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Fußball Engagiert, aber viel zu ungefährlich

Die Oberbadische
Voller Einsatz in der EM-Arena in München. Matthias Ginter (r.) fegt gegen Frankreichs Antoine Griezmann dazwischen.Foto: Christian Charisius/dpa Foto: Die Oberbadische

Fußball EM-Umfrage: Deutschland macht gegen Frankreich ein gutes Spiel, ist offensiv aber zu harmlos

Am Ende hat es nicht ganz gereicht: Trotz einer engagierten Leistung musste sich Deutschland im Auftaktspiel bei den Europameisterschaften den bärenstarken Franzosen mit 0:1 geschlagen geben. Auch der Heimvorteil konnte das nicht verhindern. Übrigens: Den letzten Heimsieg gegen Frankreich gab es am 12. August 1987 in Berlin. Deutschland gewann vor 34 Jahren mit 2:1. Beide Treffer erzielte ein gewisser Rudi Völler.

Von Mirko Bähr

Lörrach. Exakt solch ein klassischer Mittelstürmer fehle der Nationalmannschaft an allen Ecken und Enden, findet beispielsweise Fabio Viteritti, Mittelfeld-Profi des österreichischen Zweitligisten Wacker Innsbruck aus Weil am Rhein. Wir haben uns bei ihm, aber auch bei einigen anderen Fußballexperten aus der Region umgehört. Wie fanden sie das Spiel? Waren sie mit der Leistung der Deutschen zufrieden?

Fabio Viteritti (Weiler Fußballprofi bei Wacker Innsbruck): „Ich denke, Deutschland fehlt einfach ein richtiger Mittelstürmer. Wenn man in die Vergangenheit zurückschaut, war Deutschland auf dieser Position immer Weltklasse besetzt. Mir fällt da zum Beispiel Miroslav Klose ein. Auch gegen Frankreich war es wieder so, dass es die Deutschen bis zum 16er gut machen, dann aber fehlt die Gefahr vor dem Tor.“ Die Wechsel, die Bundestrainer Jogi Löw vornahm, seien gut gewesen. „Er hat offensiv noch einmal alles eingewechselt, was Deutschland zur Verfügung stand.“ Viel Lob hat Viteritti für den Gegner übrig: „Frankreich weiß doch ganz genau, dass sie sich auf ihre individuelle Klasse verlassen können.“ Das könne indes aber auch dazu führen, dass so eine Mannschaft sehr schnell leichtsinnig werde. Er selbst hatte auf ein Unentschieden getippt. „Für Deutschland wird es entscheidend sein, dass es als Team auftritt. Das hat die DFB-Elf immer stark gemacht.“ Viteritti hofft auf ein Finale zwischen Italien und Deutschland.

Thorsten Szesniak (Sportchef beim Bezirksligisten SV Herten): „Grundsätzlich fand ich die Leistung Deutschlands nicht schlecht. Wir hatten gute Phasen, wo der Ball in den eigenen Reihen gut rotierte. Allerdings gab es zu wenig im gefährlichen Bereich.“ Er fand auch die Einstellung gut. Man habe den Deutschen den Willen angemerkt, dass sie Frankreich die Grenzen aufzeigen wollten. „Der Mut und der Glaube waren da.“

Allerdings hätten es Toni Kroos & Co. nicht geschafft, am gegnerischen Strafraum dann den entscheidenden Pass zu spielen, der zu einer waschechten Torchance führt. „Bis dahin war es wirklich ansehnlich. Aber wir wurden nie so richtig gefährlich.“ Kai Havertz sei schwach gewesen. Szesniak hätte für ihn schon zur Halbzeit Leroy Sane gebracht. „Vielleicht hätte es auch geholfen, früher auf einen zweiten Stürmer zu setzen.“

Frankreich habe so agiert, wie man es erwartet habe. „Gut organisiert, brutal stark im Umschalten. Das ist wirklich eine Mannschaft mit zig Weltklassespielern. Sie haben gezeigt, warum sie aktueller Weltmeister sind.“

Kurt Schwald (langjähriger Fußballer und Trainer, u.a. beim FC Wehr, SV Weil und FC Zell): „Ich fand, es war ein sehr intensives Spiel, das leider durch eine sehr unglückliche Situation entschieden wurde. Die deutsche Mannschaft hat ein gutes Spiel gemacht.“ Einziges Manko sei die Durchschlagskraft in der Offensive gewesen, findet auch Schwald. „Da hätte ich mir mehr Mut gewünscht. Beispielsweise auf den Außenbahnen einmal in eine Eins-zu-Eins-Situation zu gehen, um so zu mehr Torchancen zu kommen.“

Positiv sei gewesen, dass die Löw-Equipe relativ wenig in der Defensive zugelassen habe, gerade wenn man an die überdurchschnittliche Offensive der Franzosen denke. „Enttäuscht war ich aber andererseits von der Spielidee der Franzosen. Wenn ich mit so einer Mannschaft und mit dieser Qualität so eine defensive Ausrichtung habe , finde ich das aus fußballerischer Sicht doch sehr schade.“

Für die Deutschen gelte es jetzt, die ausstehenden Spiele positiver zu gestalten, um die Gruppenphase zu überstehen. „Das traue ich der Mannschaft zu.“

Marco Schneider (Ex-Coach des FC Auggen und nun in der Sportlichen Leitung tätig): „Die DFB-Kicker sind engagiert zu Werke gegangen, sind mehr gelaufen als die Franzosen und hatten mehr den Ball. Was das Engagement und den Einsatz anbelangt, kann man den Deutschen nichts vorwerfen. Das reicht aber nicht gegen eine solch starke Mannschaft wie Frankreich, auch wenn das Gegentor eher unglücklich zustande kam.“

Das Spiel, findet Schneider, sei so gelaufen, wie es die Franzosen wollten. Sie seien tief gestanden und haben auf Ballgewinne spekuliert. „Und wir haben es nicht geschafft, den Ball in die Tiefe zu spielen, sondern haben es mit Chip-Bällen probiert, die dann häufig abgefangen wurden. Die Folge waren schnelle Konter der Franzosen. „Ihre individuelle Klasse und der Speed nach vorne, dazu die defensive Kompaktheit waren durchaus beeindruckend.“

Die Löw-Elf habe es nicht geschafft, sich offensiv durchzusetzen. „Wir konnten unsere Geschwindigkeit nicht ins Spiel bringen und haben bei Umschaltmomenten zu langsam agiert“, findet Schneider. Solche gab es auch viel zu selten. Was seiner Meinung nach daran lag, dass es in der Zentrale kaum Spieler gebe, die Bälle frühzeitig erobern möchten. „Ein Emre Can geht dazwischen, holt sich früh die Bälle.“ Das brauche man, um die Räume zu haben, die dann zu Torchancen führen. „Dazu muss der Gegner unsortiert sein.“

Werner Gottschling (Trainer des Landesligisten FSV Rheinfelden): „Das war ein ordentlicher Auftritt.“ Aber man habe auch deutlich den Unterschied gesehen. Frankreichs Qualität sei überragend: schnell, technisch stark. „Bei uns kamen oftmals Bälle nicht an oder sie sprangen vom Fuß. Wir waren alles andere als brandgefährlich, Eins-gegen-Eins-Duelle waren Fehlanzeige.“ Toni Kroos sei überraschend präsent gewesen, Ilka Gündogan dagegen nicht. Havertz sei nicht aufgefallen, Timo Werner und Sané hätte Löw ebenfalls draußen lassen können. „Aber nochmals: Es war ordentlich, und gegen solch einen Gegner darf man verlieren.“

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