Grenzach-Wyhlen Abwärme ist eigentlich zu kalt

Tim Nagengast

Kapellenbach-Ost: SPD-Fraktion ruft nach neutralem Gutachter für geplantes Nahwärmekonzept.

Grenzach-Wyhlen - Der Gemeinderat soll in öffentlicher Sitzung am kommenden Dienstag das von Energiedienst (ED) erstellte Nahwärmekonzept für das geplante Wyhlener Neubaugebiet Kapellenbach-Ost beschließen. Die SPD sieht allerdings hohe Kosten auf die künftigen Bewohner zukommen und warnt vor einem Schnellschuss.

Geht es nach dem Willen der Sozialdemokraten, soll die Gemeinde die Pläne von ED vor einem Beschluss erst von einem neutralen Gutachter prüfen lassen. Den entsprechenden Antrag will die Fraktion am Dienstag stellen. Dies jedoch nicht, weil man gegen die Nutzung von industrieller Abwärme sei oder einen Groll gegen den Energieversorger hege, wie Fraktionssprecher Heinz Intveen gestern im Rahmen eines Pressegespräches darlegte. Daran nahm auch Hellmut Lischer teil. Der Chemie-Ingenieur im Ruhestand und Ehemann von SPD-Rätin Karin Lischer hat sich die Pläne von ED für ein Nahwärmenetz genauer angesehen.

Das Vorhaben

ED will – vereinfach gesagt – die bei der Stromerzeugung im Wasserkraftwerk Wyhlen erzeugte Abwärme nicht mehr verpuffen lassen, sondern in ein Nahwärmenetz einspeisen. Gleiches gilt für die Wärme, die bei der Wasserstoffelektrolyse in der benachbarten „Power-to-Gas“-Anlage anfallen wird. Diese Wärme soll laut Konzept vom Kraftwerk aus hinauf zum Kapellenbach-Ost geführt werden und die dort geplanten Wohnhäuser versorgen. Dies gilt auch für die am Buchenweg vorgesehenen Häuser und für die angedachte Erweiterung der Kraftwerksiedlung. Auch das zukünftige Gewerbegebiet Fallberg-Ost würde sich anbieten.

„Anschlusszwang“

Die SPD-Fraktion macht an dem Energiekonzept mehrere Kritikpunkte fest. Dazu zählt beispielsweise ein Anschlusszwang für die dereinst rund 1400 Bewohner im Gebiet Kapellenbach-Ost. Denn wer dort bauen wolle, hänge automatisch am Nahwärmenetz von ED, ob er wolle oder nicht. Zwar gebe es keinen „Benutzungszwang“, ED wolle aber jedem Häuslebesitzer einen Grundpreis von rund 600 Euro jährlich für die vorhandene Anschlussanlage berechnen. Damit nehme man den Bürgern theoretisch die Wahlfreiheit des Anbieters.

„Darüber muss man die Bauinteressenten unbedingt informieren und darf erst danach eine Entscheidung fällen“, fordert Heinz Intveen. „Dieses Thema ist so komplex, dass muss unbedingt von allen Betroffenen verstanden werden. Da müssen vorher Fachleute drübergucken“. Es könne nicht sein, dass Häuslebauern und künftigen Mietern Kosten für ein Wärmenetz aufgebürdet würden, obwohl sie selbst ihre Energieträger von anderen Unternehmen beziehen wollten. Stichwort: Wahlfreiheit.

Abwärme ist zu kalt

Im Übrigen ist das Projekt von ED aus Sicht der Sozialdemokraten gar nicht so CO2-neutral, wie es den Anschein habe. Laut der bereits im Internet abrufbaren Sitzungsvorlage für den Gemeinderat hat das bei der Stromerzeugung im Wasserkraftwerk anfallende Turbinenwasser nämlich nur eine Temperatur von 25 Grad. „Da kann man doch nicht mehr von Abwärme sprechen. Dafür bräuchte man schon 85 bis 90 Grad“, verdeutlicht Hellmut Lischer. Genau deshalb müsse ED auch „nachfeuern“. Vereinfacht gesagt, will das Unternehmen das Wasser unter Einsatz von eigenem Strom auf die entsprechende Temperatur bringen. Dies mittels Großwärmepumpen und bei Bedarf auch über eine Holzpelletsanlage. Auch die Abwärme der „Power-to-Gas“-Anlage wird laut Vorlage von ED bei nur 55 Grad liegen.

Das Nahwärmenetz baut also auf drei Komponenten auf: Abwärme mit niedriger Temperatur, elektrischer Strom und Holzpellets.

„Greenwashing“

„Generell ist es von der CO2-Bilanz her aber nicht gut, Strom zum Heizen einzusetzen“, erklärt Lischer. Denn jede – aus welcher Quelle – erzeugte Kilowattstunde Strom, die dem Netz entnommen werde, produziere rund ein halbes Kilo CO2, wie er anhand eine Veröffentlichung des Umweltbundesamtes nachweist („Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990 bis 2016“). Lischer spricht in diesem Zusammenhang mit Blick auf das Vorhaben von ED von „Greenwashing“, also einer beschönigenden, da ökologisch wohlklingenden Darstellung.

Intveens Fazit: „Man will rund 1400 Leute auf Dauer an ein Projekt binden und stellt das überdies als klimaneutral dar. Darüber muss vorab unbedingt diskutiert werden.“

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