Kleines Wiesental Auf den Spuren vergangener Tage

Gerald Nill
Gästeführerin Annette Hauser nimmt interessierte Mitwanderer mit auf einen nostalgischen Weg vom Kleinen Wiesental zum Markt von Zell – und erzählt nebenbei, wie hart das Leben der Menschen hier einst gewesen ist. Foto: Gerald Nill

Einkaufen wie in alten Zeiten. Das will Annette Hauser aus Hohenegg auf einer geführten Tour vom Kleinen Wiesental nach Zell vermitteln. Ganz nebenbei erzählt die Gästeführerin, wie beschwerlich das Leben der Menschen im Schwarzwald einst gewesen ist.

Als die 50-Jährige vor knapp drei Jahren von Schopfheim nach Hohenegg zog und mit den Menschen dort in Kontakt kam, erfuhr sie von den Einwohnern, dass die Frauen einst regelmäßig zum Markt nach Zell marschierten. Auf dem Kopf und in einer Kiepe trugen sie Produkte ihrer eigenen kleinen Landwirtschaft, um sie im Wiesental zu verkaufen. Gleichzeitig wurden in Zell andere Dinge gekauft, die benötigt wurden. So waren auf dem Hinweg Speck und Butter, vielleicht auch ein paar Eier im Korb. Auf dem Rückweg wurden Salz und Zucker sowie Stoffe nach Hause getragen.

Die Dorfbewohner der Region waren praktisch Selbstversorger. Im Stall standen zwei Kühe und ein oder zwei Schweine, auf dem Feld wurden Getreide und Kartoffeln angebaut. Das Obst wuchs vor der Tür.

Informationen mitbringen

„Nur etwa einmal im Monat machten sich die Frauen auf den langen Weg von Hohenegg nach Zell“, hat Annette Hauser erfahren. Dabei ging es natürlich auch darum, neue Informationen aus der weiten Welt mit heim ins Bergdorf zu bringen. An dieses alte Brauchtum möchte die gelernte Gästeführerin durch ihre nostalgischen Wanderungen erinnern.

Nach dem Ende ihres beruflichen Wirkens als Arzthelferin entwickelte sie gemeinsam mit ihrem Mann die Idee, geführte Touren anzubieten. Ehemann Stefan ist Unternehmensberater in Sachen Logistik und Umweltschutz. Im VHS-Kurs erwarb Annette Hauser das Zertifikat als Naturpark-Gästeführerin. Am 22. Mai geht’s zum ersten Mal auf die Tour.

Bis dahin wird die Neu-Hoheneggerin noch manches Schwätzchen mit den ältesten Dorfbewohnerinnen halten, die von der alten Zeit erzählen können. Eine Zeit, die gar nicht so gut war, wie’s immer heißt. „Die gute alte Zeit gab es nicht“, ist Hauser inzwischen überzeugt.

Mühsal und harte Arbeit

Der Alltag war vielmehr von Mühsal und harter Arbeit geprägt. „Die Frauen waren für das Haus und das Kleinvieh, die Kinder und die Feldarbeit verantwortlich. Nebenbei brachten sie zehn und mehr Kinder auf die Welt, sodass es nicht verwundert, dass das Leben hart und kurz war. „1850 starb noch jedes zweite Kind“, weiß Hauser zu berichten. Welches Schuhwerk die Frauen auf ihrem rund zweimal zehn Kilometer langen Fußweg nach Zell und zurück trugen, will die Gästeführerin noch herausfinden. Schließlich wurden in der damaligen Zeit noch viele Wege barfuß zurückgelegt. Dass die Kleidung seinerzeit für die Kapriolen des Wetters ohnehin nicht ausgelegt war, ist klar: Goretex gab es noch nicht, dafür vielleicht ein Cape aus Stroh.

Selbst genähter Kopfring

Bei kurzen Stopps vermittelt die Gästeführerin in ihrer Wanderung die Eindrücke vergangener Tage, die sie zusammengetragen hat. So bedeutete das alljährliche große Wäschewaschen genauso Schwerstarbeit für die Frauen wie das Brotbacken, als alles noch von Hand gewalkt oder geknetet werden musste. Auch den Kopfring, mit dem Körbe einst auf dem Haupt zum Markt getragen werden konnten, hat die Brauchtumsbewahrerin inzwischen selbst aus einer alten Tischdecke genäht. Wie hart das Leben einst im Schwarzwald war, vermittelt der folgende, fast menschenverachtende Spruch, den Annette Hauser nie vergessen wird: „Wieber sterben, kein Verderben. Küh’ verrecken, welch ein Schrecken.“

Alte Säumerpfade

Unter Benutzung von Bus und Bahn hat Annette Hauser eine stimmige runde Tour zusammen gestellt. Die Teilnahmegebühr von 15 Euro ist fast geschenkt, zumal die Benutzung von Bus und Bahn inklusive ist. Ab dem Busbahnhof Schopfheim geht’s ins Kleine Wiesental. Von dort wird ab Holl hinauf nach Gresgen und von dort hinunter nach Zell auf alten Säumerpfaden gelaufen, eine etwa acht Kilometer lange Strecke. Ab Zell erfolgt die Rückfahrt nach Schopfheim per Zug. Etwas Kondition und gutes Schuhwerk sind unabdingbar.

Geführte Wanderung

Gehzeit:
etwa vier Stunden Treffpunkt

Treffpunkt:
Busbahnhof Schopfheim

Voraussetzungen:
gute Kondition, festes Schuhwerk und Trittsicherheit; Rucksackverpflegung und ausreichend Trinken sind selbst mitzubringen

Anzahl Teilnehmer:
mindestens fünf Teilnehmer, maximal 15 Teilnehmer

Anmeldung:
per Mail an guide@hauser-schopfheim.de

Termine:
Mittwoch, 22. Mai, 7.45 Uhr; Samstag, 25. Mai, 8 Uhr; Donnerstag, 20. Juni, 11.15 Uhr; Samstag, 13. Juli, 8 Uhr

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