Grenzach-Wyhlen Sein Telefon stand nur selten still

Die Oberbadische

Würdigung: Heute wäre der Wyhlener Dorfarzt Helmut Leucht 100 Jahre alt geworden

Wäre Helmut Leucht noch am Leben, würde die Schar der Gratulanten am heutigen Donnerstag wohl nicht abreißen. Denn heute vor 100 Jahren wurde der geachtete, beliebte und engagierte Wyhlener Dorfarzt geboren.

Von Tim Nagengast

Grenzach-Wyhlen. Ohne zu übertreiben: Jeder Zweite aus der älteren und „mittelalten“ Generation in Wyhlen war mindestens einmal in Dr. Leuchts Händen. Und zwar am Tag der eigenen Geburt. „Da war mein Mann dann immer selig, wenn er von einer Geburtshilfe nach Hause kam und mir davon erzählte“, erinnert sich seine Frau Rosemarie Leucht-Maurath gerne an die Zeit zurück. Ihr Mann habe das Leben als Wunder begriffen und begeistert geholfen, wenn wieder einmal das Telefon schellte und er ausrücken musste, da irgendwo im Dorf ein Baby im Anmarsch war.

Egal, zu welcher Tages- oder Nachtzeit, versteht sich. „Das Telefon ging eigentlich immer“, blickt die Arztwitwe zurück. Noch heute könne es passieren, dass sie beim Läuten des eigenen Telefons zuerst aufschrecke. „Das ist mir ins Blut übergegangen“, erzählt sie bei Kaffee und Zwetschgenwaie.

Über den Beruf hinaus vielseitig engagiert

Und ergänzt rückblickend: „An Urlaub war bei uns nur selten zu denken, vor allem in den späteren Jahren. Mal ein paar Tage ins Allgäu vielleicht, aber mit den Jahren ist bei meinem Mann der Beruf ohnehin immer wichtiger geworden.“

Sie selbst half gerne mit, obgleich sie einem eigenen Beruf nachging, weswegen sehr viele Menschen sie ebenfalls gut kennen. Vier Jahrzehnte lang war Rosemarie Leucht-Maurath in Wyhlen als Lehrerin tätig. So hat das halbe Dorf erst durch ihren Mann das Licht der Welt erblickt und einige Jahre später dann bei dessen Gattin die Schulbank gedrückt.

Nach dem Schlussgong hatte die Lehrerin beileibe noch nicht Feierabend. Kaum zuhause hieß es, sich um die Büroarbeit der Arztpraxis zu kümmern. „Und abends, wenn die Mitarbeiterinnen meines Mannes gegangen waren, habe ich ihm dann noch assistiert. Spritzen, Bestrahlungen, alles. Helmut hatte mich schrittweise angelernt.“ Hinzu kamen die drei Kinder, welche er in die Ehe mit Rosemarie mitgebracht hatte. „Ja, es war nicht einfach, aber ich habe es gepackt. Unser gemeinsames Leben war arbeitsreich, aber erfüllend“, erzählt die pensionierte Lehrerin.

Frische Blumen hat sie gestern schon gekauft, um damit das Grab ihres Mannes auf dem Wyhlener Friedhof schön herzurichten. „Helmut hat es verdient“, sagt seine Witwe und berichtet mit leuchtenden Augen, wie schaffig und lebensfroh ihr Gatte bis zuletzt gewesen sei.

Das zeigte sich auch im Engagement des vielseitig interessierten Mediziners über seinen ohnehin zeitraubenden, oft auch belastenden Beruf hinaus. So erinnert man sich beispielsweise beim Deutschen Roten Kreuz gerne zurück an Dr. Leucht. Den Ortsverein in Wyhlen, wohin er nach dem Krieg zugeteilt worden war, hatte er mitaufgebaut und auch jahrelang den Vorsitz inne. Bis zuletzt half Helmut Leucht bei „seinem“ DRK mit, wenn er gebraucht wurde. „Das hat er durchgezogen“, berichtet seine Frau Rosemarie.

Und auch dem Fußball war Helmut Leucht zugetan. Mit ein paar guten Freunden traf er sich regelmäßig in Lörrach zum gemeinsamen Plausch-Kicken. Mit Gattin Rosemarie zog es ihn stattdessen in luftige Höhen. Als Inhaber eines Pilotenscheins ging der Wyhlener Dorfarzt regelmäßig von Basel aus fliegen. Stets mit dabei als „Sozia“ seine Ehefrau. „Ich musste ja auf Englisch mit dem Tower kommunizieren. Denn Helmut konnte das nicht“, lacht sie. Als klassisch gebildeter Altsprachler – er beherrschte Latein und Altgriechisch – hatte Helmut Leucht im modernen Flugfunkverkehr schlechte Karten. „Also saß ich am Mikrofon“, berichtet seine Frau.

Betriebsarzt beim Eisenbau und bei Dürr

Wann hatten Sie eigentlich mal „richtige“ Freizeit, Frau Leucht? „Tja“, sagt sie und nippt an ihrem Kaffee, „das war ja noch nicht alles. Da gab es ja auch noch die Sprechstunden beim Eisenbau und der späteren Firma Dürr, wo mein Mann nebenbei als Betriebsarzt tätig war.“

Am 9. Januar 2007 ist Helmut Leucht im Alter von 88 Jahren gestorben. Der gebürtig aus der Pforzheimer Gegend stammende Allgemeinmediziner mit dem markanten Schnauzbart und dem vollen Haar ist in Wyhlen bis heute unvergessen. Zeit also, sich an seinem 100. Geburtstag noch einmal an ihn zu erinnern.

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