Grenzach-Wyhlen Auf dem Trockenen

Die Oberbadische
Völlig zugewachsen und ohne Brunnenstock führt der historische Wasserspender beim Schlössli nur noch ein karges Schattendasein.Fotos (3): Tim Nagengast Foto: Die Oberbadische

Der historische Grenzacher Schlösslibrunnen zerfällt

Einst wichtig für Dorf und Landwirtschaft, führt der „Schlösslibrunnen“ in Grenzach heute – wörtlich – ein Schattendasein. Der Trog wächst immer weiter zu, der Brunnenstock fehlt sogar ganz. Wasser spendet der „Schlösslibrunnen“ wohl ohnehin schon lange nicht mehr, wie Günter Plattner beklagt. Als echter Schlossgässler ist er im Bereich des historischen Ensembles aufgewachsen und hegt viele Erinnerungen an diesen Brunnen.

Von Tim Nagengast

Grenzach-Wyhlen. Sich mit Plattner zu treffen, ist ein Gewinn. Lebhaft sprudeln die Geschichten und Erinnerungen nur so aus dem agilen 79-Jährigen heraus. Alte Fotos, welche die Veränderungen im Dorf anschaulich dokumentieren, besitzt er etliche. Über Kurt Paulus’ „Zeitzeugen-GW“-Projekt hat er sie auch der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Gerne und oft spaziert Plattner noch heute durch sein Grenzach. Dabei blickt der rüstige Rentner auch gerne mal aufs Detail, hält inne und erinnert sich zurück.

So kam es, dass der frühere begeisterte Tennisspieler unlängst wieder einmal die Schlossgasse entlang spazierte, jene alte Grenzacher Gasse, auf der er schon als Kind herumtollte. Plattner wollte schauen, wie es dem „Schlösslibrunnen“ ergeht, den viele jüngere Bürger eventuell gar nicht mehr zuordnen können, weil er kaum noch zu sehen ist. Plattner war schockiert: Trocken, zugemüllt, verdreckt und komplett ohne Brunnenstock steht nur noch der Trog des alten Brunnens im ihn langsam vereinnahmenden Gebüsch.

„Dä Brunne isch allewyl iis-chalt gsi – au im Summer“, weiß Plattner zu berichten. So kalt sogar, dass der metallene Wasserspeier stets beschlagen gewesen sei, wie er sich erinnert. So machten sich die Schlossgassen-Buben gerne einen Spaß daraus, darum zu wetten, wer es wohl am längsten im Brunnen stehend aushielte. „Iis-chalt isch das gsi. Irgenwenn het’s wehdo“, wiederholt Plattner. Beim Gedanken daran schüttelt es ihn noch heute. „Un z’Obe isch mr dört am Brunne zämmeghockt – wie’s halt gsi isch.“

Dass der historische Wasserspender derart verkommt, kann er nicht begreifen. Schließlich ist von dem einst ortsprägenden Ensemble aus Schlössli, Brunnen, Weiher und zugehörigem Bauernhof heute nurmehr noch ein Teil übrig. Das Schlössli selbst befindet sich samt weitläufigem Park in Privatbesitz und ist daher nicht zugänglich.

„Deshalb sollte man zumindest das erhalten, was noch da ist. Und dieser Brunnen – und nicht nur dieser – war für uns in Grenzach einst sehr wichtig.“ Nicht nur für die Winzer, die dort Wasser für ihre nahen Reben holten (eine alte „Räbmuure“ aus Bruchsteinen an der Ecke zum Burgackerweg legt heute noch Zeugnis davon ab), sondern auch als Rosstränke.

Die Tiere auf dem nahen „Schlösslihof“ hielt Friedrich Plattner, Günters Großvater. Ein schönes Foto dazu von ungefähr 1930 hält er im Familienalbum in Ehren. „Es gehörte einfach alles zusammen“, sagt Plattner.

Der Schlösslihof ist heute nicht mehr da

Anno 1923 hatte sein Großvater den Hof von der Firma Hoffmann-La Roche gepachtet, zu dem weitere 16 Hektar Land gehörten. Um 1958 ging die Pacht dann an Hanni und Curt Kuhne über, wie Plattner über jenes Anwesen zu berichten weiß, in dem er selbst das Licht der Welt erblickt hat.

