Kandern Man müsste 200 Jahre Förster sein

Weiler Zeitung
Der langjährige Revierförster Reiner Dickele wird fortan nur noch privat im Wald anzutreffen sein.Foto: privat Foto: Weiler Zeitung

Interview: Revierförster Reiner Dickele wechselt in den Ruhestand / Sturm Lothar verursachte viel Schaden

33 Jahre lang wirkte Reiner Dickele als Revierförster im Kanderner Stadtwald. Jetzt – zum Monatswechsel – wird Otto-Jesko von Schroeder diese wichtige Aufgabe von ihm übernehmen.

Von Alexandra Günzschel

Kandern. Im Gespräch mit unsrer Zeitung blickt der langjährige Forstexperte zurück auf sein Arbeitsleben, das auch von vielen Veränderungen geprägt war.

Frage: Herr Dickele, fällt Ihnen der Abschied als Revierförster nach so vielen Jahren und Jahrzehnten eigentlich schwer?

Der Abschied fällt mir leicht, es ist angenehm, Verantwortung nach so langer Zeit abzugeben. Als Privatmann werde ich den Wald gerne weiter erwandern.

Natürlich wäre es schön, 200 Jahre Förster zu sein, dann weiß man mehr über den Wald und man könnte –oder müsste – das Ergebnis seines Handelns selbst sehen. So begleitet man den Wald eine gewisse Zeit, erntet von Vorgängern geschaffene Wälder und baut einige neue Waldflächen an.

Frage: Was hätten Sie gerne noch zu Ende gebracht?

Im Wald ist es normal, dass in einem kurzen Försterleben – im Vergleich zum Wald – viele Dinge nicht fertig sind. Zwei Dinge hätte ich aber gerne zu Ende gebracht: Den Ankauf von Waldgrundstücken, die für die Arrondierung wichtig sind. Aber auch den Bau des Radwegs von Kandern nach Riedlingen, an dem ich als IG Velo-Vertreter 1996 bei der Abschlussbesprechung im Straßenbauamt Bad Säckingen dabei war.

Frage: Was würden Sie Ihrem Nachfolger gerne mit auf den Weg geben?

Obwohl von Seite des Landratsamts keine Übergangszeit mit meinem Nachfolger vorgesehen war, konnte ich ihm in den letzten zwei Monaten den Stadtwald Kandern zeigen und ihn in die laufenden und geplanten Dienstgeschäfte einführen.

Ansonsten gibt es kein Patentrezept zum Beruf Förster, auch mein Nachfolger wird seinen eigenen Stil entwickeln.

Frage: Wie hat sich Ihre Arbeit über die Jahrzehnte verändert?

Die Waldarbeit ist professioneller geworden. Vor 30 Jahren haben noch Landwirte im Winter im Wald gearbeitet. Der Holzverkauf war früher viel einfacher, es gab wenige Firmen, die das Holz gekauft haben.

Heute gibt es sehr viele Holzkäufer mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen und Lieferwünschen. Dazu braucht es gute Waldarbeiter oder Forstunternehmer, um weiter im Wald erfolgreich zu sein. Die Ansprüche der Gesellschaft an den Wald sind ebenso gewachsen und das Verständnis für Waldbewirtschaftung ist gesunken, in der Stadt stärker als auf dem Land.

Frage: Und wie hat sich der Kanderner Stadtwald unter Ihrer Ägide verändert?

Bei meinem Start 1988 waren wir noch vier Förster im Stadtwald. Anfangs betreute ich etwa 35 Prozent des Stadtwaldes, ab 1998 zirka 40 Prozent und ab 2007 war ich für den gesamten Stadtwald zuständig.

Ein großer Einschnitt war der Sturm Lothar, der auch im Stadtwald große Schäden verursacht hat. Seit dieser Zeit ist der Anteil der Fichte von 14 auf heute sechs Prozent gesunken. Die Anteile von Eiche und Douglasien sind leicht gestiegen.

In den letzten 33 Jahren wurden etwa 20 Prozent des Stadtwaldes verjüngt. Bei gleichem Tempo geht es nochmals 135 Jahre, bis der gesamte Stadtwald verjüngt ist.

Man sieht also, im Wald geht nichts schnell. Kurzfristiges Denken bringt nichts in diesem System. Strategisches Denken mit dem Beachten von möglichen Entwicklungen ist notwendig. Und natürlich auch Glück, dass man die richtigen Entscheidungen trifft.

Frage: Was haben Sie an Ihrer Arbeit als Förster geschätzt?

Der Wald war mir schon in der Jugend ein geschätzter Ort. Es war für mich ein Glücksfall, im Wald zu arbeiten. Försterarbeit ist eine prima Mischung aus körperlicher und geistiger Arbeit. Selbstständiges arbeiten, das Büro zu Hause und volle Rückendeckung von der Stadt Kandern habe ich sehr geschätzt. Entscheidungen zu fällen und Verantwortung zu übernehmen habe ich gerne angenommen. Es war ein sehr selbstbestimmtes Arbeiten.

Frage: Und worauf hätten Sie verzichten können?

Auch im Forstbereich gab es einige Veränderungen, die nicht so schön waren. Nachdem der Forstbereich 2004 in Stuttgart noch für die Bewältigung der Sturmschäden gelobt und ausgezeichnet wurde, ist die bis dahin selbstständige Landesforstverwaltung 2005 in die Landratsämter eingegliedert worden. Das war mit viel Verwaltungsarbeit und Bürokratie verbunden.

Schlimm war auch der Kartellrechtsstreit wegen dem gemeinsamen Holzverkauf. Sehr schlecht war die Entscheidung des Landratsamtes, die Holzverkaufsstellen in den Forstbezirken zu privatisieren. Die wichtigste Dienstleistung Holzverkauf ist unserem direkten Zugriff entzogen, die Verbindung von Produktion und Verkauf ist gekappt. Es gibt nicht viele Landkreise in Baden-Württemberg, die diesen Schritt gegangen sind. Es ist eine weitere Schwächung der Forstabteilung.

Frage: Bestimmt haben Sie als Revierförster so einiges erlebt. Gibt es skurrile Ereignisse oder Erlebnisse, die Sie mit den Lesern teilen möchten?

Die Holzversteigerungen waren wegen der vielen Weinschorle immer sehr anstrengend. Und dann habe ich es in den ersten Jahren immer geschafft, in die Fastnachtszeitung zu kommen.

Frage: Wird man Sie auch in Zukunft noch im Wald sehen?

Wie jedermann werde ich zukünftig als Privatmensch den Wald besuchen, nicht als Förster a. D.

Frage: Wie werden Sie sonst Ihre Freizeit füllen?

Mehr im Hau und Garten arbeiten, mehr Radfahren – und ansonsten gerne weiterleben.

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