Holocaust-Gedenktag Gedenkstein in Herten wird 25 Jahre alt

pm
Der Gedenkstein erinnert an die 345 Mordopfer der NS-Euthanasie aus dem St. Josefshaus. Foto:  

Vor dem Holocaust-Gedenktag rückt ein örtliches Mahnmal in den Fokus: Seit genau 25 Jahren steht der Gedenkstein für die 345 Opfer der Nazi-Euthanasie im St. Josefshaus in Herten. Er erinnert an schreckliche Ereignisse.

Dieser Stein ist weit mehr als ein Denkmal aus Stein, er ist ein Zeugnis für die Opfer und ein Mahnmal gegen das Vergessen.

Die Aufarbeitung der Tötung von kranken und behinderten Menschen hat in der deutschen Öffentlichkeit lange gedauert, wie 2017 der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert während einer Gedenkstunde im Bundestag feststellte. Ein spätes Aufgreifen, das in der Gesellschaft durch die Traumata der Vergangenheit, Scham, Verdrängung und Tabuisierung verzögert wurde. Die Entstehung dieses Denkmals im St. Josefshaus war daher auch von Anfang an von kontroversen Diskussionen begleitet.

Schwierige Aufarbeitung

Vor etwa 30 Jahren begann die mühsame Rekonstruktion der Ereignisse der Nazi-Euthanasie im St. Josefshaus. Bernhard Späth, damaliger Direktor, beauftragte Ferdinand Müller, damals Leiter der Karl-Rolfus-Schule, mit dieser schwierigen Aufgabe. Müller leitete eine Arbeitsgruppe, die sich durch die vorhandenen Dokumente kämpfte. Doch die wirklich wichtigen Unterlagen waren rar, da bei der „Verlegung“ der Opfer sämtliche persönlichen Dokumente mitgenommen wurden. Die Erkenntnisse dieser Arbeit wurden in zwei wissenschaftlichen Symposien vertieft.

Debatten um Gedenkstein

Müller erinnert sich: „Am Ende der Recherchen wollte ich ein bleibendes Gedenken an die Opfer der Nazimorde auf dem Gelände des St. Josefshauses schaffen.“ Doch diese Idee traf im Leitungsteam auf Widerstand – außer bei Späth. „Die Gegenargumente konzentrierten sich darauf, nicht für immer an die schrecklichen Ereignisse erinnert werden zu wollen, die Furcht vor einem Missverständnis, dass das St. Josefshaus in die Morde verwickelt war, und die Kosten für den Gedenkstein.“

Letztendlich wurde Müllers Idee dank des Engagements von Späth und der finanziellen Unterstützung der Erzdiözese Freiburg realisiert. Während ihrer weiteren Überlegungen stießen sie auf den Bildhauer Leonhard Eder aus Rheinfelden. Es folgten intensive Gespräche in Eders Atelier.

„Vernimm mein Schreien“

„Ich erinnere mich noch gut daran, die zahlreichen waagrechten Einkerbungen und Balken symbolisieren das Eingesperrtsein, das den Todgeweihten den Ausweg aus der Gaskammer versperrte“, beschreibt Müller Eders Kunstwerk. „Die Vielzahl von Körperteilen, die aus dem Stein hervorstechen, spiegelt die Verzweiflung und den vergeblichen Kampf der Menschen in der Gaskammer wider, ihr unermüdliches Streben, dem Schicksal des Erstickens durch Vergasung zu entkommen.“

Als Inschrift wurde Psalm 39, Vers 13 gewählt: „Höre mein Gebet, Herr, und vernimm mein Schreien, Schweige nicht zu meinen Tränen.“ Als Aufforderung, die Leiden und das Unrecht, das den Opfern widerfahren ist, nicht zu ignorieren.

Kontroverse um Standort

Eine weitere Kontroverse drehte sich um den Standort des Gedenksteins. Ferdinand Müller erzählt: „Die Meinung sehr vieler war, wenn schon ein Mahnmal errichtet werden sollte, dann sollte es eher abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit platziert werden.“ Daher wurde vorgeschlagen, den Gedenkstein hinter der Kirche im Park aufzustellen.

Müller und Späth waren jedoch entschieden anderer Meinung: Der beste Standort für den Gedenkstein wäre direkt vor der Kirche, mitten im Leben, wo täglich an die 100 Autos vorbeifahren, Menschen im Alltag unterwegs sind.

Gedenken und Hoffnung

Die Einweihung des Gedenksteins erfolgte dann 1999 im Rahmen eines Gottesdienstes, den der damalige Domkapitular und spätere Weihbischof Bernd Uhl mit Pfarrer Anton Frank zelebrierten. Es war ein denkwürdiger Moment, als sich nach dem Gottesdienst in klirrender Kälte Bewohner des St. Josefshauses und Gäste am Stein versammelten und Blumenzwiebeln um den Stein pflanzten als Zeichen der Hoffnung, während die Namen aller Opfer verlesen wurden.

Ins Gedenken einbezogen

Für Ferdinand Müller bedeutete der Gedenkstein einen Abschluss. Seine Energie war erschöpft, und er bat Späth um Entbindung von seiner Aufgabe. Im Nachhinein betrachtet, sieht er es jedoch als einen dauerhaften Erfolg seiner Arbeit, dass er mit Hilfe von Schwester Astrid Ritter, einer Zeitzeugin der Ereignisse, die genaue Anzahl und die Namen jedes einzelnen Mordopfers aus dem St. Josefshaus ermitteln konnte. Dadurch konnten die Opfer der Anonymität entrissen werden und durch die Erinnerung an ihr individuelles Schicksal ihre Würde zurückerlangen. In den vergangenen zehn Jahren ist der Gedenkstein tiefer in das kollektive Gedenken einbezogen worden, indem Schüler der Theresia-Scherer-Schule und Bewohner des St. Josefshauses aktiv an der Gestaltung des Gedenkgottesdienstes für die Opfer der Nazi-Euthanasie teilnehmen. Die Schüler erarbeiten dazu im Unterricht eine symbolische Aktion, die den Gedenkstein zentral in den Gottesdienst einbindet.

„Durch dieses Engagement ist der Gedenkstein noch mehr zu einem wichtigen Ort des Erinnerns geworden und zugleich eine Aufforderung, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Birgit Ackermann, Vorständin des St. Josefshauses. „Eine Mahnung an alle, die denken, die Geschichte ist längst vorbei.“

Der Gedenkgottesdienst für die Nazi-Euthanasie-Opfer aus dem St. Josefshaus findet am Sonntag, 28. Januar, ab 10.30 Uhr in der Kirche des St. Josefshauses statt.

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