Grenzach-Wyhlen Gemeinde plant Gang nach Karlsruhe

Tim Nagengast
Die Gemeinde Grenzach-Wyhlen will das Urteil des VGH nicht hinnehmen und juristisch alle Register ziehen. Foto: Tim Nagengast

Keßlergrube: Grenzach-Wyhlen bereitet Verfassungsbeschwerde vor / VGH bekommt Anhörungsrüge

Grenzach-Wyhlen - Die Gemeinde Grenzach-Wyhlen will sich das Recht nicht nehmen lassen, gegen die Pläne von BASF zur Einkapselung ihres Teils der Altlast Keßlergrube klagen zu dürfen. Eine Verfassungsbeschwerde ist in Vorbereitung.

Um zu verhindern, dass die Firma BASF ihren Anteil der früheren Keßlergrube mit einem Betonmantel umspundet und somit im Boden belässt, ist die Gemeinde Grenzach-Wyhlen bereit, den Rechtsweg bis zum Karlsruher Verfassungsgericht zu gehen.

Wie Bürgermeister Tobias Benz am Ende der Sitzung des Technischen Ausschusses mitteilte, bereite die die Gemeinde in der Sache vertretende Anwaltskanzlei gerade eine Verfassungsbeschwerde vor. Eine Anhörungsrüge liege bereits beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim. Letztere habe er, um knappe Fristen und den Rechtsweg einzuhalten, im Zuge einer Eilentscheidung veranlasst, hielt der Rathauschef fest.

Verzicht auf Einholung einer Zweitmeinung

Die Gemeinde sei nicht bereit, zu akzeptieren, dass sie nicht gegen die von BASF geplante Form der Altlastensanierung klagen dürfe, betonte Benz. Ende März hatte der VGH Mannheim ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Freiburg von Dezember 2019 bestätigt (wir berichteten ausführlich).

Auch die Mannheimer Richter hatten neben Grenzach-Wyhlen den beiden Schweizer Nachbargemeinden Riehen und Muttenz die entsprechende Klagebefugnis abgesprochen. Das Gericht sah damals die Klagen der Gemeinden als unzulässig an, weil sie durch die gewählte Art der Sanierung nicht in ihren Rechten betroffen seien. Sie als „Dritte“ hätten keinen Anspruch auf die Durchführung eines bestimmten Sanierungskonzepts, hieß es.

Diese Begründung werde man so nicht akzeptieren, kündigte Benz an, der die Position der Gemeinde Grenzach-Wyhlen in der Sache „nur unzureichend berücksichtigt“ sieht.

Zuvor hatte die FDP-Fraktion im Technischen Ausschuss einen Dringlichkeitsantrag gestellt, wonach die Kommune kurzfristig die Zweitmeinung eines Fachanwalts für Verwaltungsrecht einholen solle, mit welcher Begründung eine Verfassungsbeschwerde möglich wäre. Auch müsse der Gemeinderat noch in der kommenden Woche über das weitere Vorgehen entscheiden, forderte Tilo Levante namens der FDP-Fraktion.

BUND solidarisiert sich mit der Gemeinde

Dies wies Bürgermeister Benz jedoch zurück. Die Doppelgemeinde werde in der Sache juristisch sehr gut vertreten, sodass sich die Einholung einer kostspieligen Zweitmeinung seiner Ansicht nach erübrige. Auch eine Sondersitzung des Gemeinderates zum Thema in der kommenden Woche sei nicht nötig, schließlich hätten alle Fraktionen ihm bereits zu verstehen gegeben, dass sie den dargestellten Weg so mitzugehen bereit seien, hielt der Rathauschef fest. Der am kommenden Dienstag zusammenkommende Hauptausschuss habe das Thema ohnehin auf der Tagesordnung, kündigte der Bürgermeister an.

Auch die Ortsgruppe Grenzach-Wyhlen des BUND – dessen Klagebefugnis anerkannt worden ist – solidarisiert sich in der Sache mit der Kommune. „Der BUND wird sich weiterhin zusammen mit den Gemeinden und möglichst vielen Unterstützern gegen die mangelhafte, als verbindlich erklärte Planung wenden. Diese enthält tatsächlich keine Kapselung oder Sicherung, sondern Pump-Aktivitäten mit der Folge von Schadstoff-Emissionen.  Schadstoffe können sich somit bei Umsetzung der Planung weiter unzureichend kontrolliert dauerhaft ausbreiten“, schreibt Irene Blaha in einer Stellungnahme.

Die Co-Vorsitzende der Ortsgruppe wohnte der Ausschusssitzung zwar als Zuhörerin bei, stellte aber keine Fragen.

Das Urteil des VGH erzeugt aus BUND-Sicht „erhebliche Ungereimtheiten und Ungleichheiten im Ort, weil BUND-Mitglieder scheinbar bessere Rechte bei der weiteren Klage haben als die übrigen Bürger“, schreibt Blaha weiter. Eine Verfassungsbeschwerde der Gemeinde werde die Gruppe mit unterstützen. Im Nachgang des VGH-Urteils müsse man nämlich fast von einer „Entmündigung“ Grenzach-Wyhlens sprechen.

Hintergrund und Rückschau

Die frühere Kiesgrube Keßlergrube war jahrzehntelang mit Abfällen aller Art aufgefüllt worden – von Hausmüll bis zu Hinterlassenschaften aus der chemischen Industrie. Entsprechend wurde eine Altlast im Boden festgestellt.

Während Teile der Grube („Perimeter 1“, heute im Eigentum von Roche) durch einen Totalaushub vollständig saniert werden, ist für den strittigen Bereich („Perimeter 2“, heute Eigentum von BASF) eine Einkapselung der Altlast vorgesehen. Den entsprechenden Sanierungsplan von BASF hatte das Landratsamt Lörrach im Jahr 2014 für verbindlich erklärt.

Gegen diese Verbindlichkeitserklärung gingen unter anderem die Gemeinde Grenzach-Wyhlen selbst sowie die zwei benachbarten Schweizer Gemeinden Muttenz und Riehen mit dem Ziel vor, statt der Einkapselung ebenfalls einen Totalaushub des BASF-Anteils der Keßlergrube zu erreichen. Die von dem Unternehmen geplante Einkapselung ihres Teils der ehemaligen Keßlergrube gilt jedoch als eine zulässige Variante – unabhängig davon, dass die Firma Roche ihren Anteil der Altlast seit Jahren und mit höchstem Aufwand komplett aus dem Boden herausholen lässt.

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