^ Grenzach-Wyhlen: Beobachter und Skeptiker - Grenzach-Wyhlen - Verlagshaus Jaumann

Grenzach-Wyhlen Beobachter und Skeptiker

Manfred Herbertz
Henning Kurz, Anselm König und Beat Riggenbach (von links) präsentierten im TIZ im Rahmen einer Soiree einen anderen, weniger bekannten Erich Kästner. Foto: Manfred Herbertz Foto: Die Oberbadische

Beeindruckende Erich-Kästner-Soiree im TIZ in Wyhlen

Grenzach-Wyhlen - Erich Kästner ist bekannt als Kinderbuchautor („Emil und die Detektive“, „Pünktchen und Anton“). Aber Erich Kästner hatte auch eine ganz andere Seite: eine melancholische, satirische. Diese stellten der Sänger und Gitarrist Anselm König sowie VHS-Leiter Henning Kurz am Sonntagabend im TIZ heraus. Begleitet wurden die beiden vom Saxofonisten Beat Riggenbach.

Kurz betonte, man wolle eine Lanze für „den wehmütigen Satiriker und augenzwinkernden Skeptiker“ brechen, wie Kästner einst von Marcel Reich-Ranicki bezeichnet wurde. Das Publikum genoss einen besinnlich-beschaulichen Abend mit Texten, die zum Nachdenken, zum Innehalten anregten und dazu, sich Gedanken über die vorweihnachtliche Hektik zu machen. Kurz und König hatten daher Texte gewählt, die sich um Winter, Weihnachten und Advent rankten.

Für sein Lied „Fantasie von übermorgen“ wurde Kästner einst mit Schreibverbot belegt. Und wenn man genau ins Lied, eindrücklich von Anselm König mit beinahe brüchiger Stimme vorgetragen hineinhorchte, wurde klar warum: „Und als der nächste Krieg begann, da sagten die Frauen: Nein. Und schlossen Bruder, Sohn und Mann fest in der Wohnung ein.“

Erinnerung an Dresden

Beeindruckend auch der Textauszug aus dem autobiografischen Werk Kästners „Als ich ein kleiner Junge war“, geschrieben 1957. Ein Blick auf das zerstörte Dresden, Kästners Heimat. Da fröstelte es den Autor dieser Zeilen, der Dresden sehr gut kennt, über die Traurigkeit, die in dieser Geschichte zutage trat, über den Anblick der zerstörten, einst so wunderschönen Stadt. Zumal zum Ende der 1950er Jahre kaum vorstellbar war, dass sich Dresden wieder aus Schutt und Asche zu neuem Glanz erheben könnte. Eindrücklicher als Kästner hätte man die Wunden, gerissen von einem unsäglichen Krieg, nicht beschreiben können.

Wer sich auf die Soiree einließ erfuhr, dass Kästner ein sehr genauer Beobachter des politischen Geschehens war, sich jedoch – im Gegensatz zu Tucholsky – nicht so laut äußerte.

Der Text „Als ich ein kleiner Junge war“ zeichnet das Bild von einem Kind, das innerlich zerrissen wurde von der überbordenden Liebe seiner Eltern. So habe der junge Erich sich einmal in jedem Jahr sehnlich gewünscht, Geschwister zu besitzen: am Heiligabend. Er wollte an diesem Abend, am schönsten Abend eines Kinderjahres, nicht das einzige Kind sein. „Ich hatte Angst. Ich fürchtete mich vor der Bescherung! Ich hatte Furcht davor und durfte sie nicht zeigen“, schreibt Kästner, denn seine Eltern waren – aus Liebe zu ihm – aufeinander eifersüchtig und standen im Konkurrenzkampf, und „es war ein verbissener Kampf“. Beklemmend, wie Kästner die Not des Kindes, seine Not, beschreibt, zwischen Mutter und Vater hin- und hergerissen zu sein, die in den Worten gipfelt: „Ich freute mich ehrlich und musste meine Freude zerlegen und zerlügen.“

Den Schluss des nachdenklich stimmenden Abends bestritt Anselm König. Er besang das Haus der Erinnerungen, das 1000 Zimmer hat und in dem nicht jeder Gast willkommen sei.

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