Da haben wir beim Bergischen HC gespielt, und auch 22:20 gewonnen. Das war schon mal gut.
Frage: Und da war noch etwas ...
Ich habe mein erstes Tor in der 1. Bundesliga erzielt.
Frage: Dieses Tor vergisst man aber nicht, oder?
Nein, nein. Das war wirklich ein schöner Moment.
Frage: Können Sie sich noch genau daran erinnern?
Na, ich habe den Ball bekommen, mich gedreht und ins Tor geworfen (...lacht...). Manchmal ist das tatsächlich so einfach. Leider ist es bis jetzt bei diesem einen Treffer geblieben ...
Frage: Sie klingen nun nicht gerade sehr euphorisch. Sind Sie unzufrieden mit Ihrer Situation? Sie kommen momentan nicht so oft zum Zug.
Nein, nein. Ich will einfach zu viel. Ich bin sehr ungeduldig. Ich bin neu dabei, und ich weiß ja, dass ich die gesamte Vorbereitung verpasst habe. Da gilt, sich erst einmal richtig reinzubeißen und im Training Vollgas zu geben.
Frage: Sie kamen aus der 2. Bundesliga, wollten da anknüpfen, wo sie in Rimpar aufgehört haben, und dann gab es erst einmal absolutes Sportverbot. Das war sicherlich sehr schwer für Sie.
Und wie. Bei einer Routine- Untersuchung wurden Auffälligkeiten am Herz festgestellt. Ich war knapp drei Monate komplett raus. Eine Woche vor Saisonstart durfte ich wieder anfangen, leicht zu trainieren, habe das Go vom Arzt bekommen. Das habe ich mir natürlich anders gewünscht. Das macht die Sache nun auch nicht einfacher. Aber ich kann es ja nicht ändern.
Frage: Ihnen fehlt die komplette Vorbereitung. Das ist ein echter Nachteil.
Sicher. Die Vorbereitung und die dazugehörigen Testspiele sind sehr wichtig, um sich kennzulernen. Es geht um An- und Absprachen. Vor allem wird das Zusammenspiel mit den neuen Teamkollegen eingeübt. Es war ja alles Neuland für mich. Die taktischen Dinge müssen erst einmal verinnerlicht werden, das braucht eben seine Zeit. Gerade als Kreisläufer muss ich ja wissen, wann und wie ich den Weg für einen Strahl aus dem Rückraum frei machen kann und entsprechend eine Sperre setze.
Frage: Wie geht es Ihnen eigentlich aktuell. Sind Sie wieder 100 Prozent hergestellt?
Ich muss wöchentlich in die Uniklinik zum Durchchecken. Ich bin auf einem guten Weg. Aber noch ist es nicht so, wie es eigentlich sein sollte. Wobei ich alles machen darf. Ich darf Vollgas geben. Wichtig ist, dass die Kontrolle stattfindet, damit es weiter in die richtige Richtung geht.
Frage: Wie haben Sie sich denn in Mittelhessen und beim neuen Verein eingelebt?
Ich fühle mich gut und bin sehr glücklich hier. Es geht sehr familiär zu bei der HSG. Ich kann mich absolut nicht beschweren. Ich würde mich wieder genauso entscheiden. Auch wenn klar ist, dass die Corona-Pandemie die ganze Situation etwas schwieriger gestaltet. Man sitzt nur mit der Hälfte des Teams in derselben Kabine, damit im Ernstfall nicht das ganze Team in Quarantäne müsste. Restaurantbesuche mit Mannschaftskollegen fallen auch weg. Zwar leben viele Spieler bei mir im Haus, jeder hat da seine eigene Wohnung. Aber gemeinsame Zusammenkünfte sind derzeit eben nicht oder nur kaum möglich.
Frage: Das haben Sie sich doch sicherlich alles anders vorgestellt, als Sie ihren allerersten Vertrag bei einem Verein in der 1. Bundesliga unterschrieben haben?
Natürlich. Aber die Situation ist eben so, wie sie ist. Das muss man so annehmen und das Beste daraus machen. Da muss man versuchen, positiv zu bleiben. Wissen Sie was der größte Unterschied ist gegenüber vor der Pandemie?
Frage: Die Atomsphäre bei den Spielen vielleicht?
Richtig. Die Zuschauer sind nicht da. Das macht einen enormen Unterschied aus. Das sind wirklich Welten. Es gilt nun, selbst Emotionen ins Spiel zu bringen. Aber zumindest hat jedes Team damit zu kämpfen.
Frage: Wie fällt die Bilanz der HSG aus? Neun Spiele sind bislang absolviert. Fünf Siegen stehen vier Niederlagen gegenüber.
Wenn man bedenkt, gegen welche Teams wir insbesondere zuhause gleich zu Beginn der Saison ran mussten, dann darf man schon sagen, dass wir mit der Punkteausbeute zufrieden sein können. Immerhin mussten wir in eigener Halle unter anderem schon gegen die SG Flensburg-Handewitt, den THW Kiel und Melsungen ran. Es hätte wahrlich schlechter laufen können. Gerade auswärts haben wir bisher die Spiele gewonnen, die wir gewinnen sollten.
