Er ist kein Leisetreter und eckt gerne an. Dennoch ist der Strippenzieher nicht mehr von den hiesigen Fußballplätzen wegzudenken. Er hat Ideen, sprüht vor Tatkraft und geht auch, wenn es ungemütlich wird, immer voran. Die Rede ist von Ralf Brombacher, der nach 16 Jahren an der Spitze der Hochrhein-Schiris heute in der Stadthalle Wehr abtritt. Er wechselt eine Etage nach oben – als Chef der südbadischen Unparteiischen. Unser Sportredakteur Mirko Bähr hat sich mit dem 46-Jährigen unterhalten.
 
Sie werden künftig ein anderes Spielfeld beackern, wechseln vom Bezirk in den Verband.
Ich werde heute den Vorsitz der Bezirks-Schiris abgeben. Am 4. Mai wurde ich zum Verbands-Obmann gewählt, am 5. Juni wurden die Amtsgeschäfte  übergeben.  Aber auch wenn ich dann nicht mehr im Bezirk  tätig bin, möchte weiter vor Ort auf den Fußballplätzen präsent sein. Mir ist der Kontakt zur Basis wichtig.
 
Nach 16 Jahren ist Schluss.
2003 habe ich das Amt von Henning Nopper übernommen. Übrigens: Bis mein Nachfolger übernimmt, bin ich der jüngste Bezirksschiedsrichter-Obmann, aber gleichzeitig der Dienstälteste im Verband. Hafes Gerspacher übernimmt nun, falls er gewählt wird, ebenfalls mit 30 Jahren dieses Amt.
 
Lassen Sie doch mal diese Zeit  Revue passieren.
Es hat sich viel verändert. Ich schaue gerne nach vorn, habe die Weiterentwicklung im Blick. Mit Traditionen kann ich nur etwas anfangen, wenn sie einen auch weiterbringen. Bitte nicht negativ verstehen, aber es müssen oft Dinge aufgebrochen werden. Als ich anfing im Bezirk, gab es einen sehr überschaubaren Haufen von Liga-Schiedsrichtern. Nämlich neun. Jetzt sind wir 17. Wir haben das Coaching verändert, die Kadertrainings neu aufgegleist, haben uns weiterentwickelt.
 
Das hat Früchte getragen, wenn man sich anschaut, wie viele Referees von hier überbezirklich pfeifen.
Wir haben nun zwei Regionalliga-Schiris, einer ist in der Oberliga vertreten, gleich fünf pfeifen in der Verbandsliga. Damit haben wir  mit dem Bezirk Freiburg die meisten Schiris oberhalb der Verbandsliga. Diese Erfolge sind nicht das einzige Kriterium für erfolgreiche Arbeit, aber ein Beweis dafür, dass unser Weg nicht   falsch war.
 
Sie haben  auch acht Jahre als stellvertretender Bezirksvorsitzender gewirkt.
Auch da haben wir viel gemacht. Da fällt mir in erster Linie die Spielklassenreform ein. In meiner Zeit als Bezirksvize sind Vereine und Funktionäre wieder näher zusammengerückt. Man muss es so hart sagen, aber wir haben die Ära Klaus Denzinger überlebt, die für den Fußballsport nicht optimal war. Nach seiner Amtszeit gab es drei Bezirksausschüsse, die nicht mehr miteinander kommunizierten. Zusammen mit Uwe Sütterlin haben wir im Bezirksfußballausschuss doch vieles bewirkt.
 
Nicht zu vergessen der abgesagte Spieltag auf Bezirksebene, der medial durch die Decke ging.
Da mussten wir   tätig werden. 2013 gab es mehr als 20 tätliche Übergriffe auf Schiris.  Jetzt sind es höchstens noch drei. Einige haben den Zeigefinger gehoben und mich für verrückt erklärt. Wer mich kennt, weiß, dass ich den Mittelpunkt nicht scheue, aber ich suche ihn auch nicht. Ich brauche das nicht. Ich will für meine Schiris da sein, für die Vereine. Und manchmal fälle ich   auch Entscheidungen, die nicht jedem gefallen.
 
Wie ist der Schiri-Bezirk aufgestellt?
Optimal. Wir haben eine tolle Mischung aus jungen Wilden und erfahrenen Hasen wie Dieter  Grethler und Henning Nopper. Im Bezirksausschuss bin ich  mit meinen 46 Lenzen der Viertälteste. Was uns noch zu den anderen Bezirken unterscheidet, ist, dass die Jungen, die Verantwortung übernehmen, auch noch Spitzenschiris sind: Hafes Gerspacher wird Obmann, Luigi Satriano wird Bezirkslehrwart, Ramon Leisinger Beisitzer der Nachwuchsförderung und Dominik Homberger Schriftführer. Dazu kommt Simon Wolf als Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses. Dieses Quintett steht auf der Verbandsliste.
 
