Kandern „Wir brauchen jeden Quadratmeter“

Silke Hartenstein

Ukraine: Schon viele Kriegsflüchtlinge sind in der Gemeinschaftsunterkunft in Kandern angekommen

Information und Austausch für Hilfskräfte in der Flüchtlingskrise: Das stand hinter dem ersten Netzwerktreffen Integration in Kandern. Am Mittwoch folgten 39 Bürger der Einladung der Stadt in den Bibelissaal. 23 Hilfswillige trugen sich in die dort ausgelegten Listen ein.

Von Silke Hartenstein

Kandern. Laut Mathias Winzer vom Diakonischen Werk, als Sozialarbeiter in Kanderns Gemeinschaftsunterkunft (GU) des Landkreises Lörrach tätig, bietet die am 10. März erstmals bezogene GU 100 Plätze. 95 Plätze seien bereits belegt, rund die Hälfte von Ukraine-Flüchtlingen.

Als Nächstes würden Flüchtlinge aus anderen Nationen wie etwa Afghanistan in Schopfheims GU verlegt. In Kandern sollen bis zu ihrer Weiterverteilung ausschließlich Ukrainer untergebracht werden. Da derzeit die Ukraine-Flüchtlinge nur kurze Zeit in der GU blieben, sei nicht mit einer Einschulung ihrer Kinder in Kandern zu rechnen. Spielgeräte seien bereits da, was es jetzt brauche, seien Wohnraum und Hilfe beim Erledigen von Formalitäten. Winzer lud alle ein, zur Kontaktaufnahme einfach mal vorbei zu kommen.

Nach Einschätzung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Regierungspressekonferenz vom vergangenen Dienstag sind bereits 35 000 Geflüchtete im Land angekommen. Somit ist zu erwarten, dass sich Ukrainer auch in Kandern ansiedeln werden.

Deren Kinder bräuchten eine sinnvolle Beschäftigung, fand Pädagogin Nicole Müller. Da sie nur die kyrillische Schrift kennen, schlug sie vor, ihnen als erstes die lateinische Schrift beizubringen und zudem Schulmaterialien zu sammeln.

Auch Hilfe zur Selbsthilfe

Hanna Gebauer-Zoutendijk vom Netzwerk Integration berichtete von der Kanderner Lernwerkstatt für Flüchtlingskinder im Grundschulalter. Kinder aus der Ukraine dort aufzunehmen, hielt sie nicht für sinnvoll. Sinnvoller sei es, ukrainischen Müttern Unterstützung und Räume zu bieten, damit diese erste Angebote für Kinder selbst organisieren könnten.

Laut Bürgermeisterin Simone Penner gebe es derzeit Gemeinschaftsräume in der GU, auch sei die VHS dabei, Erstorientierungskurse zu organisieren. Kanderns Awo-Vorsitzender Bernd Ilsen stellte fest: „Das Awo-Stüble steht zur Verfügung“.

„Im Normalfall ist die Zivilgesellschaft deutlich schneller als die Verwaltung“, fand Eva Petersik, Integrationsbeauftragte des Landkreises Lörrach. Es gebe unter den geflüchteten Ukrainern viele gut ausgebildete Frauen, etwa im Pädagogikbereich.

Am Abend stellten sich auch Klaus Schwald und seine aus der Ukraine stammende Ehefrau Iryna vor. Das Ehepaar aus Malsburg-Marzell brachte in Eigeninitiative Hilfsmittel nach Krakau ins Sperrgebiet, holte bereits 25 Menschen aus der Ukraine heraus, brachte sie unter, koordiniert Hilfeleistungen und sucht nach privatem Wohnraum. „Wir brauchen jeden Quadratmeter, den wir nutzen können“, sagte Schwald. Wie er erzählte, haben beide im Rebland eine Gruppe organisiert, in der neun Kinder von einer Lehrerin aus der Ukraine unterrichtet werden. Auf diese Weise soll die Zeit überbrückt werden, bis die Kommunen und der Landkreis entsprechende Angebote eingerichtet haben.

Er stellte fest, die Ukrainer seien stark nach Westen orientiert, mit der Digitalisierung deutlich weiter als Deutschland, und: „Sie sind ein stolzes, herzliches und hilfsbereites Volk.“

Austausch ein Erfolg

Dass sich das Ehepaar Schwald und die Vertreter des Kanderner Netzwerks Integration an diesem Abend kennenlernten, ist einer der Erfolge des Treffens.

Für die Vernetzung lagen Listen aus, auf denen Hilfswillige ihre Kontaktdaten angaben und die Bereiche ankreuzten, in denen sie tätig sein wollen: Sprache, Freizeitangebote, Alltagshilfen und weitere Vorschläge. Auf diese Listen, so Herbert Uhl, werde die Koordinatorengruppe des Netzwerks Integration bei ihrem nächsten Treffen zurückgreifen.

Zuletzt rief Hauptamtsleiter Fabio Jenisch dazu auf, privaten Wohnraum für Geflüchtete bei der Stadt zu melden, auch sollten sich privat untergebrachte Ukrainer bei der Stadt melden.

Der Hintergrund: Das Land übernimmt die Kosten für die Sozialleistungen, wie etwa Unterstützung bei Lebensunterhalt und Wohnung. Landkreise und Kommunen bekommen die Leistungen erstattet, wenn die Geflüchteten dort registriert sind und den Regierungspräsidien gemeldet werden.

Weitere Informationen:

Hotline des Landes Tel. 0800/70 22 500 www.loerrach-landkreis.de/ukrainehilfe www.stadt@kandern.de/öffentliche Einrichtungen/Flüchtlingshilfe Kontaktaufnahme für Wohnraum-Angebote und sonstige Hilfe: stadt@kandern.de, Tel. 07626 / 899 44; ukrainehilfe@loerrach-landkreis.de; fluechtlingshilfe@kandern.de; Klaus Schwald: Tel. 0162/49 46 478; E-Mail: klausschwald@gmx.de

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