und oft auch scharfe populistische Töne mit sich brächten, würde vieles wieder zerstört. „Es wurde schon viel bewegt, das jetzt wirft uns alle, egal, ob Ausländer oder Deutscher, wieder weit zurück.“ Diese Entwicklung sei bedauerlich.

Erdogan, der mit seiner deutschen Frau und dem gemeinsamen Sohn in Lörrach lebt, hätte die Einladung des Staatspräsidenten aus dem Land seiner Eltern und Großeltern ebenfalls angenommen. „Ob ich nun ein Fan von ihm bin oder nicht, aber wir wurden kulturell anders erzogen. Die türkischen Wurzeln sind tief in mir drin“, erklärt der 28-Jährige.

Er sei integriert, spreche fließend Deutsch, habe eine deutsche Frau. Kurzum: Er fühle sich wohl in Deutschland. „Aber im Herzen fühle ich mich mehr als Türke. Diese Kultur habe ich mitbekommen“, sagt er.

Unverständlich sei für ihn, dass man Mesut Özil nun als alleinigen Sündenbock der verkorksten Weltmeisterschaft verantwortlich macht. „Er wird als einziger kritisiert, dabei haben alle schwach gespielt.“ Aber Özil sei immer nur kritisiert worden. Sei es wegen der zu laschen Körperhaltung, des Schweigens während der Hymne und, und, und.

„Warum respektiert man das nicht? Wie es in ihm drin aussieht, das weiß doch eh keiner.“ Und so findet es Erdogan nur konsequent und richtig, dass der in Gelsenkirchen geborene Kicker des FC Arsenal London nun den Schlussstrich gezogen hat. „Ich verstehe ihn. Das kochte in ihm richtig hoch.“ Was die fußballerische Qualität anbelangt, sei Özils Rücktritt doch zu verschmerzen. „Deutschland hat doch genügend super Spieler.“

Seit dem berühmt-berüchtigten Foto mit Recep Tayyip Erdogan sei es ja auch gar nicht mehr um das deutsche Team gegangen. „Der Druck lastete alleine auf Özil und Gündogan. Es wurde schlechte Stimmung gemacht und nur draufgehauen.“

Dass sich der Deutsche Fußball-Bund, der Özil lange Zeit als den Vorzeige-Integrierten überhaupt dargestellt hat, nicht schützend vor die Spieler gestellt habe, sei schlicht und einfach enttäuschend. „Ich glaube nicht, dass dieses gemeinsame Foto aus politischen Absichten gemacht wurde. Das war eine rein private Angelegenheit“, findet Vedat Erdogan. Und was die Integration Özils anbelangt? „Er hat für die deutsche Nationalelf gekickt, mehr Integration geht nun wirklich nicht. Und dass er die Nationalhymne nicht mitsingt, das ist eben so.“ Da sei er in all den Jahren auch nicht der einzige gewesen.

Warum sich Özil nicht früher in der Öffentlichkeit geäußert hat, um damit vielleicht etwas Druck aus dem Kessel zu nehmen? „Vielleicht hat er gedacht, dass bei einem erfolgreichen WM-Abschneiden das eh alles egal ist und er sich nicht mehr rechtfertigen muss.“

Denn eines merke auch er, dessen Opa vor vielen, vielen Jahren als Einwanderer nach Deutschland kam, immer wieder: „Wenn es gut läuft, ist die Herkunft uninteressant, läuft es aber schlecht, dann ist man auf einmal nicht integriert“, wiederholt sich Erdogan.

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