Sieht man Sie künftig noch auf den hiesigen Plätzen?
Ich werde weiter da sein, werde weiterhin Spiele pfeifen. Natürlich werde ich am Bezirkstag nicht mehr am Mikrofon stehen. Jetzt übernehmen andere. Ich hoffe, den neuen Kräften gibt man die nötige Zeit, ich bin ja auch nicht da reingestolpert und es hat alles funktioniert.
 
Sie haben mit ihrem Stellvertreter Harry Ehing auf Verbandsebene im Hintergrund einiges aufgegleist.
Wir haben seit vergangenem Juli die Schiedsrichter-Ordnung verändert, die Qualifikations-Richtlinien erneuert, ein neues Beobachtungssystem eingeführt, schaffen die Auswechselkärtchen ab und führen die Coachingzone bis in die unterste Klasse ein. Dazu kommen die Online-Plattform und das Leitbild für die Referees. Und, und, und.... Da haben wir  Gas gegeben. Aber es gibt noch Dinge, die wir angehen müssen. Die Marke Schiedsrichter beispielsweise. Es soll wieder chic sein, Referee zu sein.
 
Was braucht man, um als Schiri erfolgreich zu sein? Selbstvertrauen, Entscheidungsfreudigkeit, Menschenkenntnis?
Das sind  alles  keine Charaktereigenschaften, die ich nicht habe. Damals war es eine Sensation, dass man mit 21 Jahren in der Verbandsliga Spiele geleitet hat, heute ist das  normal. Ich sage es immer wieder, ein guter Fußballer sollte  auch ein guter Schiri sein. Ich war  kein einfacher Kicker, ich war ein Schlitzohr. Aber genau das hat mir wiederum als Schiri viel gebracht. Ich war und bin   nicht auf den Mund gefallen, war in jungen Jahren auch nicht schüchtern. Das waren schon gute Voraussetzungen. Aber ich habe nie   gedacht, dass ich  mal in der 2. Liga  lande.
 
Nun stehen ungefähr 200 Bundesligaspiele als Schiri und Schiri-Assistent in der Vita. Was waren denn die Höhepunkte?
Die Derbys auf Schalke, in Dortmund oder Bayern gegen Bremen. Ich durfte in internationalen Spielen ran, bei Länderspielen. Das war   eine schöne Zeit, aber es  war lang nicht alles so professionell wie es heute ist. Sicherlich hast du etwas verdient, aber dafür warst du 300 Tage im Jahr auf Achse. Da ist vieles andere auf der Strecke geblieben. Da warst du am Sonntag in Dortmund, bist   am Montag heim geflogen, dann ging es Dienstag mit dem Flieger nach Moskau, am Donnerstag zurück, Freitag  wieder nach Berlin. Familie, Beruf und Sport konnte man nicht unter einen Hut bringen. Davon leben? Das war schwer. Denn was war, wenn du dich verletzt oder die Leistung nicht gebracht hast?
 
Heute ist das anders...
Die Spitzenschiris bekommen ein Fixum und dann gibt es einen Betrag pro Spiel oben drauf. Da hat sich vieles verändert... Aber das ist   Schnee von gestern, heute versuche ich, den Jungs wichtiges Rüstzeug mitzugeben. Dazu gehören  Authentizität, Loyalität, Geschlossenheit, Persönlichkeit, sicheres Auftreten. Wichtig ist auch, dass sich  kein Futterneid entwickelt. Ich habe mit Jonas ja selbst einen daheim, der in seinen jungen Jahren schon sehr weit oben angekommen ist.
 
Sind es die Gene?
Vielleicht ein wenig... Aber mal ganz im Ernst. Dass Jonas nun einen Platz in der Regionalliga hat, in der 3. Bundesliga als Assistent aktiv ist, das kommt nicht von ungefähr. Jonas ist nicht morgens aufgestanden und hat gesagt, er wird jetzt Regionalliga-Schiri. Dafür tut er was. Das darf niemand unterschätzen.   Man muss sich mal vor Augen führen:  Pfeift man überbezirklich,   gehört man zu 93 Schiris in Südbaden. Das sind rund sechs Prozent aller Unparteiischen im Verband.
 
Ein doch verschwindend kleiner Teil...
Ich war dieser Tage in Edenkoben mit Jonas und Luigi Satriano, der jetzt auch den   Regionalliga-Aufstieg geschafft hat. Sie gehören  zu 0,3 Prozent aller deutschen Schiris. Unglaublich, oder?
 
Über wie viele Schiris verfügt der Bezirk derzeit?
Im Moment sind es ungefähr 210. Das sind   zu wenig, wie in ganz Südbaden. Da müssen wir was tun. Den Erhalt von Schiedsrichtern ist viel wichtiger als die Gewinnung neuer Kräfte. Erfreulich ist, dass es eine Aufwandsentschädigungserhöhung geben wird, die liegt immerhin zwischen 20 und 30 Prozent. Wir werden die Tandem-Schiris einführen, auch die Patenschaften neu aufgleisen. Ich denke schon, dass das alles sehr wichtig ist, damit die Leute dabei bleiben. Du bekommst niemand mehr hinter dem Ofen hervor, wenn du sagst, dass er 100 Spiele im Jahr pfeifen muss. Die Jungs und Mädels wollen   mal shoppen gehen oder den SC Freiburg angucken. Da muss man schon auch eine gewisse Toleranz walten lassen. Aber natürlich alles in Maßen.
 
