Kandern 50 Jahre Gemeindereform: Beachtliche Bilanz gemeinsamer Entwicklung in Kandern

Bernhard Winterhalter
Hier wurden die Verträge unterzeichnet. Foto: Bernhard Winterhalter

Als Kandern vor einem halben Jahrhundert als Gesamtstadt das Licht der Welt erblickte, war dies keine einfache Geburt. Heute sind die Kernstadt und ihre Ortsteile weitgehend zusammengewachsen, haben aber ihre Eigenheiten behalten. Wie der Weg dahin geschafft wurde.

Einer der nachweisbar ältesten Orte der Region ist Kandern. Die erste urkundliche Erwähnung ist in einem Kaufbrief von 733 zu finden, der im Kloster St. Martin in Tours/Frankreich aufbewahrt wurde. Eine vollständige Abschrift dieses Dokuments befindet sich heute in der „Bibliothèque Nationale de France“ in Paris.

In der am 18. Dezember 1973 von den damaligen Bürgermeistern unterzeichneten Vereinbarung über die Neubildung der Stadt Kandern wurden die Orte Kandern, Feuerbach, Holzen, Riedlingen, Sitzenkirch, Tannenkirch und Wollbach zur neuen Stadt Kandern zusammengeschlossen.

Sitzungen und Gespräche

Bis es endlich soweit war, hatten in den damals noch eigenständigen Dörfern und in der Stadt selbst unzählige Sitzungen und Besprechungen in den Gemeinderäten, mit der Bürgerschaft, mit Vertretern der Kreisverwaltungen und der Landesregierung stattgefunden. Kaum eine Gemeinde war damals bereit, ihre Selbständigkeit ohne weiteres aufzugeben. Bedingungen wurden formuliert und Versprechungen gegeben. Ziel der Landesregierung war unter anderem, mit dem sogenannten Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft auch im ländlichen Bereich leistungsfähige Gemeinden zu schaffen.

Man kann sich heute kaum noch vorstellen, wie aufregend und arbeitsintensiv die Jahre bis zum Wirksamwerden der Verwaltungsreform für die betroffenen Kommunen waren. Vielerorts wurden alle denkbaren Hebel in Bewegung gesetzt, um nicht eingemeindet zu werden.

Eingemeindung unpopulär

Von einem Dorf im Wiesental wird sogar berichtet, dass zum Erhalt der Selbständigkeit die Kirchenglocken erklangen. Das Geläut beanspruchte man zwar auf unseren Gemarkungen nicht, aber aus den verschiedenen Protokollen wird deutlich, dass jeder heute zur Stadt Kandern gehörende Ortsteil ebenfalls vehement versucht hatte, die Eingemeindung zu vermeiden.

Trotzdem nahmen in den Jahren 1972/73 Bürgerinnen und Bürger, Menschen dieser Raumschaft, die Herausforderung an und taten sich zusammen, um mit der Bildung von zukünftigen Verwaltungsräumen für die hier lebende Bevölkerung eine lebenswerte Gemeinschaft und liebenswerte Heimat zu schaffen.

Interessante Akten

Nach einem halben Jahrhundert lesen sich heute diese Akten, aus denen sich die vielseitigen Bemühungen für einen Zusammenschluss ergeben, immer noch sehr interessant. Die Niederschrift über die von der Landesregierung durchgeführte Anhörung zur Zielplanung im Rahmen der Gemeindereform vom September 1972 gibt dafür ein gutes Beispiel ab. Teilnehmer an dieser Anhörung waren die Bürgermeister und Landräte der Landkreise Müllheim und Lörrach sowie der frühere Innenminister Karl Schiess.

Vor dem Rathaus reihen sich die Wappen auf. /Bernhard Winterhalter

Nur nach Kandern gewollt

Bürgermeister Greiner aus Feuerbach gab seinerzeit zu Protokoll: „Aus der geographischen Lage heraus kann unsere Richtung nur Kandern sein. Im Hinblick auf die ,besonderen Verhältnisse in Kandern’ sei es bisher noch zu keiner Annäherung an die Stadt Kandern gekommen“. Offensichtlich zielte diese Formulierung auf die damaligen kommunalpolitischen Zerwürfnisse in Kandern ab. Von 1966 bis 1974 hieß der Kanderner Bürgermeister Otto Rausch und diese Jahre der Kommunalpolitik gehörten zweifelsfrei zur denkbar unruhigsten Zeit in der Geschichte Kanderns.