Wer den „Schlösslihof“ heute sucht, wird ihn nicht mehr finden. Um die Jahrtausendwende herum musste er – samt der ob ihres einzigartigen Giebels unbestreitbar schönsten Scheune Grenzachs – einer eher kargen Neubebauung weichen. Als Relikt ist nur noch eine mächtige Ulme hinter den Häusern am Schlossweg übrig geblieben. Ein beeindruckender Baum. „Die Ulme war schon riesig, als ich noch ein Kind war“, blickt Plattner ehrfurchtsvoll zur Baumkrone hinauf.

Ja, er ist gerne und oft unterwegs hier im Bereich der Schlossgasse. Hier kennt er sich aus, hier fühlt er sich daheim und wohl und erinnert sich an schöne Erlebnisse zurück. An spannende Tennis-Matches etwa. Das ehemalige Vereinsheim des Tennisclubs im Schlösslipark steht noch. Heute nutzen es die Naturfreunde. „I bi als Chind scho Ballebueb gsi.“

Wer Günter Plattner zuhört, hat unweigerlich einen Film vor Augen. Man hört die Rösser auf dem nahen Schlösslihof wiehern, sieht Winzer samt dem Bücki an den Hängen arbeiten, auf denen heute Wohnhäuser stehen, hört das Klappern von Handwerk und harter Arbeit vergangener Tage. Die Welt war langsamer, sie war „kleiner“ als heute, überschaubarer – aber sicherlich nicht minder anstrengend.

„Was isch hüt no blybe?“

Auch wenn Plattner als Kind mitanpacken musste, so hatte er doch auch genügend Zeit für sich und seine Freunde aus dem Dorf. Gerne marschierten sie etwa zum Spielen den unglaublich steilen Steinweg hoch in Richtung Wald. Dort, an der Ecke zum De-Bary-Weg, sprudelt noch heute ein Brünnlein aus einer alten Mauer. Ein Löwenkopf, der sein Wasser in einen klassizistisch anmutenden Kelch ergießt. Mit ordentlich Druck sogar.

„Der Brunnen – ich nenne ihn immer Löwenkopfbrunnen – ist auch so eine schöne Kindheitserinnerung von mir. Er hat jahrelang kein Wasser mehr gegeben. Jahrzehntelang sogar. Und jetzt wurde offenbar etwas gemacht, und der Brunnen sprudelt so schön kräftig wie früher“, freut sich Plattner.. Auch der saniert Sandsteinbrunnen am Steinweg selbst spendet fröhlich Wasser. So viel, dass er aktuell überläuft und die Gasse bewässert.

Es sind die Grenzacher Brunnen, die es Günter Plattner angetan haben. Mit ihnen verbindet er so viele Erinnerungen. An heiße Sommer, an kalte Winter, an Abende mit der Familie, an Spiele mit den Freunden, an Rösser und Vieh, das die Bauern dort tränkten. Kurz: an eine Zeit, die noch gar nicht so lange vorbei ist.

„Daher kann ich einfach nicht verstehen, wieso man das hier so verkommen lässt. Und wieso ist der Brunnenstock weg?“, deutet der 79-Jährige auf den „Schlösslibrunnen“.

„Was isch denn hüt no blybe?“, schiebt Plattner rhetorisch hinterher und deutet mit dem ausgestreckten Zeigefinger im Kreis herum. Denn selbst dort, wo seit kurzem die historische Zehnttrotte steht, war Plattner zufolge einst auch ein Brunnen. Der spendete sogar Grenzacher Heilwasser. „Wege dem sin sogar d’Schwyzer cho. Diä hen Kanischder mitbrocht.“ Und schon spult sich beim Zuhören ein neuer Film vor dem geistigen Auge hab.

Ob der „Schlösslibrunnen“ irgendwann einmal freigeschnitten und damit sichtbar gemacht, restauriert, mit Stock versehen und wieder an seine Quelle angebunden wird? Viele ältere Grenzacher würde dies sicherlich freuen. Nicht nur Günter Plattner.

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