Nochmals zurück an Ihre Zeit als Schiri im Haifischbecken Bundesliga. Da kommt man  nicht am Wettskandal um Robert Hoyzer vorbei. Sie standen   in Paderborn an der Linie.
Das war im August 2004. Im Januar 2005 wurde dieser Skandal in der Sportschau aufgedeckt, da war ich gerade auf dem Weg nach Cottbus mit Felix Brych und Jan-Hendrik Salver zu einem Zweitligaspiel. Auf die Gerichtstermine, Zeugenaussagen und Medienanfragen hätte ich gerne verzichtet, keine Frage. Das war damals unfassbar. Aber man sieht einfach, wo Geld im Spiel ist, kann es auch Manipulation geben. Ich erinnere mich noch genau. Hoyzer hat schlecht gepfiffen, da gab es zwei Elfmeter, die keine waren. Aber nie im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, dass das Spiel verschoben wurde. Nach dem Match gab es die obligatorische Rückmeldung beim Schiri-Vorsitzenden. Schlechte Leistung, ja, damit war es das. Fünf Monate später, zu sagen, dass das eindeutig zu erkennen war, ist einfach.
 
Wie lief dieser Spieltag denn im Vorfeld genau ab?
Ich bin Freitag separat mit dem anderen Assistenten Stephan Kammerer angereist. Wir haben Hoyzer dann bei der Abfahrt ins Stadion getroffen, dort hat er seine Ansprache gehalten. Das war’s.
 
Wurden Sie nie verdächtigt?
Nein. Es war nie ein Thema, dass wir Linienrichter da involviert gewesen sein sollen. Kammerer und ich sind auch nur deshalb in Paderborn eingesetzt worden, weil wir mit unserem etatmäßigen Schiri  Jochen Drees einen Tag später die Pokalpartie 1. FC Köln Amateure gegen den VfL Wolfsburg zu leiten hatten. 
 
Hat Sie dieser Skandal stärker gemacht?
Ich bin in dieser Saison in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Aber angenehm war es nicht. Da wurde auch der Privatbereich nicht außen vor gelassen. Und auf den Kickplätzen hier musste ich zwei-, dreimal dagegenfeuern. Auf der einen Seite hat mich diese Geschichte gestählt, auf der anderen Seite hat sie dafür gesorgt, dass ich einfacher loslassen konnte. Sicherlich war es eine tolle Zeit, ich habe viele Freundschaften schließen können. Ich erinnere mich gerne an die vielen Begegnungen mit Jochen Drees oder Peter Lange. Mein erster Assistent an der Linie war  Deniz Aytekin.
 
Was wurde nach dem Hoyzer-Skandal anders gemacht?
Es wurde alles gekappt. Da hast du montags ein Fax bekommen, dass du am   Wochenende ein Spiel leitest, am Donnerstag  um 14 Uhr stand   fest, wo du hin musst. Dann bist du nach Hause gehetzt, hast die Tasche geschnappt und bist los. Das war   nicht mehr ganz so vergnüglich.
 
Plötzlich stand der Brombacher auch nicht mehr auf der Bundesliga-Liste.
Der Abgang war  nicht optimal. Ich hatte einen Leistungstest verletzungsbedingt nicht bestanden,  und der damalige Schiri-Chef, dessen Namen ich gar nicht erwähnen möchte, hat   von seinem Recht Gebrauch gemacht und mich von der Liste genommen. Auch, weil ich  nicht einer der bequemen Ja-Sager war. Ich habe immer gesagt, was ich denke. Das hat  dazu geführt, dass er mir die Chance nicht mehr gegeben hat. Aber es ist gut, dass es so gekommen ist. So habe ich den Werdegang meiner Jungs mitbekommen und konnte mich beruflich weiterentwickeln. Sicherlich fehlt ein Stück. Ich habe zwei Jahre kein Fußballspiel im TV angeschaut. Heute kann ich sagen, dass ich fast immer richtig entschieden habe. Eines konnte und kann ich jeden Tag: in den Spiegel schauen. Geschiebe und Gemauschel  wird es mit mir nicht geben.
 
Nach dieser Geschichte hätten Sie auch einfach Ihre Pfeife ganz an den Nagel hängen können...
Einfach bin ich nicht. Einfach kann jeder, einfach passt nicht zu mir. Für mich war das kein Thema. Ich wollte unsere Schiris hier im Bezirk unterstützen. Man muss einfach wieder aufstehen, wenn man hingefallen ist. Das ist eine Charakterfrage.