Hausen im Wiesental „Die Erde ist ein Garten ohne Draht“

Markgräfler Tagblatt

Hebelfest: Hebelpreisträger Christoph Meckel liest im Literaturmuseum in Hausen

Das Gedicht für Johann Peter Hebel, eine Widmung von Christoph Meckel an den großen alemannischen Dichter, hob der diesjährige Hebelpreisträger für sein Dankeswort nach der Preisverleihung auf.

Von Jürgen Scharf

Hausen. Bei der Lesung am Vorabend im Literaturmuseum Hebelhaus in Hausen las Meckel einige Gedichte, unterbrochen von Erzählungen mit regionalem Bezug.

Es war wieder einmal ein Beweis für den schönen Brauch, am Tag vor der Preisvergabe den Preisträger zu Lesung und zum Gespräch zu bitten und eine Möglichkeit zum Kennenlernen. Darauf verwies Bürgermeister Martin Bühler.

Der 82-jährige Literat aus Freiburg kam mit seiner Frau ins Hebelhaus. Über dem sommerlichen Jackett hatte er ganz locker und unkonventionell eine hellbeige Stofftasche mit langen Riemen geschultert, die er auf den Lesetisch legte und aus der er drei Bücher herauszog.

Wie eine Hebelfreundin bemerkte, war an diesem Abend eine große „Druggete“ in dem Literaturmuseum und man war freudig aufs kommende Hebelfest eingestimmt. Unter den Gästen waren der Hebelpreisträger von 2010, der Schriftsteller Arnold Stadler, Hebelplakettenträger wie Liesa Trefzer, Markus Manfred Jung und Karl-Heinz Vogt. Aus der Hebelpreisjury waren der Hebelforscher Franz Littmann, Werner Witt, der am folgenden Tag die Laudatio hielt, sowie Hebelbund-Präsident Volker Habermaier zugegen.

Letzter stellte in seiner Einführungsrede in drei kurzen Textauszügen den Prosaisten und Lyriker Meckel vor. Habermaier warf „drei Blicke auf Christoph Meckel“ und zitierte einige Verse aus dessen „Widmung an J.P. Hebel“ aus den 1960er Jahren. Ein zweiter Blick galt dem Verfasser kurzer Prosa und ein letzter dem Autor von „Suchbild. Über meinen Vater“ (1980), nüchterne Biografiearbeit, aber auch poetische Schilderung über Meckels Vater.

Dann las der Schriftsteller selber, sehr gedankenvolle, tiefgründige Gedichte, die anfangs viel mit Natur zu tun hatten, Erinnerungen an die Kindheit waren, vor allem an die Kirschbäume und die Kirschen, die „aus einem Tropfen Blut Gottes geschaffen“ wurden, sowie Gedichte wie „Mein Vogel“ oder das „Musikschiff“ über eine Spieldose in Schiffsform.

Die Lesung hatte der Autor mit dramaturgischer Steigerung angelegt. Nach den Naturgedichten und Geschichten wie der Erinnerung an den Ort Ötlingen im Markgräflerland („Mein Garten Eden“), wo Meckel gute acht Jahre gelebt hat und den der Dichter sehr poetisch „mein Paradies“ nennt, wurde der Gehalt der Texte immer existenzieller, philosophischer, dramatischer. In der Erzählung „Schwarzwälder Sommer“ erinnert sich der Ich-Erzähler an Sommerferien während des Kriegs in Kirchzarten und geht in die Beeren („klebrige Unschuld der Marmeladenzeit“). Zu dem Gedicht für seinen Vater, den Schriftsteller und Hebelforscher Eberhard Meckel, der 1966 den Hebelpreis erhielt und stolz darüber gewesen sei, merkte Christoph Meckel an: „Ich habe ihn nie froher gesehen“.

Der eindrücklichste Erzählung war die unter die Haut gehenden Schilderung „Der Brand“. Darin beschreibt Meckel, der damals neun Jahre alt war, als Augenzeuge des 27. November 1944, die Bombardierung von Freiburg. Zahllose Geschwader sieht der kleine Junge über Freiburg fliegen, dann müssen er, die Mutter und die Geschwister in den Luftschutzkeller des Nachbarhauses flüchten; nach der Entwarnung sieht der kleine Christoph in der Ferne den Untergang Freiburgs, das große Feuer, und er fragt sich: Steht das Münster noch? Und gibt es noch den Andenkenladen am Münsterplatz? Eine Geschichte, die zudem als Metapher eine traurige persönliche Pointe hatte.

In seinem abschließenden Beitrag über einen Besuch in Israel blieb einem vor allem der letzte Satz im Gedächtnis haften: „Die Erde ist ein Garten ohne Draht und Stachel“. Danach packte Christoph Meckel seine Bücher wieder in die Jutetasche, und die Literaturfreunde warteten schon mit Büchern in der Hand, dass der Autor sie signiere.

Die „beeindruckende Lesung“ (Bürgermeister Bühler) umrahmte ein Blockflötenensemble der Musikschule Mittleres Wiesental mit Lehrerin Anita Waibel und Dieter Waibel am Cello mit Vivaldis „Vier Jahreszeiten“.

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