Fußball Sparringspartner im Haifischbecken

Die Oberbadische
Marco Schneider geht mit seiner „MS Agentur Sports“ einen anderen Weg. Persönliche Aspekte sind bei der Arbeit mit den Talenten entscheidend.Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Marco Schneider ist mit seiner eigenen Agentur als Spielerberater tätig

Ihnen geht es nur um die Kohle. Sie fahren dicke Autos, tragen protzige Armbanduhren, setzen extravagante Sonnenbrillen auf und wohnen in Luxusvillen, umgeben von hohen Betonmauern: Der Ruf, der den Spielerberatern vorauseilt, ist gelinde ausgedrückt ausbaufähig. Ganz und gar nicht in diese Schublade gesteckt werden möchte Marco Schneider. Der Coach des FC Auggen geht mit seiner „MS Agentur Sports“ auch einen anderen Weg.

Von Mirko Bähr

Auggen. Fußball ist seine große Leidenschaft. Er war selbst Kicker, ist leidenschaftlicher Fan des SV Werder Bremen und schwingt nun als Trainer in der Verbandsliga das Zepter. „Ich wollte schon immer etwas im Fußball machen“, sagt Schneider und blickt auf die Anfänge in der Branche zurück, die für viele einfach nur unbarmherzig und scheinheilig daher kommt. „Ein echtes Haifischbecken“, ist er ehrlich.

Schnell die negativen Seiten kennengelernt

Elf Jahre ist es her, als der heute 45-Jährige seinen gut bezahlten Job bei einer Firma kündigt und nach 13 Jahren seinen eigenen Weg gehen möchte. Er heuert bei einer großen Spieleragentur an und bekommt die ersten Einblicke. „Ich habe schnell die negativen Seiten kennengelernt.“ Das sei für ihn auch der Ansatz gewesen, diese Arbeit „seriös“ zu machen. „Genau diese Nische wollte ich unbedingt besetzen und kokettiere jetzt auch damit.“

Schneider scoutete für den VfR Aalen und war dort im Management tätig. Da werden allerhand Kontakte zu Beratern geknüpft. „Ich habe festgestellt, dass man nicht objektiv sein und den Spieler beraten kann, wenn Geld reinkommen muss.“ So müsse unbedingt ein Transfer herausspringen, da nur dann das große Geld winke.

Dass die Szene gerne unter sich bleibt und den Kuchen nicht mit frischen Kräften, die noch dazu neue Ideen einbringen wollen, teilen möchte, hat Schneider ebenfalls am eigenen Leib kennengelernt. „Ich war neu, habe mich bei vielen Bundesligisten vorgestellt, schaute unter anderem auch bei Felix Magath vorbei, was meinem Boss ein echter Dorn im Auge war“, blickt Schneider zurück. „Als junger Pimpf hätte ich da nicht reinzupfuschen. Ich sollte keine Kontakte aufbauen. Das war ein weiteres Indiz dafür, dass ich damit nichts mehr zu tun haben wollte. Meine Werte waren und sind andere. Ich habe die Finger davon gelassen.“

Schneider gründete zusammen mit seiner Frau Isabelle eine Marketingagentur. Das ist nun mehr als zehn Jahre her. Die Firma ist erfolgreich. Doch den Traum, im Fußballgeschäft zu arbeiten, hat er nie aus den Augen verloren. So studierte der ehemalige Oberliga-Kicker des Bahlinger SC Sportmanagement an der Uni St. Gallen und beim FC Schalke 04, was er vor drei Jahren als zertifizierter Sportmanager erfolgreich zu Ende gebracht hat.

Erst Mitte des vergangenen Jahres holte er dann aber die Pläne aus der Schublade. Schneider schwebte schon länger vor, die Marketingagentur in Richtung Sport zu erweitern. „Ich war so im Alltag gefangen, dass ich das immer weiter vor mir hergeschoben habe“, erklärt der 45-Jährige.

Dann aber schrieb er eine entsprechende Stelle aus und fand in Lennert Stang die perfekte Unterstützung. Stang zog aus dem Frankfurter Raum ins Markgräflerland und kickt nun auch in Auggen. „Er hat eine tolle Bewerbung präsentiert, wir haben uns gleich super verstanden, und nun haut er sich voll rein. Er ist sehr eigeninitiativ“, lobt Schneider in den höchsten Tönen.

Seit September des vergangenen Jahres gibt es nun die „MS Agentur Sports“ nicht nur auf dem Papier. Seit Oktober steht die Homepage. Und seither konnten Schneider & Co. bereits acht Junioren-Bundesligaspieler sowie zwei Juniorentrainer für ihre Idee begeistern. Mit zahlreichen Akteuren befindet sich die Auggener Agentur in Kontakt. „Das ist eine tolle Zahl und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Aber welcher Weg? Weile statt Eile ist angesagt. Denn: „Wenn wir etwas angehen, dann nicht nur oberflächig. Wir schauen den Spieler genauer an. Talent ist wichtig, aber nicht der einzig ausschlaggebende Grund, um eine Partnerschaft einzugehen“, unterstreicht Schneider. Damit unterscheide man sich schon sehr von Beratern, die nur von Sportplatz zu Sportplatz tingeln und Spielern oder Eltern eilig ein Visitenkärtchen zustecken.

