Fußball Einmaliges Erlebnis in der Ewigen Stadt

Mirko Bähr
Familie Kocer in Rom: Vater Abdulkadir, Tunahan sowie seine Brüder Mustafa (links) und Enes (rechts). Foto: zVg

Fußball Hertens Stürmer Tunahan Kocer reist mit Vater und Brüdern zum Eröffnungsspiel der EM nach Rom

Rom - Exakt 15. 948 Zuschauer durften am Freitagabend ins Stadio Olimpico, um sich das Eröffnungsspiel der Europameisterschaft live zu Gemüte zu führen. So war das weite Rund nur zu 25 Prozent gefüllt. Wohl dem, der sich für diese Partie eine Karte ergattern konnte. Hertens Stürmer Tunahan Kocer hatte Glück und war mittendrin. Er sah zu Beginn Andrea Bocelli, Bono und eine klare 0:3-Niederlage seiner Türken gegen Squadra Azzurra.

Ziemlich platt war nach einem ereignisreichen Wochenendtrip Familie Kocer. Vater Abdulkadir und seine Söhne Tunahan, Mustafa und Enes hatten auf der Rückreise noch im Stau vor dem Gotthard-Tunnel gestanden. Das war vom Ergebnis abgesehen indes das einzige, was nicht so recht rund lief. Und so hatten sie alle tolle Erinnerungen im Gepäck.

„Die Stimmung war Bombe“, macht Tunahan Kocer deutlich. Mit etwas heisserer Stimme berichtet er von einem friedlichen Volksfest im historischen Zentrum. An den beliebten Plätzen und Tourismusakttraktionen versammelten sich die Fans beider Länder, knipsten Fotos und sangen gemeinsam.

Friedliches Volksfest im historischen Zentrum

„Das Verhältnis zwischen beiden Fanlagern war super-freundschaftlich. Man hatte ganz und gar nicht den Eindruck, dass die Türkei und Italien gegeneinander spielen. Man glaubte vielmehr, die machen gemeinsame Sache. Das ist wirklich nicht selbstverständlich“, stellt der 28-Jährige zufrieden fest.

Der durfte sich im Vorfeld auch auf Glücksgöttin Fortuna verlassen. Schon früh hatte er sich vier Tickets sichern können. Nämlich gleich, als feststand, wer da in Rom aufeinandertreffen würde. Das war vor gut eineinhalb Jahren. Doch die Verringerung der Zuschauerkapazität hatte zur Folge, dass er zwei Tickets abgezogen bekam. „Es sah lange danach aus, als ob zwei von uns zuhause bleiben sollten.“ Doch am Dienstag öffnete die UEFA kurzerhand nochmals die Ticketplattform. Kocer ließ sich die Chance nicht entgehen und konnte sich zwei Tickets sichern. „Da hatte ich mächtig Glück“, meint er.

Mehr als einen negativen Corona-Test brauchten er und seine Familienmitglieder dann nicht, um beim Eröffnungsmatch dabei zu sein. Ins Stadion gelangten die Fans zu unterschiedlichen Zeiten. „Das wurde je nach Sitzplatz festgelegt. Masken musste man ebenfalls tragen.“ Etwas verwundert rieb er sich dann jedoch die Augen, als nach dem Schlusspfiff alle Besucher das Stadion gemeinsam verlassen durften. „Das war schon merkwürdig.“

Beeindruckt seien die Kicker der Türkei dann von ihren Gegenspielern gewesen. „Gerade was das Körperliche und die Stabilität in der Defensive anbelangt, das alles hat der jungen türkischen Mannschaft schon zugesetzt“, glaubt Kocer. „Wir haben sehr viel Lehrgeld bezahlt. Vielleicht bringt das ja was, wenn man den weiteren Turnierverlauf betrachtet. Dann können sie womöglich die Situationen besser einschätzen.“ Erfahrungen hätten die Youngsters auf alle Fälle gesammelt. „Ein Spieler ist über 30, der Rest ist teilweise weit drunter.“

Und so ist für Kocer die Türkei mit Mittelfeld-Ass Hakan Calhaoglu noch lange nicht aus dem Rennen. Immerhin würden ja auch vier der sechs Gruppendritten weiterkommen. „Wir haben keine einfache Gruppe. Die Schweiz ist super, Wales körperlich sehr präsent. Aber ich halte es für realistisch, dass wir in die K.o.-Runde kommen. Es gilt einfach abzuwarten, wie die junge Truppe in das Turnier hineinfindet.“

Und wo landet Deutschland? „Die Deutschen, so finde ich, laufen komplett unter dem Radar. Ich meine zu Unrecht. Sicherlich waren die Ergebnisse im Vorfeld nicht so stark und das letzte Turnier nicht so gut verlaufen, aber mit den Ergänzungen Mats Hummels und Thomas Müller hat Deutschland nun eine Weltklasse-Mannschaft beisammen.“

Es stelle sich jedoch die Frage, ob die jungen Spieler bereits die Siegermentalität und den Charakter besitzen würden, um so eine EM erfolgreich zu absolvieren. „Für mich wäre es keine Überraschung, wenn Deutschland das Turnier gewinnt. Die Top Vier traue ich den Deutschen zu. Da bin ich viel optimistischer als viele andere.“

EM-Titel: England hat sicherlich die Qualität

Was ist sein Europameister-Wunsch? „Die Türkei, das wäre schon klasse. Dahinter folgt aber gleich schon Deutschland.“ Realistischer sei es dann aber schon, auf die Engländer zu setzen. „Sie haben einfach die Qualität, das Ding zu reißen.“ Aber Kocer hat auch Italien und Frankreich auf dem Zettel. „Die beiden Länder darf man nie vergessen.“

Das nächste Spiel der Türkei schaut sich der 28-jährige Rheinfelder wieder im Fernsehen an. Morgen geht es für die Truppe von Coach Senol Günes gegen Wales. Die Erlebnisse der Rom-Reise wird Kocer nicht so schnell vergessen. Wie auch immer diese Partie endet.

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