Frage: Naja, und den großen THW Kiel hat Wetzlar beim 31:22 mal aber so richtig aus der eigenen Halle geschlossen.
Das war schon großartig. Da träumt man davon, gegen solch einen Verein wie den THW zu spielen, und dann gewinnt man sogar noch. Auch wenn ich zugeben muss, das mein Beitrag bei diesem Erfolg eher gering war.
Frage: Wie ist es denn, gegen solche Handball-Größen wie Sander Sagosen, Uwe Gensheimer, Lasse Svan oder Lasse Andersson anzutreten?
Vor dem Spiel macht man sich natürlich schon so seine Gedanken, zumal man ja die Spieler des Gegners analysiert. Da kommt man schon ins Staunen über das riesige Potenzial, das die Weltklasse-Jungs besitzen. Zu Beginn hat man sicherlich schon etwas Respekt, aber dann macht es mir einfach nur noch Spaß, mich mit diesen tollen Akteuren zu messen. Da entwickelt man riesigen Ehrgeiz, um mit ihnen mitzuhalten. Da denkt man dann auch nicht mehr nach, wer da jetzt vor einem steht. Der Fokus liegt voll und ganz auf den eigenen Aufgaben und darauf, die Zweikämpfe für sich zu entscheiden. Jedes Training hilft einem weiter. Da ist man gleich noch mehr gefordert und wird immer besser dadurch.
Frage: Und am Kreis, wenn Sie zum Abschluss kommen, stehen Ihnen plötzlich so Torhüter wie Niklas Landin, Silvio Heinevetter, Benjamin Buric oder Jogi Bitter gegenüber. Was muss man dann machen?
Man muss noch mehr abspringen, man muss sich noch mehr in eine Richtung bewegen, um auch den Torhüter zu einer Bewegung zu zwingen. Dann gilt es, im letzten Moment die richtige Entscheidung zu fällen. Das ist schon nicht ganz so einfach. Wenn aber der Torwart erst einmal vor dir steht, wird es verdammt schwer.
Frage: Derzeit geht es richtig rund. Für Sie und die HSG Wetzlar stand bereits gestern Abend die Partie bei den Rhein-Neckar Löwen auf dem Plan.
Es war unser drittes Match innerhalb von sieben Tagen. Da ist viel Analyse angesagt, dazu taktische Einheiten. Und dann finden ja auch noch die Corona-Tests statt. Immer zwei Tage vor dem nächsten Spiel wird getestet.
Frage: Wie stehen Sie denn dazu, dass trotz Corona Handball gespielt wird?
Ehrlich. Ich freue mich, dass ich spielen darf und nicht schon wieder pausieren muss, so wie im März, als ja gar nichts mehr ging. Das Schutz- und Hygienekonzept der Deutschen Handball-Liga ist sehr gut. Und bis zur Länderspielpause kürzlich hat ja auch alles einwandfrei geklappt. Nach der Rückkehr der Nationalspieler kam es dann zu Absagen. Die Abwägung, was richtig und was falsch ist, was hinnehmbar ist oder nicht, ist alles andere als einfach. Da gibt es ja auch verschiedene Ansichten. Ich weiß auch, wie wichtig eine WM für den Handballsport an sich ist, aber ob sie in der aktuellen Situation denn wirklich stattfinden soll, da bin ich mir nicht sicher. Wäre vielleicht eine Verschiebung nicht besser?
Frage: Was sind Ihre Ziele für die kommenden Wochen und Monate?
Ich muss mich reinarbeiten, mich in jedem Training voll reinhängen, dazu viel mit meinen Teamkollegen kommunizieren. Dann wird es immer besser und besser. Ich muss positiv bleiben.
Frage: Wie sieht es mit dem Draht in die Heimat aus?
Der ist vorhanden. Viele Freunde und meine Familie verfolgen die Spiele auf Sky und schreiben mir dann. Darüber freue ich mich immer sehr. Außerdem greife ich immer regelmäßig zum Telefon. Nun hoffe ich, dass es die Chance gibt, dass ich meine Familie an Weihnachten oder dann gleich im neuen Jahr sehen und in die alte Heimat fahren kann.
Zur Person: Patrick Gempp, der in Binningen (Schweiz) geboren wurde, ist ein 24-jähriger Kreisläufer aus Weil am Rhein. Vom ESV ging es zum Traditionsklub TV Großwallstadt und 2017 dann zu den Wölfen aus Rimpar in Liga zwei. Nun ist er in der 1. Bundesliga bei der HSG Wetzlar aktiv, wo er einen Vertrag bis 2022 unterschrieben hat. Mit den deutschen Junioren wurde der ehemalige Jugendkicker des SV Weil schon Vize-Europameister und WM-Vierter.