Kandern-Wollbach Kein Auto der Welt fährt ohne diese Erfindung

Bernhard Winterhalter
Das Auto ist aufwendig restauriert worden.Foto: Foto:  

Vor 125 Jahren wurde ein Wollbacher geboren, der Geschichte schrieb. Von Friedrich Eugen Maier stammt eine bahnbrechende Erfindung, die heute in jedem Fahrzeug Standard geworden ist. Einst ist er der größte Konkurrent von Ferdinand Porsche gewesen.

Wer kennt schon den am 1. November 1898 in Wollbach geborenen Friedrich Eugen Maier, ein Ingenieur und großer Pionier bei der Herstellung von Kraftfahrzeugen? Er war 1934 der größte Konkurrent von Ferdinand Porsche, als es darum ging, den Zuschlag für die Entwicklung zum Bau des Volkswagens zu erlangen.

Der in seinem Heimatdorf Wollbach aufgewachsene Friedrich Eugen Maier, Rufname Fritz, ließ sich nach der Schulzeit zunächst zum Pilot ausbilden. Danach begann er ab 1918 ein Studium für Maschinenwesen an der „Badischen Hochschule Fridericiana zu Karlsruhe“ (heute Universität Karlsruhe).

Sein Examen zum Diplomingenieur bestand er 1923 mit Bravour und der Note „sehr gut“. Seine Diplomarbeit betraf das Entwerfen eines Rohöl-Glühmotors.

Die Abschlussprüfung beinhaltete die sehr umfangreichen Pflichtfächer Kinematik und Thermodynamik, Wärmekraftmaschinen und Dampfkessel, Gasmaschinen und Gebläse, Maschinenmesskunde einschließlich Maschinenlaboratorium, Berg- und Hüttentechnik.

Bei den Wahlfächern entschied sich Maier für die Themen Hebemaschinen, Pumpen, Baukonstruktionslehre und Lokomotiven. Beim Vergleich mit den heutigen Anforderungen eines Ingenieur-Examens stellten die Prüfungsaufgaben für den Examenskandidaten Maier eine besondere Herausforderung dar.

Kein Computer verfügbar

Auch wenn man bedenkt, dass es vor hundert Jahren noch keinen Computer mit leistungsfähigen Programmen gab, welche die wissenschaftliche Arbeit und die damit zusammenhängenden Lösungsansätze hätten wirksam unterstützen können.

Als Hilfsmittel dienten unter anderem noch spitzer ein Bleistift, Lineal und der Rechenschieber. Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass ihm für seine Diplomarbeit eine Frist von nur vier Wochen eingeräumt wurde.

Seine erste Anstellung als Diplomingenieur erhielt der hochqualifizierte Maier in den bekannten Flugzeugwerken von Hugo Junkers. Während dieser Tätigkeit wurde er unter anderem in Kolumbien zum Leiter der dortigen Niederlassung der Flugzeugwerft Junkers berufen. Nach einigen Jahren kehrte er aus Südamerika zurück und kam in einer Zweigstelle der Junkerswerke in Moskau zum Einsatz. Danach übernahm er von 1928 bis 1931 die Funktion des Betriebsleiters bei den Albatros Flugzeugwerken in Berlin.

1931 war im Leben von Fritz Maier ein entscheidendes Jahr. Er machte sich selbstständig und gründete die Firma „Leichtbau Maier“. Gleichzeitig meldete er sein erstes Patent an, das heute noch weltweit im Einsatz ist: einen „selbsttragenden, geschlossenen Wagenkasten für Kraftfahrzeuge“.

Die Patentschrift des Reichspatentamts trägt die Nummer 554 868 und wurde am 30. Juni 1932 bekannt gemacht. Weitere Patente folgten – zum Beispiel für die Erfindung des individuell verstellbaren Fahrersitzes.

