Kandern Busse bedrohen Bahnbestand

Adrian Steineck

Serie – Teil V: „125 Jahre Kandertalbahn“ / Mitte der 1950er-Jahre drohende Stilllegung sorgt für Protest

Das 125-jährige Bestehen der Kandertalbahn wäre in diesem Jahr zu feiern. Wäre – denn auch den Betrieb der Museumsbahn hat die Corona-Pandemie bis auf Weiteres lahmgelegt. Wir nutzen dennoch die Gelegenheit, in unserer Serie zum Jubiläum auf die Geschichte des „Chanderli“ zurückzublicken.

Kandern. Im vorherigen Teil unserer Serie „125 Jahre Kandertalbahn“ (Die Oberbadische vom 4. Juni) ging es um den Aufschwung des Busbetriebs zu Ungunsten des Schienenverkehrs. Diesmal blicken wir in die Zeit des Zweiten Weltkriegs und die 1950er-Jahre.

Weltkrieg bremst Busse

Der Zweite Weltkrieg, der am 1. September mit dem deutschen Überfall auf Polen begann, bremste die Entwicklung hin zum Omnibusbetrieb. Dieser musste eingeschränkt und schließlich ganz aufgegeben werden, da die Omnibusse zu militärischen Zwecken beschlagnahmt wurden. Der Bahnbetrieb gewann dadurch wieder an Bedeutung, allerdings musste aus Mangel an Personal, Betriebsstoffen und Ersatzteilen auf Verschleiß gefahren werden.

Ohne direkte Kriegseinwirkung kam in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs schließlich auch die Kandertalbahn am 24. April 1945 nach Beschädigung der beiden Bachbrücken durch deutsche Soldaten zum Erliegen. „Es ist verständlich, dass die Feier zum 50. Jubiläum der Kandertalbahn am 1. Mai 1945 ausfiel“, heißt es dazu lapidar in der Festschrift, die anlässlich des diesjährigen Jubiläums erschienen ist.

Nach Kriegsende kümmerten sich die verbliebenen und aus dem Krieg zurückkehrenden Eisenbahner darum, Bahn und Fahrzeuge mit behelfsmäßigen Mitteln soweit instand zu setzen, dass am 5. Dezember 1945 mit Genehmigung der Besatzungsbehörde der Bahnbetrieb wieder aufgenommen werden konnte.

Anstieg bis 1948

Wie bei allen Eisenbahnen gab es beim „Chanderli“ bis zur Währungsreform mit der Einführung der Deutschen Mark im Jahr 1948 einen starken Anstieg des Personenverkehrs. Mit Stabilisierung der Währung und Aufleben der Wirtschaft wurden wieder Omnibusse beschafft, mit denen auch die umliegenden Ortschaften an den öffentlichen Verkehr angeschlossen werden konnten. Der Busverkehr übertraf bereits Anfang der 1950er-Jahre das Vorkriegsniveau und stieg weiter an.

Rückschlag im Jahr 1955

Der Personenverkehr auf der Schiene sank dagegen weiter. Es wurden nur noch an die ohnehin verkehrenden Güterzüge Personenwagen angehängt, weitere Verbindungen wurden durch die Busse bedient. Im Jahr 1955 traf die Kandertalbahn ein weiterer Rückschlag, als die bis dahin auf der Schiene vorgenommenen Tonverfrachtungen ab Hammerstein entfielen. Sie sollten auf Laster-Verkehr umgestellt werden, und damit entfiel ein großer Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene.

Stilllegung droht

Im selben Jahr, als die Kandertalbahn eine existenzielle Krise durchmachte, kam auch die heutige Museumsmaschine Lok 30 nach Kandern. Ein Personenwagen reichte für die Personenbeförderung in dem kurzen Güterzug aus. Ein Jahr später kündigte die Deutsche Eisenbahn-Betriebs-Gesellschaft (DEBG) die Stilllegung der Kandertalbahn an.

Proteste der Bürger

Diese Ankündigung rief Proteste der Gemeinden, der Bürger und in der Presse hervor. Nach zwei Sitzungen in Kandern in den Jahren 1956 und 1957, die sich mit den Möglichkeiten zum Erhalt der Bahn beschäftigten, wurden seitens der DEBG Maßnahmen eingeleitet, um wieder mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Somit konnte zum ersten Mal die Stilllegung der Bahn abgewendet werden. Es wurde ein Rollfuhrdienst für Güter ab Kandern eingerichtet. Dabei wurden auch sogenannte Haus-zu-Haus-Container mit Sattelschleppern, die von der Deutschen Bahn übernommen worden waren, an die Güterkunden verteilt.

Neue Wagen

Als Ersatz für die stark abgewirtschafteten letzten Wagen aus der Anfangszeit der Kandertalbahn kamen die neu renovierten Wagen 45 und 46 nach Kandern. Deren Fahrgestelle wurden aber bereits im Jahr 1880 gebaut, womit sie die ältesten Fahrzeuge der Kandertalbahn sind.

Des Weiteren wurde für den Personenverkehr ein Triebwagen in Kandern stationiert. Damit konnte der Verkehr auf der Schiene wieder verdichtet werden. Ab dem Jahr 1958 fuhr der Triebwagen einige Kurse bis zum Badischen Bahnhof in Basel. 

Durch diesen Betrieb erhöhten sich die Fahrgastzahlen wieder, und die DEBG brachte ab dem Jahr 1961 einen modernen vierachsigen Triebwagen zum Einsatz, womit ein zeitgemäßes Verkehrsangebot bestand. Die Kandertalbahn war zum ersten Mal vor der Stilllegung bewahrt worden, und ihre Zukunft schien wieder gesichert zu sein.  Die Festschrift zum Jubiläum des „Chanderli“ ist zum Preis von 3,50 Euro über die Tourist-Information Kandern, Tel. 07626 / 97 23 56, oder E-Mail verkehrsamt@kandern.de, erhältlich. Die bisherigen Folgen unserer Serie sind am 28. April, 11. Mai, 19. Mai und 4. Juni erschienen.

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