Kandern Witzig, temperamentvoll und bissig

Silke Hartenstein

Poetry Slam: Vielseitiger Dichterwettstreit. Auch sensible Töne. Siegerin aus Kandern .

Kandern - Texte auf hohem sprachlichen Niveau, präsentiert von namhaften Poetry Slammern aus ganz Deutschland und der Schweiz sorgten für einen anregenden und abwechslungsreichen Abend im Kinosaal in Kandern. Siegerin wurde Vanessa Linska.

Eine „Lokalmatadorin“ ist die 30-Jährige, die erst seit eineinhalb Jahren in Kandern lebt, nicht: Es waren ihre Texte, die direkt aus dem Herzen kamen und so viele Zuhörer anrührten, dass sie selbst Baden-Württembergs Poetry Slam-Vizemeister Marius Loy übertrumpfte.

Als smarter, souveräner Moderator überzeugte Daniel Wagner, Vizemeister des Poetry Slams 2018 in Zürich, auch mit seinem pointiert-bissigen Text über das Lebensgefühl im Dorf seiner Kindheit „Inzestlingen“.

Die Siegerin Vanessa Linska, Erzieherin und freie Rednerin, hielt mit ihrem noch in ihrer Hamburger Zeit entstandenen Text ein flammendes Plädoyer für die wirklichen Bedürfnisse von Kindern und die Unfähigkeit etlicher Eltern, diese wahrzunehmen.

Später brachte sie bei vielen Zuhörern eine Saite zum Klingen, als sie kurz ein Fenster öffnete zurück in die noch unkomplizierte, zeitlos-magische Gefühlswelt einer geborgenen Kindheit.

Ein wirklicher „Local Hero“ war der 93-jährige Kanderner Paul Lendle. Der Krimiautor und frühere Lokalreporter im Nebenberuf gab außer Konkurrenz im lakonisch-witzigen, an Wilhelm Busch erinnernden Stil eine gereimte Mörderpistole zum Besten: „Ein Mord in einem Treppenhaus sieht meistens wie ein Unfall aus“. Damit brachte er immer wieder die Zuhörer zum Lachen und bekam großen Applaus.

Finalist Marius Loy wiederum brach mit expressiver Gestik und Mimik, temporeich und temperamentvoll, eine geschliffene Lanze für die Rechte der Raucher darauf, dies ohne permanente Schuldzuweisungen zu tun. Hierbei wurde er durchaus poetisch: „In den Fingern der linken Hand brennt eine Kippe feine Leuchtfiguren in die Nacht.“

Später folgte eine bissig-treffende Abrechnung mit Lokalreportern und deren penetrant wiederkehrender Frage: „Wie kommen Sie eigentlich auf Ihre Ideen?“

Finalistin Chantal Riedener wiederum schlug mit ihrem poetisch-bildhaften Märchen den Bogen vom unschuldig-sonnigen Frühlingserwachen über den Materialismus der Menschen und dessen Folgen, Elend und Krieg. Im Finale hielt sie einen sensiblen imaginären Dialog mit einem „Du“, wahrgenommen und akzeptiert mit allen Schwächen und Schattenseiten und der inneren Schönheit, die sich dahinter verbirgt.

Sensibel präsentierte sich auch Theresa Hahl. Sie brachte Ernsthaftigkeit und Poesie ins Geschehen ein mit ihrer melancholischen Geschichte über ein im Schweigen gefangenes Paar.

Julia Szymik unterhielt bestens mit ihrem wortgewandten Geständnis, bis heute nicht wirklich erwachsen sein zu können und wollen.

Marvin Suckut wiederum widmete sich ideenreich und witzig seinem von ausgeprägtem Pragmatismus geprägten Verhältnis zur Ästhetik: „Ein Glas ist dann gut, wenn es einen Boden hat.“

Zuletzt war klar: Auch, wenn es nur einen Sieger geben kann – Gewinner sind sie alle und die Veranstaltung des Fördervereins Stadtbücherei Kandern hätte mehr Besucher verdient gehabt, als die rund 100 Zuschauer die am Ende kamen. „Ich bin mittelzufrieden“, sagte Organisator Martin Maier-Diehm auf Anfrage.

Die Zuhörer jeden Alters dagegen genossen den Abend – zumal die Klangqualität in der zweiten Dichterrunde deutlich besser wurde. Zu Beginn hatte die Verzögerung des Standmikrofons irritiert – oder, wie es der Moderator ausdrückte: „Ausgeschieden in der ersten Runde ist das Mikrofon.“

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