Einige Zeit später, im Januar 1933, kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Hitler schwebte vor, ein Fahrzeug bauen zu lassen, das weniger als 1000 Reichsmark kosten sollte. Vermutlich bewarben sich die beiden Autokonstrukteure Friedrich E. Maier und Ferdinand Porsche um den gleichen vielversprechenden Auftrag.

Jedenfalls bekam Porsche den Zuschlag von Hitler und nicht Maier. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei dieser Entscheidung zugunsten von Porsche eine damals ganz wesentliche Tatsache ausschlaggebend war. Maier war kein Mitglied der NSDAP, und wurde es auch nie.

Der 1875 in Böhmen geborene Porsche dagegen stand dem NS-Regime sehr nahe, nahm auf Drängen Hitlers die deutsche Staatsangehörigkeit an und wurde 1937 auch Parteimitglied.

Porsche besser vernetzt

Hinsichtlich der fachlichen Qualifikation und des Entwicklungsstands des späteren Volkswagens war Maier seinem Mitbewerber Porsche zweifellos ebenbürtig.

Gerade im Hinblick auf die bereits Jahre zuvor entwickelte Karosserie war der gebürtige Wollbacher seinem Kontrahenten deutlich überlegen und weit voraus. Aber Maier hatte keine Chance. Für ihn hatten sich die nationalsozialistischen Machthaber etwas anderes ausgedacht. Er wurde gezwungen, Reparaturen an Wehrmachtsfahrzeugen vorzunehmen.

So sah der Prototyp vor der Restaurierung aus. Foto: Jörg Jansen

Trotzdem erweckten seine Patente in Fachkreisen auch außerhalb Deutschlands großes Interesse und erhielten höchste Anerkennung. Im Oktober 1936 wurde sein Patent in den USA unter der Seriennummer 106.214 veröffentlicht. Auch Großbritannien machte seine Entwicklungsergebnisse bekannt. 1943 stellte Citroën ein serienreifes Fahrzeug mit einer selbsttragenden Ganzstahlkarosserie her.

Jedoch spielten die Nazis ihm ein weiteres Mal übel mit. Sie beschlagnahmten seine Patente und vernichteten einen großen Teil davon.

Auch in der Folgezeit blieb Maier von Schicksalsschlägen nicht verschont. Seine Werkstatt in der Sömmeringstraße in Berlin-Charlottenburg sowie eine Menge Unterlagen und Entwürfe wurden 1944 bei einem Bombenangriff zerstört. Seine zweite Ehe, aus der eine Tochter hervorging, zerbrach 1954.

Anfang der 1960er-Jahre richtete Maier beim Gierkeplatz in einem Hinterhof eine Werkstatt ein, wo er auch wohnte. Seit Kriegsende kämpfte er um die Anerkennung seiner Patente mit geringem Erfolg.

Die Patenturkunde

Seine von ihm erstmals entwickelte Konstruktion der selbsttragenden Ganzstahlkarosserie und des einstellbaren Fahrersitzes zählen seit Jahrzehnten zu den Standards im Fahrzeugbau. Ausnahmslos alle Automobilhersteller in der ganzen Welt verwenden seine Erfindungen, ohne jemals etwas dafür bezahlt zu haben.

Das wiegt umso schwerer, wenn man bedenkt, dass Maier total verarmt und völlig vereinsamt zwischen dem 15. März und 23. Juni 1976 verstarb. Die Leiche wurde erst mehrere Wochen nach seinem Tod in der Werkstatt aufgefunden – er geriet fast in Vergessenheit.

Friedrich Georg Maier aus Kandern-Wollbach

Dem Kfz-Sachverständigen Jörg Jansen aus Mönchengladbach gelang es auf vielen Umwegen nach intensiven Nachforschungen und sehr aufwendigen Recherchen Maiers Prototyp zu beschaffen.

Jansen richtete das vollständig demolierte Fahrzeug mit großem Aufwand wieder her. Ihm ist es zu verdanken, dass Friedrich Eugen Maier und dessen Lebenswerk nicht in Vergessenheit geraten.

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