Fußball Mehr als das Halbfinale ist nicht drin

Michael Hundt

Fußball Weltmeisterschaft in Katar: Unsere WM-Experten äußern sich ebenfalls zu der Situation in Katar

„Mach ihn! Mach ihn! Er macht ihn! Mario Götzeeeeeeee!“ Immer noch klingen die Worte des ARD-Reporters Tom Barthels in den Ohren aller Fußballfans. Über acht Jahre ist es jetzt her, das Mario Götze die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft zum letzten großen Titel schoss. Am Sonntag startet eine höchst umstrittene WM in Katar.

Von Michael Hundt

Lörrach. Es ist eine schon altbewährte Tradition, dass wir Sportlerinnen und Sportler aus dem Landkreis als WM-Experten zu Wort kommen lassen. Zu unserer Expertenrunde gehören bei dieser WM: Clara Koppenburg (Radprofi, Team Confidis), Robert Hoffmann (Cheftrainer EHC Freiburg), Ralf Brombacher (Schiedsrichterobmann des SBFV), Tobias Jehle (Sportlicher Leiter FV Lörrach-Brombach), André Leuchtmann (Trainer SG Maulburg/Steinen), Leon Boos (Stürmer FC Zell), Alen Kovac (Cheftrainer ESV Weil Tischtennis-Damen) und Nils Haunschild (HSG Dreiland), Erkan Aktas (Co-Trainer FC Basel U21), Verena Bastian (FC Wittlingen), Andreas Schepperle (Cheftrainer SV Weil), Ridje Sprich (Mannschaftskapitän SV Weil), Mirko Böhler (Mannschaftskapitän FVLB) und Volker Scherer (Vorstand TuS Binzen).

Vor dem Start der WM am Sonntagnachmittag haben wir unseren Experten zwei Fragen gestellt: Wie wird Deutschland bei der WM abschneiden? Wie beurteilen Sie die Umstände in Katar und die derzeitigen Diskussionen?

Tobias Jehle: „Nach der Gruppenphase traue ich der deutschen Mannschaft alles zu, auch wenn es zum großen Wurf, sprich, dem WM-Titel nicht reichen wird. Da werden andere die Nase vorne haben. Aber in der KO-Phase ist definitiv alles drin. Die Funktionäre, die sich in den letzten Wochen kritisch geäußert haben, sind ein paar Jahre zu spät dran und wollen jetzt wohl nur ihr Gewissen beruhigen. Das ist mir aber immer noch lieber als das, was zum Beispiel ein Herr Hoeneß von sich gibt, frei nach dem Motto, dass man sich auf die WM zu freuen habe. Da fehlt mir die geistige Tiefe.“

Clara Koppenburg: „Deutschland kommt sicherlich bis ins Viertelfinale. Deutschland hat sich bei Turnieren fast immer gut präsentiert und die Mannschaft gehört einfach ins Viertelfinale. Katar ist als Austragungsort sehr umstritten. Wir hatten dort auch schon eine Rad-WM. Die logistischen Probleme sind enorm. Ich hoffe, dass die Spiele in den Stadien gut unterstützt werden und dass sich die ganzen Baumaßnahmen gelohnt haben.“

André Leuchtmann: „Im Mittelfeld gibt es wohl nur wenige Mannschaften, die besser besetzt sind als wir. Da haben wir schon eine extreme Klasse. Füllkrug ist im Sturm sicherlich ein cooler Typ, der der Mannschaft auch weiterhelfen wird. Aber für eine Weltklasse fehlt noch einiges. Vieles wird davon abhängen, wie das erste Spiel gegen Japan verläuft. Im Achtelfinale kann es dann schon happig werden. Zu den äußeren Umständen muss man sagen, dass da jedem Fußballer das Herz blutet. Ich glaube, dass es da keine zwei Meinungen gibt, dass diese WM in Katar eine absolute Katastrophe ist. Man hat schon gegen den Oman gesehen, was mit den Jungs passiert, wenn sie bei diesen Bedingungen Fußball spielen müssen.“

