Kleines Wiesental „Jeder von uns trägt Verantwortung“

Markgräfler Tagblatt

Interview: Bürgermeister Gerd Schönbett über die Herausforderungen im alten und im neuen Jahr

Kleines Wiesental (hp). Kein Jahr wie jedes andere war 2020. Die Corona-Pandemie hat das öffentliche Leben zeitweise zum Erliegen gebracht und manche Pläne zunichte gemacht. Mit Bürgermeister Gerd Schönbett sprach unser Redakteur Harald Pflüger über ein Jahr, das manche, salopp gesagt, „zum Knicken“ fanden.

 

Ein (Corona-)Jahr wie 2020 müssen Sie nicht noch einmal haben, oder?

Eigentlich nicht, weder privat noch beruflich. Ich befürchte jedoch, dass Corona auch im kommenden Jahr unseren Alltag privat wie beruflich weitgehend mehr oder weniger fest im Griff hat und bestimmen wird. Zugleich habe ich die große Hoffnung, dass wir nächste Weihnachten doch wieder in einem etwas gelockerten Rahmen feiern dürfen.

Was war 2020 die schwierigste Herausforderung?

Da gab es 2020 gleich eine ganze Reihe von schwierigen Herausforderungen, angefangen von der Kinderbetreuung in Kindergärten und Grundschulen über die Öffentlichkeitsarbeit (was ist bei Trauungen beziehungsweise Bestattungen erlaubt, warum ist das nicht erlaubt und so weiter) bis zu der Gremienarbeit. Sie fand unter erschwerten Bedingungen statt. Eine Herausforderung, die uns noch länger beschäftigen wird, sind natürlich die finanziellen (Langzeit?-)Folgen, die meines Erachtens in ihren Auswirkungen noch gar nicht abschätzbar sind.

Wie schwer lastet die Verantwortung in einer Pandemie wie dieser auf einem Bürgermeister?

Meinem Gefühl nach verteilt sich die Last in unserer Gemeinde auf sehr viele Schultern, nicht nur auf die des Bürgermeisters. Angefangen von „oben“, beim Landratsamt, über die Träger der Kinderbetreuung (Kirche, Schule und Verwaltung) bis zur Kernverwaltung mit dem Haupt- und Ordnungsamt. Wenn diese hauptverantwortlichen Akteure gut zusammenarbeiten, und diesen Eindruck habe ich bisher bei uns, resultiert daraus eine gewisse Lastenverteilung.

Unabhängig davon, finde ich, trägt jeder von uns persönlich große Verantwortung im alltäglichen Umgang mit der Pandemie. Nur wenn wir möglichst alle im (Arbeits-)Alltag unserer Verantwortung gerecht werden, wird es uns gelingen, Corona in den Griff zu bekommen.

Natürlich trägt ein Bürgermeister vor allem in größeren Kommunen immer eine große Verantwortung, aber in Corona-Zeiten möchte ich nicht mit dem Personal in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen tauschen, die tagtäglich um das Leben der Corona-Patienten kämpfen und dabei noch ständig dem Infektionsrisiko ausgesetzt sind.

Frage: Was ist derzeit die größte Sorge der Bürgermeister im Landkreis Lörrach?

Die Eindämmung der Pandemie und die Senkung des Inzidenzwertes. Hinzu kommen die Sorgen um die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie und die um den Grenzverkehr zur Schweiz mit den wesentlich lockereren Bestimmungen.

Frage: Hat die Bevölkerung noch Verständnis für die Corona-Schutzmaßnahmen?

Grundsätzlich denke ich schon, wenn auch bei gewissen Detailregelungen Fragen auftauchen wie zum Beispiel der Öffnung der Gaststätten in der Schweiz mit der Konsequenz, dass Deutsche in die Schweiz zum Essen gehen.

Frage: Sprechen wir vom kommunalpolitischen Geschehen. Was ist in Ihrer Gemeinde 2020 positiv gelaufen?

