Kleines Wiesental Stücke, so prall wie das volle Leben

Jürgen Scharf
Die Early Folk Band nahm das Publikum im Rosenhof mit auf eine erotische Zeitreise durch die Jahrhunderte. Foto: Jürgen Scharf

Konzert: Freiburger Early Folk Band bringt erotische Lieder aus mehreren Jahrhunderten zu Gehör

Eine exquisite Anthologie erotischer Lieder aus frühen Zeiten brachte die Freiburger Early Folk Band zum Auftakt des Kultursommers auf den Rosenhof. Um es gleich vorweg zu sagen: Das obszönste Lied war ein Tanzlied, eine Polka – auf schwedisch, von Miriam Andersen gesungen. Und nicht jeder im kleinen Amphitheater-Rund des lauschigen Rosenhof-Gartens verstand, was „Gubben kom hem“ heißt.

Von Jürgen Scharf

Kleines Wiesental. Der Text von dem alten Mann, der betrunken nach Hause kommt, ist fraglos unanständig, wie man dem Beiblatt mit den Lyrics entnehmen konnte. Aber das war schon das „Unanständigste“ an diesem schönen warmen Vormittag in Schwand, wo The Early Folk Band, in Freiburg beheimatet, unter dem Titel „Old Spices – Alte Gewürze“ eine erotische Zeitreise mit gepfefferten Liedern aus Mittelalter, Renaissance und Barock unternahm.

Der Auftritt war der Beginn einer Tournee durch Baden-Württemberg mit 16 Konzerten im Ländle. Das Programm mit diesen stark gewürzten Gesängen entstand während der Lockdown-Zeit und wurde gefördert von „Neustart Kultur“. Bei der Matinee im Rosenhof erklang eine geraffte Version – man hätte aber gern alles gehört.

Internationale Besetzung

Es war auch die Premiere in der aktuellen Stammbesetzung: einer lustigen Truppe mit dem englischen Komiker, Tänzer und Sänger Steven Player. Ebenfalls aus England stammt die Sängerin und Instrumentalistin Katherine Christie Evans. Zwei Mitglieder kommen aus Schweden, neben der Sängerin, Flötistin und Harfenistin Andersen auch der Sänger und Barockgeiger Per Buhre. Zwei sind aus Deutschland, die Sängerin und Multiinstrumentalistin Gesine Bänfer und der Perkussionist, Sänger und Barockgitarrist Michael Metzler. Sie alle kommen aus der Alten-Musik-Szene.

Bänfer spielte nicht nur Dulcimer, sondern auch Dudelsack, früher Sackpfeife genannt. Und da war das Publikum mittendrin im Mittelalter und der Renaissance bei diesem reizvollen Programm früher Gesänge, alter Balladen teils anonymer Verfasser, in denen schon einmal ein alter Mönch versucht, ein junges Mädchen zu verführen, oder ein junges Mädchen eine ganze Nacht bei einem alten Mann liegt, wie in dem Lied von Thomas Ravenscroft anno 1611. Recht frech kommt das Lied „Nine Inch will please a Lady“ von Robert Burns (1799) daher.

Frivol, aber nie anzüglich

Bei dem Programm war man Lied um Lied in der Zeit immer weiter fortgeschritten, schließlich hat sich seit den Zeiten eines Walther von der Vogelweide die Musik ständig verändert. Und da der Mensch schon immer ein Jäger und Sammler war, gibt es en masse auch Liebeslieder in der Tradition der frühen Sauf- und Fresslieder. Ganze Sammlungen solcher erotischer Gesänge sind überliefert. Eine Fülle an Material für eine Alte-Musik-Gruppe wie die Early Folk Band, die gerne thematisch arbeitet.

Da hörte man auch eine Warnung aus dem 17. Jahrhundert: „Vorsicht, Mädels, Vorsicht! Schaut, dass Ihr Euren Garten in Ordnung haltet. Lasst Euch von niemandem Euren Thymian stehlen.“ (Thymian steht hier für Unschuld).

Die Zugabe war ganz speziell: „Watkins Ale“, ein sehr humorvolles Lied, sinnenfroh, über eine schöne junge Maid, die Angst hat, als Jungfrau zu sterben, was ein Junge zu verhüten weiß.

Alle diese erotischen Lieder voller Mönchspfeffer wusste die Bilderbuch-Besetzung der Freiburger Folkleute affektbetont darzustellen, farbig und spontan, mit ungeheurer Spielfreude und saftigen komödiantischen Einlagen, fröhlich, tänzerisch, mit reichem Instrumentarium, ganz im Stile der frühen Spielleute. Beim Publikum kam das bestens an.

Das war ein sinnliches (Hör-)Vergnügen der frohgemuten Diesseitigkeit, diese weltliche Musik früherer Jahrhunderte: das pralle Leben, vital und mitreißend.

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