Kandern Umweltschutz muss bezahlt werden

Weiler Zeitung
Das Interesse an der Podiumsdiskussion zur Zukunft der Landwirtschaft auf dem Rüttehof war groß. Es diskutierten (v. l.) Gerhard Zickenheiner (MdB), Michael Fröhlin und Verginiya Kaerger vom BLHV sowie Landwirt Karlfrieder Fischer. Foto: Alexandra Günzschel

Landwirtschaft: Podiumsdiskussion mit Gerhard Zickenheiner und BLHV-Vertretern auf dem Rüttehof

Zu einer Podiumsdiskussion über die Zukunft der Landwirtschaft hatte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Gerhard Zickenheiner nach Wollbach auf den Rüttehof eingeladen. An die 50 Interessierte – weit mehr als gedacht – waren dieser Einladung am Montagabend gefolgt. Im Gespräch, auch mit den Zuhörern, wurde deutlich, dass die Landwirtschaft vor großen Herausforderungen steht.

Von Alexandra Günzschel

Kandern-Wollbach. Die Begrüßung übernahm der gastgebende Landwirt Karlfrieder Fischer. Er sah in den Landwirten die „Prügelknaben der Nation“, obwohl sie doch die Landschaft pflegen und die Bevölkerung ernähren würden. Verginiya Kaerger und Michael Fröhlin vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) vervollständigten die Runde.

Für Konfrontationsstoff sorgte in der nachfolgenden Diskussion der Umstand, dass die Grünen mehr als andere große Parteien für ökologische Veränderungen in der Landwirtschaft stehen. Die Landwirte wiederum sehen sich von vielen der geforderten Maßnahmen zusätzlich unter Druck gesetzt. Deutlich wurde aber auch, dass man in einigen entscheidenden Punkten gar nicht so weit auseinander liegt.

Zunächst ging es um steigende Investitionskosten, etwa für den Maschinenpark, Pflanzenschutz oder Dünger, bei gleichbleibenden Einnahmen. Kaerger, BLHV-Geschäftsführerin in Müllheim, sprach sogar von sinkenden Einnahmen bei hohen Auflagen, die erfüllt werden müssten.

Fröhlin, Vorsitzender des BLHV-Kreisverbands Müllheim, hob auf die steigende Anzahl von Personen ab, die von einem Hof ernährt werden. Dabei würden die Leute heute im Schnitt nur noch 14 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Er berichtete vom kleinen Hof seines Ururgroßvaters, der 1936 vom Verkauf von Schweinen noch gut leben konnte.

Die Konkurrenz ist groß

„Der Verbraucher will Bilderbuchobst“, sprach Fischer von einem gewissen Handelsdruck und der Notwendigkeit zu spritzen.

Die hiesigen Landwirte leiden aber auch unter der internationalen Konkurrenz, wie Zickenheiner hervorhob. Durch Waldabholzungen, mehr Chemie und ein brutales Lohngefälle seien Produkte aus Übersee trotz der Transportkosten oft konkurrenzlos billig. Er plädierte deshalb für faire Preise beim Handel, die die Schäden, die andernorts entstehen, auch abbilden würden.

Es folgte ein Austausch über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), ein Förderprogramm, das die sichere Nahrungsmittelversorgung in der Europäischen Union gewährleisten soll. Laut Fröhlin ein schwieriges Thema, da so viele verschiedene Länder unter einen Hut gebracht werden müssten.

„Ich finde es traurig, dass wir überhaupt Förderung brauchen“, meldete sich Kaerger zu Wort. Sie plädierte stattdessen für bessere Bedingungen für die Landwirte. Kein Beruf sei tiefer mit der Natur verbunden, sagte sie. „Doch unsere Bemühungen spiegeln sich nicht wider in den Preisen.“

Zickenheiner sprach die Problematik an, dass ein Großteil der GAP- Fördermittel zu den riesigen Bauernhöfen in Norddeutschland fließen würde. Dem BLHV warf er vor, dass dieser sich nicht stärker für die Belange der kleinteilig strukturierten Höfe in Südbaden einsetze. Eine Kritik, die die BLHV-Vertreter zurückwiesen, obgleich sie auch Verständnis dafür äußerten, dass die Großen eben mehr Geld bekommen.

Für Fischer vom Rüttehof, der sich auf Direktvermarktung spezialisiert hat, ist die GAP kein großes Thema, wie er sagte. „Wir sind hier ein bisschen Lebenskünstler und schießen uns nicht so sehr auf Prämien ein“, meinte auch Fröhlin und verwies auf Veranstaltungen wie etwa die „Gläserne Produktion“.

Zuhörer Richard Bayha vom Hof Kaltenherberge in Tannenkirch sprach die drängender werdende Umweltproblematik an. Zu etwa fünf Prozent sei die Landwirtschaft mitverantwortlich für den Klimawandel, führte Zickenheiner aus. Er lobte die jüngst beschlossenen Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft. „Wenn wir von der Landwirtschaft wollen, dass sie Umweltschutz betreibt, dann müssen wir das bezahlen“, betonte er. Einig war man sich darin, dass eine Abwanderung der Landwirtschaft, etwa nach Brasilien, wo dafür Regenwälder abgeholzt werden, nicht das Ziel sein kann.

Doch offenbar leiden viele Bauern unter dem Druck der Politik, nach Möglichkeit auf Spritzmittel zu verzichten. Das machte Zuhörer Markus Schörlin aus Huttingen deutlich, der insbesondere beim Kirschenanbau ein Stück weit auf Pflanzenschutzmittel angewiesen ist. Weil immer weniger dieser Mittel zugelassen werden, vermisst er vor allem Planungssicherheit. Um Lösungen zu finden, will Zickenheiner hier auf eine glaubwürdige unabhängige Forschung setzen.

Den Aspekt der Verbraucherverantwortung brachte Fischer ins Spiel. Kaerger indes glaubte nicht, dass ohne Steuerung der Politik viel erreicht werden kann. „Der Mensch ist ein ökonomisches Wesen“, sagte sie. Auch könne es sich nicht jeder leisten mehr Geld für hiesige umweltfreundlich produzierte Produkte auszugeben. Ohne Druck und Anreize wird es nicht funktionieren, meinte auch Zickenheiner, der dennoch auf die Vernunft der Verbraucher hofft.

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