Ralf Brombacher: „Für mich ist Deutschland eine Wundertüte. Das Potenzial und die Qualität ist sicherlich vorhanden. Es wird sich zeigen, wie wir ins Turnier starten und dann ist sicherlich alles möglich. Wobei unser Anspruch sicherlich sein muss, dass wir unter die letzten vier oder zumindest unter die letzten acht ins Viertelfinale kommen werden. Das Thema Katar ist mit Sicherheit ein sehr schwieriges Thema und auch nicht so einfach zu beantworten. Ich denke, dass auch die Rahmenbedingungen – kein Alkohol, dieses nicht, jenes nicht – also Dinge, die auch zu einem Fußballfest dazugehören, nicht stimmen. Da ist die Kommerzialisierung und die Globalisierung wichtiger als das, was es eigentlich ist: Ein Fußballfest. Da ist mir viel zu wenig Fokus auf den Sport und viel zu sehr auf die Randbedingungen.“

Nils Haunschild: „Es ist schwierig einzuschätzen. Deutschland ist eine Turniermannschaft. Sie werden sich im Vergleich zur letzten WM hoffentlich steigern. Sie haben eine gute Mannschaft. Weiter als bis zum Halbfinale werden sie nicht kommen. Ich habe ein paar Interviews mit Infantino gesehen. Die ganze Rechtfertigung hilft nichts, wenn die Menschenrechte nicht respektiert werden und die Menschen nur ausgenutzt werden.“

Alen Kovac: „Die deutsche Mannschaft wird auf jeden Fall die KO-Runde erreichen. Wie weit sie dann kommt, ist eine gute Frage, ich schätze sie aber schon so stark ein, dass sie bis ins Halbfinale kommen wird. Das ist das erste Mal, dass eine WM so spät im Jahr startet. Ich verfolge das aber auch nicht so richtig. Es gibt momentan andere Dinge, die mich beschäftigen. Die WM ist eigentlich immer so ein Sommerfieber gewesen. Es ist einfach anders in diesem Jahr.“

Leon Boos: „Die deutsche Mannschaft wird es in der Gruppe schwer haben. Spanien und Japan sind sehr gute Gegner. Ich denke, dass wir die Gruppe packen. Aber im Halbfinale wird dann Ende sein. Weltmeister werden wir nicht. Die Umstände in Katar beurteile ich als sehr schwierig. Gerade aus dem Grund, weil es schwirig ist, die Werte vom Fußball, die bei einer WM vermittelt werden, in gewissem Maße da auszuleben. Die derzeitigen Diskussionen sind angebracht, aber zu spät.“

Erkan Aktas: „Ich sage, dass Deutschland bis ins Halbfinale kommt. Das ist mein Bauchgefühl. Die Qualität in der Mannschaft ist zu gut. Die Gruppenphase werden sie überstehen. Die Harmonie in der Mannschaft und mit dem Staff stimmt. Es wäre eine große Überraschung, wenn sie die Gruppe nicht überstehen. Unter den letzten Vier entscheidet dann die Tagesform. Es ist wichtig, über die Situation in Katar zu reden und mit den Fingern auf einzelne Leute und auch die Organisation zu zeigen. Aber ich glaube auch, dass die FIFA eine zu hohe Macht ist, um da reinzukommen und für Ordnung zu sorgen. Im Kern ist das so marode, da ist es egal, wer an der Macht ist. Die Strukturen sind einfach zu verkrustet und zu korrupt, um da wirklich etwas zu bewirken.“

Ridje Sprich: „Deutschland ist immer vor dem Turnier so, dass man sich um die Mannschaft Sorgen machen muss. Ich denke, dass es für die deutsche Mannschaft – auch wenn ich mir die anderen Teams anschaue – schwierig sein wird. Das Viertelfinale werden die Deutschen aber schon erreichen. Ich finde es für uns als Zuschauer sehr komisch, eine Weltmeisterschaft im Winter anzuschauen. Natürlich muss man neue Sachen versuchen. Es ist auf jeden Fall gewöhnungsbedürftig. Natürlich kann man sich die Spiele in der Kneipe anschauen, aber das ist nicht dasselbe wie im Sommer beim Public Viewing. Ich bin vor allem gespannt, wie die Spieler nach der WM bei den Vereinen abschneiden werden. Die Belastung ist danach schon enorm mit allen Wettbewerben. Chapeau, was alle Spieler bei der WM leisten.“

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading