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Grenzach-Wyhlen Wasserstofferzeugung mit unklarer Perspektive

Tim Nagengast
Schon lange hat kein mit Wasserstoff gefüllter „Trailer“ mehr die Wasserstoff-Elektrolyseanlage beim Wyhlener Kraftwerk verlassen. Seit einem Zwischenfall mit Austritt von Kalilauge im Juni des vergangenen Jahres steht die Anlage aufgrund noch immer nicht gelieferter Teile still. Foto: Tim Nagengast

Pläne auf EU-Ebene gefährden „Grün“-Label für Wasserstoff aus Wyhlen / Mögliche Auswirkungen auf vorgesehenen weiteren Anlagenbau, Zuschüsse, Absatz und Image

Grenzach-Wyhlen. Hinter der Wasserstoff-Erzeugungsanlage beim Wasserkraftwerk Wyhlen stehen mehrere Fragezeichen. Einerseits ist noch immer nicht klar, wann die seit einem Kalilauge-Austritt Ende Juni stillstehende Anlage wieder in Betrieb geht, andererseits ist die Perspektive sowohl für die bestehende Anlage als auch die Erweiterungspläne ein Stück weit unsicher. Hintergrund sind Gedankenspiele der EU über die Definition von Grünem Wasserstoff. Diese Pläne könntenfürr die Wyhlener „P2G"-Anlage folgenreich sein.

„Leuchtturmprojekt“, „Modellstandort“, „Zukunftsprojekt“, „Imagegewinn“: Es gibt kaum eine Gemeinderatssitzung, kaum ein Gespräch auf offizieller Ebene in Grenzach-Wyhlen, in welchem die von der Firma Energiedienst (ED) in Wyhlen gebaute Anlage zur Erzeugung von Wasserstoff („Power-to-gas“, „P2G“) aus Strom vom Flusskraftwerk nicht mit Begriffen wie diesen apostrophiert wird. Die Zustimmung für das Projekt ist einer Umfrage unter 300 Bürgern in der Doppelgemeinde zufolge zudem außergewöhnlich hoch (siehe gesonderten Bericht auf dieser Seite).

EU denkt über geänderte definition von Grünem Wasserstoff nach

Aber: Wenn die Europäische Union gewisse auf höherer Ebene diskutierte Gedankenspiele wahr macht, dann wäre der in Wyhlen erzeugte Wasserstoff auf einmal nicht mehr „grün“ und trüge auch nicht mehr das Etikett „klimaneutral“. In Brüssel wird derzeit nämlich darüber nachgedacht – vereinfacht gesagt –, einen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Bau von Wasserstoff-Elektrolyseanlagen und dem Bau des dazugehörigen Energieerzeugers (in diesem Fall das Flusswasserkraftwerk Wyhlen) herzustellen. Zwar wurde die „P2G“-Anlage in Wyhlen erst im November 2018 eingeweiht. Das Wasserkraftwerk, das den Strom dafür liefert, ist jedoch bereits 110 Jahre alt. Und derart alte Anlagen könnten – so die Lesart der EU – keine grüne Energie erzeugen.

Energiedienst verfolgt Debatte sehr genau

Würde diese Lesart in Gesetzesform gegossen, könnten die Auswirkungen enorm sein. Was die EU-Pläne für den Betrieb der bestehenden „P2G“-Anlage in Wyhlen, die vorgesehene Erweiterung, die Vermarktung des Wasserstoffs, die Zuschusslage und eventuell auch für das Image des Endprodukts aber konkret bedeuten könnten, vermag Alexander Lennemann, Sprecher von Energiedienst, im Gespräch mit unserer Zeitung nicht zu sagen: „Für uns stellen sich damit aber tatsächlich viele Fragen.“ Die Firma Energiedienst verfolge die auf EU-Ebene laufende Diskussion durchaus mit gemischten Gefühlen, wie Lennemann freimütig einräumt.

Ist nicht-grüner Wasserstoff für Kunden attraktiv genug?

Eine Frage ist beispielsweise, ob Wasserstoff, der dank der eventuell kommenden Regelung dann nicht mehr als klimaneutral produziert definiert wird, vom Endkunden dennoch auf dessen CO 2-Fußabdruck anrechenbar wäre. Und ED sucht nach wie vor industrielle Abnehmer für seinen Wasserstoff aus Wyhlen. „Der wäre dann aber, wenn er nicht mehr grün wäre, wohl nicht mehr so attraktiv“, erläutert der ED-Sprecher mit Blick auf potenzielle Endkunden.

Energiedienst blickt mit Spannung nach Brüssel

Würde sich eine Wiederinbetriebnahme der seit zehn Monaten stillstehenden Anlage für ED dann – unabhängig von den aktuellen Strompreisen – überhaupt noch lohnen? Und welche Auswirkungen hätte dies auf die daneben geplante weitere Wasserstofferzeugungsanlage? Diese wäre die größte ihrer Art im süddeutschen Raum und soll 2025 ihren Betrieb aufnehmen. Obendrein fördert der Bund das „Reallabor H 2-Wyhlen“ mit insgesamt rund 13,5 Millionen Euro. Würde ED das Vorhaben unter veränderten Rahmenbedingungen überhaupt – und wenn ja, wie – realisieren wollen?

„Verfahren ist in der Schwebe"

Der Energiedienst-Sprecher muss bei diesen Fragen passen. Noch seien die Verfahren der EU schließlich „in der Schwebe“, bittet Lennemann um Verständnis darum, zum jetzigen Zeitpunkt nicht spekulieren zu wollen. „Aber wir hoffen, dass das so nicht eintritt“, blickt er doch ein wenig bang in Richtung Brüssel.

Was der Sinn und Zweck hinter dem Gedanken ist, „P2G“-Anlagen mit dem jeweils zugehörigen Energieträger in einen zeitlich-baulichen Zusammenhang zu bringen? „Wir wissen es einfach nicht“, sagt Lennemann mit durchaus sorgenvollem Tonfall.

Keine Förderung für Anlagen unter 5 Megawatt Leistung

Die von der Firma Energiedienst (ED) neben dem Flusskraftwerk Wyhlen geplante weitere „P2G“-Anlage soll die fünffache Kapazität im Vergleich zu bestehenden haben. Fünf Megawatt ist die Minimalgröße, damit ED und seine Projektpartner die genannte Fördersumme bekommen können.

Der Grund, warum der Bund derart tief in die Tasche greift, ist, dass der Wasserstofftechnologie aus Bundessicht im Sinne von CO 2-Ausstoßreduzierung und Klimaschutz eine Schlüsselrolle zufällt. Projekte wie das in Wyhlen sollen als „Reallabore“ aufzeigen, wie tragfähige Geschäftsmodelle und Betriebsstrategien in obengenanntem Sinne entwickelt und dabei auch qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen respektive erhalten werden können. Außerdem soll die Wasserstoff-Elektrolyse weiterentwickelt und auch die öffentliche Akzeptanz derselben im Zuge der Energiewende gestärkt werden.

Umfrage

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