Zwingli, Donnerhall und Reiselust

Von Jürgen Scharf

Kandern-Riedlingen. Die ganze Welt in einem kleinen Köfferchen trägt die Bühnenerzählerin und Spielerin Gabi Altenbach mit sich. Man erinnert sich noch gern an den „Grimm-Marathon“, mit dem sie vor einigen Jahren im Theater im Hof in Riedlingen zu Gast war. Am Wochenende packte die temperamentvolle und quirlige Schauspielerin ihren kleinen roten Märchenkoffer aus. Mit ihrem Erzähltheater ging der Festivalsommer 2020 im Hof in die Zielgerade.

Aus ihrem magischen Koffer holt Altenbach einige Gegenstände hervor: Kuchenform, Frosch, Ring und Stein. Das Publikum wählt die Dinge aus, und schon kann die Geschichtenreise losgehen. Es sind internationale Geschichten aus Island, Italien, der Türkei und Südafrika, die Altenbach in ihrem freien mündlichen Erzählen fantasievoll ausschmückt.

Dass man mit dieser Art des schauspielerischen Erzählens nicht nur Kinder abholen kann, zeigt die Nachmittagsvorstellung, bei der mehr Erwachsene im Hof waren. Mit einem großen Schlüssel und einem lauten „Krick-Krack“ schließt die Märchenerzählerin die Märchentür auf und aus dem Täschchen sprudeln wie ein Flaschengeist die Geschichten aus verschiedenen Ländern heraus.

Da lernt man richtig Norwegisch, denn Altenbach streut sogar ein paar Brocken davon in ihre Geschichte um den Göttervater Odin und den Donnergott Thor ein, die auf Burg Asgard leben. Herrlich, wie sie in ihrer szenischen Erzählweise spielerisch und unterhaltsam von einem goldenen Wildschwein, goldenen Haaren, einem goldenen Hammer und einer nervigen Stechmücke berichtet.

Das „Löffel“-Märchen aus der Türkei über eine arme Frau, deren Tochter und ein funkelndes Töpfchen, aus dem ein geschrumpfter Prinz zum Vorschein kommt, regt ebenso wie die Geschichte vom schlauen Hasen und der hereingelegten Hyäne die Fantasie der Zuhörer an.

Während es am Erzählsonntag brütend heiß war, es sich aber unter dem Blätterdach der Kastanie und im Schatten der Kulturscheune gut aushalten ließ, hatte das Festival am vorigen Wochenende beim dreitägigen Gastspiel von Jürg Kienberger mit Wetterkapriolen zu kämpfen.

Ganz eigener Rhythmus

Jäh und heftig wurde die zweite Vorstellung von einem plötzlich hereinbrechenden Gewitter für eine Stunde unterbrochen. Die Besucher wurden unter die Dächer „evakuiert“. Fast alle haben ausgeharrt, wurden zu „Komplizen“ des Künstlers und warteten mit ihm ab, bis Sturm und Regen vorübergezogen waren. Die Vorstellung hatte einen ganz eigenen Rhythmus, es ergaben sich muntere Gespräche zwischen den Zuschauern mit Masken und Abstand in dieser von Dieter Bitterli und Dorothea Koelbing gut gemanagten „Zwangspause“.

Auf vielfachen Wunsch brachte der Schweizer Schauspieler sein zum Zwingli-Jahr entstandenes Stück über den Zürcher Reformator mit, das er in der vorigen Saison im Hof und inzwischen schon 30 Mal gegeben hat. Auch bei den neuerlichen klaren und schönen Vorstellungen hat Kienberger kleine Improvisationen sprachlicher Natur eingeflochten; die dritte war eine ganz gelassene und ungestörte Aufführung.

Für die letzten drei Veranstaltungen „Klangraum - Baum“ mit dem Kanderner Martin Kutterer und dem Müllheimer Tilo Wachter liegt eine „Schönwetter-Warteliste“ auf. Beide geben hier erstmals zu zweit ein Konzert und haben eine Probenwoche Zeit dafür, den Hof zu erobern. Dabei sollen der Schauplatz und die Gegenstände auf dem Anwesen ebenso wie musikalische Begebenheiten, Echos und die Akustik in diese Klangmusik rund um die Kastanie mit einbezogen werden.  Termine: Fr, 14. und Sa, 15. August, 21 Uhr, So, 16. August, 11 Uhr