„Das Talent“, führt Schneider weiter aus, „ist mir gar nicht so entscheidend. Mentalität schlägt Qualität. Vielleicht sehe ich das so, weil ich selbst aus diesem Holz geschnitzt war.“ Er habe schon viele überragende Talente scheitern sehen, weil Charaktereigenschaften wie „Fleiß und Leidenschaft“ einfach nicht vorhanden waren. Oder weil auch der Verzicht auf die schönen Dinge keine Rolle spielte.

Es gelte offen zu sein: „Nur drei Prozent der Kicker in der U19-Bundesliga schaffen den Sprung in den Profibereich“, macht Schneider klar. Das ist ein verschwindend kleiner Teil.

Davon abgesehen, habe man auch nicht das Bedürfnis, 100 Spieler zu betreuen. „Da fehlt dann die emotionale Bindung“, weiß er. Einer endgültigen Zusammenarbeit gehe aus seiner Sicht auch erst einmal der Prozess des Kennenlernens voraus. Das könne sich über Monate hinziehen. „So lange, bis alle Beteiligten ein gutes Gefühl haben“, fasst es Schneider zusammen. Er nennt seine Klienten lieber „Sparringspartner“. Schließlich sei es eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Ihm seien „moralische und persönliche Aspekte wichtig“. Schneider: „Das ist die Basis von allem.“

Die Persönlichkeit gelte es dann, nach und nach zu entwickeln. Nicht jeder sei nämlich für das Haifischbecken geschaffen. „Da braucht es Persönlichkeit. Da braucht es zudem Selbstreflexion. Nicht immer ist nämlich der Trainer schuld, wenn es nicht klappt. Auch dafür sind wir da. Wir müssen den Spielern auch mal einen Tritt in den Allerwertesten geben. Willst du es schaffen, musst du Tag und Nacht dafür leben.“

Wichtig ist, dass man dann eine klare Identität entwickelt. Vielen Spielern und Vereinen im Profibereich fehle eine solche klare Positionierung. Als Beispiel nennt Schneider den FC Augsburg, der mit dem „aufwendigen Spiel“ der Marke Markus Weinzierl in der Bundesliga Fuß gefasst hat, und nach Weinzierls Aus dann mit Dirk Schuster eine völlig andere Ausrichtung anstrebte. „Nach vier Monaten war die Zusammenarbeit beendet“, so Schneider, den das nicht überraschte. „Es muss doch zusammenpassen. Ich jedenfalls finde das einleuchtend.“

Den Bogen vom sportlichen Bereich hin zur Identität, als einem wichtigen Bereich des Marketings, zu spannen, sei eine spannende Geschichte. „Das gehört zu unserem Konzept, da geben wir Hilfestellung, um die Möglichkeit auf Erfolg zu erhöhen“, sagt Schneider. Und das gelte insbesondere auch für Vereine. „Da vermisse ich das sehr. Umfeld und Historie müssen ins aktuelle Handeln einfließen.“

Gemeinsame Einheiten während Corona-Krise

Transparent müsse die Arbeit eines Spielerberaters sein. „Ich stelle immer mehr fest, dass das auch den Eltern wichtig ist.“ Das gelte auch für eine duale Ausbildung. Voll auf die Karte Fußball zu setzen, ist oft nicht mehr erwünscht. Auch hier schaut sich Schneider nach Optionen um. Fußball im College in den USA? Oder ein Fernstudium? „Wir haben Kooperationen am Laufen.“

Zwei seiner Jungs sind in Kiel unter Vertrag, dazu kommen Kicker vom Hamburger SV, der TSG 1899 Hoffenheim, SC Freiburg, Eintracht Frankfurt, Darmstadt 98 und dem FC Basel. Für sie hat die Agentur in Zeiten der Corona-Pause auch ein Online-Training zusammengestellt.

So treffen sich die Youngsters jeden Mittwochmorgen mit einem Sportwissenschaftler über eine Videokonferenz zur gemeinsamen Einheit. „Das hat einen familiären Touch. Das macht Laune. Jeder hat sich erst einmal vorgestellt, nun kennen sie sich auch untereinander“, freut sich Schneider. Auch das gehört zum Weg, den Marco und Isabelle Schneider mit ihrem Agenturteam beschreiten möchten. „Ich habe den Glauben nicht verloren, dass man trotz des Beherzigens wichtiger Werte in dieser Branche Fuß fassen kann. Jeder brüllt doch nach Kontinuität und Moral.“

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