Kleines Wiesental Schreckliche Verbrechen im Wald

Gudrun Gehr

Zeitgeschichte: Exkursion mit KuK zum Mahnmal / Erinnerung an ermordete Zwangsarbeiter

Kleines Wiesental/Steinen -  Eineinhalb Jahre ist es her, dass Hans Viardot von KuK zum Besuch des Elbenschwander Mahnmals eingeladen hatte. Nachdem die Corona-Pandemie wieder vorsichtige erste Schritte erlaubt, machte sich am Samstag eine Gruppe an jüngster Heimatgeschichte Interessierter auf den Weg zum Ort des Gedenkens.

Zu Fuß liefen die Exkursionsteilnehmer zum Gedenkstein, einem vier Tonnen schweren Granitstein mit Bronzeplatte als „grober Klotz für eine grobe Tat“. Dieser Granitstein wurde anlässlich des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren von KuK in privater Initiative unter Mühen im November 2015 an den abgelegenen Ort gebracht.

Der Waldweg führt nach der Wanderhütte am Wolfsacker über die historische Wegscheide zwischen der katholischen habsburgischen Vorlande und der protestantischen „wüstgläubigen“ Markgrafschaft. Links und rechts des steil ansteigenden Märchenwaldwegs flankieren moosbewachsene Marksteine aus dem 18. Jahrhundert die Rechtsansprüche der ehemaligen fürstlichen Besitzer.

Viardot erwähnte während des Fußmarsches die zahlreichen, teilweise bis heute noch nicht komplett erforschten barocken Schanzanlagen unmittelbar neben dem Besuchsort.

Von Gleichaltrigen hingerichtet

Die Gruppe Besucher kam bei prächtigem Sommerwetter zur höchsten Stelle des Hirschkopfes auf 1100 Meter, um sich unter dem Motto „Aufarbeiten, nicht anklagen“ an ein schreckliches Verbrechen in den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkrieges zu erinnern und um die Ermordeten zu würdigen.

Wahrscheinlich am 25. April 1945, französische Truppen hatten bereits das Wiesental erobert, wurde hier eine Gruppe von fünf jungen Zwangsarbeitern aus Litauen, Polen und Russland von Angehörigen gleichaltriger „Werwölfe“ erschossen. Die Organisation von jugendlichen Soldaten der „Werwölfe“ wurde im Jahr 1944 als Untergrund- und Terrororganisation ins Leben gerufen.

Zwei Zwangsarbeiter konnten flüchten

Lokalhistoriker Hansjörg Noe hatte festgestellt, dass in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges eine Gruppe jugendlicher Soldaten dem Befehl folgte, mit sieben Zwangsarbeitern am Hirschkopf und am Tannenkopf zwei Maschinengewehr-Unterstände auszuheben. Den Befehlshabern schien der exponierte Ausblick beim damaligen niedrigen Baumbewuchs wohl ideal für das Beschießen der herannahenden französischen Truppen.

Zwei der Zwangsarbeiter konnten nach einem Hinweis eines „Werwolfs“ flüchten, die restlichen fünf Jugendlichen glaubten der Warnung nicht, dass ein Schießbefehl auf sie existierte.

Aufgrund des Befehls eines SS-Offiziers, Kurt Rahäuser, wurden die fünf Zwangsarbeiter in zwei Gruppen getrennt. Drei Jungen wurden an der Gemarkungsgrenze zu Käsern/Pfaffenberg von Gleichaltrigen hingerichtet, zwei in der Nähe des Mahnmals.

Die Leichen der Dreiergruppe wurden im Herbst 1945 bei Käsern aufgefunden, diese wurden auf dem Friedhof von Atzenbach beerdigt. Die Leichen der beiden anderen Jugendlichen wurden niemals aufgefunden.

Vergleichbares ereignete sich im Wald bei Hägelberg, auch dort waren jugendliche Zwangsarbeiter bei Schanzarbeiten eingesetzt. Aus Angst, dass sie die Arbeiten an die einmarschierenden Franzosen verraten würden, ermordete die dort stationierte Gruppe Werwölfe auf höheren Befehl drei Jungen. Auch in Hägelberg weist ein Gedenkstein auf die Mordtat hin.

Der 89-jährige Zeitzeuge Ernst Brenneisen aus Schlächtenhaus kann sich an die damalige Zeit präzise erinnern. Ein Pilzsucher habe unweit seines Elternhauses im Herbst 1945 eine Hand aus einem Reisighaufen herausragen sehen und dies seinem Vater mitgeteilt. Es handelte sich um einen Jugendlichen, der von den Werwölfen ermordet wurde. Berührend schilderte der Zeitzeuge jene Umstände.

Die Werwölfe hätten mit ihren Karabinern jeweils aus ihrem Unterstand im Hägelberger Wald überfliegende französische Aufklärungsflugzeuge beschossen. Die französische Luftwaffe beantwortete die Attacken mit einem Beschuss von Brenneisens elterlichem Bauernhof, da dieser nicht weit vom Standort der Werwölfe entfernt war.

Wohl irrtümlich sei das französische Militär davon ausgegangen, dass der Beschuss vom Hof kommt. Brenneisen erinnerte sich bei seiner Schilderung lebendig an die Lebensgefahr beim Beschuss durch Granaten und dem Krach der Detonationen.

Zum Angriffszeitpunkt hätten sich im Hof zwei Pferdefuhrwerke und etwa zwanzig Flüchtlinge aus dem Markgräflerland befunden, die vor dem einrückenden Militär Obdach beim Bauern gefunden hätten. Beschädigt wurde lediglich das Dach des Hofs, Mensch und Tier kamen nicht zu Schaden.

Die Werwölfe vom Hägelberger Unterstand seien stets mit ihren Karabinern durch das Dorf marschiert und hätten sich ihre Nahrung beim Ortsgruppenführer abholen müssen, erinnert sich Brenneisen.

Tief eingegraben in das Gedächtnis des Zeugen haben sich auch die Erzählungen eines ukrainischen Zwangsarbeiters, der dem elterlichen Hof zugeteilt war. Dieser musste dem Erhängen eines polnischen Zwangsarbeiters im Brombacher Steinbruch wegen eines Verhältnisses zu einer Deutschen beiwohnen. An dieses tragische Ereignis erinnerte der Dramatiker Rolf Hochhuth in seinem Roman „Eine Liebe in Deutschland“.

„Es ist gut, dass es solche Initiativen gibt.“

Hans Viardot stellte heraus, dass es das Anliegen von KuK sei, die Jugend über das damalige Verbrechen aufzuklären. Nach entsprechender Vorbereitung der Grundschüler der Naturparkschule besucht KuK mit den Kindern regelmäßig das Mahnmal. Auch die Landtagspräsidentin Muhterem Aras sei bereits auf das Mahnmal aufmerksam geworden und meinte: „Es ist gut, dass es solche Initiativen gibt.“

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