Einige (Bau-)Projekte sind voran gekommen beziehungsweise abgeschlossen worden. Dazu gehören die Wasserversorgung und der Breitbandausbau in Neuenweg / Belchenhöfe, die Wasserversorgungsleitung Schwand-Tegernau, die Breitbanderschließung Wies, der Beginn des Backbone- Ausbaus von Wies über Schwand – Raich – Ried- Holl und Wies in Richtung Fischenberg, die Sanierung Halle Tegernau im zweiten Bauabschnitt, der Startschuss für das Projekt Dorfgemeinschaftshaus Wieslet, die Abgrenzung des Standortes und des finanziellen Rahmens, die Sanierung der Straßen im Ortsteil Wies und Neuenweg und die Eröffnung einer zweiten Arztpraxis in der Gemeinde.

Frage: Wie sah es in den Bereichen Wirtschaft, Wohnungsbau und Gewerbeansiedlung aus?

Das Baugebiet Niedertegernau-Moosmatt ist vollständig vermarktet und bebaut.

Frage: Was war die schwierigste Herausforderung?

Neben den coronabedingten Einschränkungen und zusätzlichen Aufgaben sicher die Bewältigung der finanziellen Auswirkung von Corona, aber auch die Auswirkungen des massiven Käferbefalls im Forst, was finanzielle wie forstwirtschaftliche Auswirkungen hat.

Auch die Baustelle in Neuenweg mit insgesamt vier beteiligten Akteuren (Nahwärme, Strom, Breitband, Wasserversorgung) hat dieses Jahr sehr viel Aufmerksamkeit und Einsatz durch Verwaltung und Werkhof beansprucht.

Auch die Situation im Forst stellt nicht nur die Fachleute, sondern auch die Verwaltung vor Herausforderungen. Meiner Einschätzung nach gibt es kein Patentrezept, wie den durch den Klimawandel bedingten veränderten Rahmenbedingungen begegnet werden kann, zumal sich teilweise ja erst nach Jahrzehnten zeigt, ob der eingeschlagene Weg der richtige war beziehungsweise ist.

Frage: Und was hat eher nicht so gut geklappt?

Auf den Großbaustellen in Neuenweg und Wies, dort ist die Gemeinde nur am Rande Akteur, gab es naturgemäß, wie bei so komplexen Projekten mittlerweile leider üblich, Verzögerungen im Bauablauf. Zudem waren die Baumaßnahmen bei den Hausanschlüssen teilweise für die Hausbesitzer mit ärgerlichen Begleiterscheinungen verbunden.

Bei der Entwicklung von Bauland und der Konzeption für den Radweg sind wir nicht wirklich weiter gekommen. Coronabedingt gestaltete sich hier der Ablauf der Prozesse etwas langwieriger.

Frage: Was hat Sie persönlich berührt, sowohl im Negativen als auch im Positiven?

Im Negativen war das die Corona-Pandemie mit persönlicher Betroffenheit direkt im engsten privaten Umfeld, der Shutdown der sozialen Aktivitäten auf Vereinsseite, die zeitweise zunehmenden Aktivitäten und der verstärkte Zulauf der „Querdenker“- Bewegung mit Anhängern auch aus unserer Gemeinde.

Positiv war die Solidarität und Hilfsbereitschaft der Bevölkerung untereinander im Zusammenhang mit von Corona betroffenen Menschen und Familien. In konkreten Fällen entstand spontan eine Welle der Hilfsbereitschaft. Positiv aufgefallen ist mir die Entschleunigung des Alltags, vor allem abends und am Wochenende, beruflich wie privat. Und die (Wieder-) Entdeckung der näheren Umgebung.

Frage: Was gilt es in den nächsten Jahren zu bewältigen?

Zunächst geht es um die Frage, wie geht es mit Corona weiter im (Berufs-)Alltag, aber auch darum, wie die finanziellen Folgen für die Gemeinde mittelfristig aussehen; Stichwort Refinanzierung der Corona-Schulden des Staates wie auch des Landes.

Dann geht es um die „Transformation“ der Waldbewirtschaftung hin zu klimastabilen Beständen. Wie und von wem wird dieser Prozess finanziert? Die Kommune kann das nicht alleine stemmen, zumal die Gesellschaft davon profitiert.

Und schließlich geht es um die Anpassung bestehender Strukturen in der Gemeinde zur nachhaltigen Finanzierung des Haushalts.

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