Die Dörfer entscheiden sich

Bürgermeister Steinger hatte zum Ausdruck gebracht, dass ein freiwilliger Anschluss nach Kandern nicht in Frage komme, Sitzenkirch aber wohl nichts anderes übrigbleiben werde, als nach Kandern zu gehen. Bürgermeister Rügert aus Riedlingen vertrat für sein Dorf die gleiche Meinung. Bürgermeister Schmidt gab zu Protokoll, dass sich für Tannenkirch nur Kandern als Alternative anbiete, Tannenkirch aber noch lebensfähig sei und selbstständig bleiben wolle. In diesen ersten Gesprächen war die Zuordnung von Holzen und Wollbach noch offen.

Trotz alledem gab es am Ende eines schwierigen Prozesses von allen Dörfern ein eindeutiges Votum für den Zusammenschluss mit Kandern. Allerdings brauchte es für die Entscheidung, sich mit Kandern zu vereinen beim Wollbacher Gemeinderat zwei Anläufe. Dort spielte man zudem mit dem Gedanken, sich für die Verwaltungsgemeinschaft Vorderes Kandertal zu entscheiden. Daher ging eine Abstimmung im Gemeinderat mit einem Patt aus. Erst in einer weiteren Sitzung ergab sich eine Mehrheit für Kandern.

Werben um Obereggenen

Gemeinderat und Stadtverwaltung hatten aufgrund langjähriger, vielseitiger Verbindungen Interesse daran, dass auch Obereggenen ein Stadtteil von Kandern wird. Dort gab es etliche Stimmen, die sich für eine Eingemeindung nach Kandern aussprachen. Jedoch bemühten sich Schliengen und Müllheim ebenso um Obereggenen.

Auch im Rathaussaal wurden die Ortsteile verewigt. /Bernhard Winterhalter

Ein glühender Befürworter für einen Zusammenschluss mit Kandern kämpfte in einer Bürgerversammlung in Obereggenen mit folgendem Argument: „Was wollt ihr denn in Schliengen? Die haben ja nicht mal so viel Wald, dass sie sich einen eigenen Kuckuck leisten können!“ Offensichtlich überzeugte die Argumentation mit dem nicht ausreichend vorhandenen Waldgebiet für die Existenz des bekannten Vogels nicht. Obereggenen gehört seit der Gemeindereform zu Schliengen.

Einwohnerzahlen steigen

Dass der Kernort und die Stadtteile in den vergangenen 50 Jahren an Attraktivität, an Wohn- und Lebensqualität hinzugewonnen haben, beweisen die stark gestiegenen Einwohnerzahlen. Vor der Gemeindereform lebten in Kandern und in den heute dazugehörenden Dörfern insgesamt etwa 6250 Bürger. Heute sind es knapp 8550 Einwohner, was einer Zunahme von fast 37 Prozent entspricht.

Die Unterschriften der Bürgermeister besiegeln den Zusammenschluss. Foto: Bernhard Winterhalter

Vereinzelt hängen heutige Zeitgenossen noch der Illusion nach, die Dörfer hätten mehr erreichen können, wenn sie selbstständig geblieben wären. Tatsache ist jedoch, dass nachweislich mehrere Millionen Euro in den vergangenen Jahrzehnten für den Ausbau und die Verbesserung der Infrastruktur aller Ortsteile aufgewendet wurden. Investitionen, die die vormaligen Dorfgemeinden aus eigener Kraft in diesem Umfang nicht hätten aufbringen können. Die Bilanz nach 50 Jahren fällt objektiv betrachtet positiv aus. Kernstadt und alle Ortsteile haben seit der Reform eine beachtliche Entwicklung durchlaufen, die mit Zuversicht in die Zukunft blicken lässt.

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