Grenzach-Wyhlen Benz: „Das ist die German Angst“

Tim Nagengast
Sind Schnelltests und das strikte Beharren auf der Sieben-Tage-Inzidenz als ausschlaggebendes Maß für Lockerungen oder Einschränkungen der Weisheit letzter Schluss? Foto: Die Oberbadische

Pandemie: Aktuell nur 14 Infizierte in Grenzach-Wyhlen / Bürgermeister geht mit Corona-Politik ins Gericht

Grenzach-Wyhlen - Vergleichsweise positive Nachrichten im Gepäck hatte Bürgermeister Tobias Benz, als er seinen Corona-Lagebericht für Grenzach-Wyhlen im Gemeinderat vortrug: Mit Stand von Dienstagabend gab es in der 15 000-Seelen-Gemeinde noch genau 14 bestätigte Coronafälle (davon ein einziger Fall mit einer Virusvariante). Ende April waren dies noch 43, wie Benz mit Hoffnung berichtete. Nicht glücklich ist er indes mit Teilen der Corona-Politik.

Kritik an der Corona-Politik in Bund und Land

Stures Beharren auf der Sieben-Tage-Inzidenz als ausschlaggebendes Maß für Lockerungen oder Einschränkungen, ein Hin und Her zwischen „Click & Meet“, „Click & Collect“, Besuch mal mit und dann wieder ohne Test im Einzelhandel, von Perspektivlosigkeit geplagte Gastronomen: Bürgermeister Tobias Benz sparte in seinem Vortrag nicht mit Kritik an der Corona-Politik in Bund und Land.

Benz’ Fazit: „Da kommt wieder die German Angst zum Tragen.“ Von Pragmatismus und Flexibilität keine Spur. „Wir müssen uns echt fragen, ob die krasse Kopplung von Tests und Öffnungen so sinnvoll ist.“

Blick in die Schweiz zeigt: Es geht auch anders

Der Blick hinüber in die Schweiz bestätige ihn dabei, hielt der Rathauschef fest. Obwohl das Nachbarland Anfang April wieder große Teile geöffnet habe und sogar in gewissem Rahmen kleinere Veranstaltungen erlaube, entwickelten sich die Fallzahlen analog zu denen im wesentlich strengeren Deutschland. Dieser Vergleich sei, wie Benz es diplomatisch ausdrückte, „spannend“. Zumal die im Corona-Kontext stehenden Todeszahlen pro Million Einwohner seit Jahresbeginn in der Schweiz sogar niedriger lägen als in der Bundesrepublik, wie Benz festhielt.

Wer bezahlt am Ende die vielen tausend Tests?

Mit monetären Zahlen jonglieren wollte der Rathauschef erst gar nicht: Man dürfe sich nicht fragen, was das ständige Testen an Kosten verursache beziehungsweise noch verursachen werde. „Die ganzen Tests muss am Ende des Tages ja mal jemand bezahlen“, murrte Benz und sprach von einer vierstelligen Anzahl Tests pro Woche in der Doppelgemeinde.

Mit Blick auf die im Landkreis Lörrach immer knapp an der 100er-Marke kratzende Inzidenz warf Benz zudem die Frage auf, welcher Gastronom denn überhaupt so planen könnte.

Vereine hoffen, dass die Bürger zurückkommen

In der Doppelgemeinde will die Verwaltungsspitze ihr Möglichstes tun, um den Umgang mit dem Coronavirus möglichst komplikationsfrei zu gestalten. So wurden unlängst die Kapazitäten im kommunalen Testzentrum ausgeweitet, wo man neuerdings – gegen Bezahlung – auch PCR-Tests machen lassen kann.

Sollte es jemals die Möglichkeit für ein kommunales Impfzentrum geben, würde in Grenzach-Wyhlen, so schnell es ginge, eines eingerichtet, versicherte der Bürgermeister. Er gehe aber eher davon aus, dass es nur hie und da mal – wie in Binzen – einzelne kommunale Impfaktionen geben kann, „denn der Landkreis Lörrach ist halt einen anderen Weg gegangen“.

Doch auch der soziale Zusammenhalt bereitet dem Grenzach-Wyhlener Rathauschef Kopfzerbrechen. So manchen Verein treibe die Sorge um, „ob die Leute sich vielleicht das Ehrenamt abgewöhnt, ob sie sich in der Pandemie womöglich neue Hobbys gesucht haben. Kommen die Leute wieder? Keiner weiß das“, sagte Benz nachdenklich.

Freibadöffnung Ende Mai angedacht - aber wie?

Und das Freibad? Man bereite aktuell eine Öffnung „auf Ende Mai“ vor, berichtete Benz. Aktuell habe man in den Becken wetterbedingt nämlich nur 14 Grad Wassertemperatur. Aber wie man öffnen dürfe, sei heute auch noch unklar. Dürfen nur Getestete, Durchgeimpfte und Genesene den Sprung ins kühle Nass wagen? Muss die Gemeinde deshalb womöglich im benachbarten, leerstehenden „Wirtshaus am Rhein“ eine Art „Schnellteststraße“ einrichten? Was ist mit Kindern und Jugendlichen, für die ja noch gar keine Impfung zugelassen ist? „Die sollen ins Schwimmbad gehen!“, sagte Benz.

Er hoffe, dass Berlin und/oder Stuttgart in den kommenden Tagen etwas mehr Licht und Pragmatismus in den Coronaregel-Dschungel bringen werden.

Auch im Ratsrund war man am Dienstagabend nur wenig glücklich über die aktuelle Lage.

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