Kleines Wiesental Tanz zwischen Tannen

Gabriele Hauger

Spanierin Pilar Buira Ferre macht aus dem Rosenhof seit 20 Jahren ein Kultur-Kleinod.

Kleines Wiesental - „Seid ihr verrückt? Da gibt es nur Schnee, Tannen und Kühe!“ Als Pilar Buira Ferre ihrem Freundeskreis in Essen kund tat, dass sie mit ihrer Familie in den Schwarzwald ziehen will, reichten die Reaktionen von Unverständnis bis Entsetzen.

Das ist jetzt 20 Jahre her. Und inzwischen ist das idyllische Schwand mit seinem Rosenhof für die aus Katalonien stammende Tänzerin und Choreografin Heimat geworden. „Ich habe diesen Schritt nie bereut“, sagt sie nachdenklich, die dampfende Tasse Tee in der Hand, und lässt den Blick durch das großzügige Fenster schweifen, durch das die Sonne scheint. Von draußen dringt Vogelgezwitscher in das gemütliche Zimmer, man hört den Wind, blickt auf Wiesen, Bäume und Berge. „Die Natur hier und die Ruhe geben mir Klarheit“, erzählt sie.

Dass sie hier seit zwei Jahrzehnten ihre Heimat hat, dass sie dem Rosenhof und dem ganzen Wiesental einen Ort für Kultur, Tanz und Bildung geschenkt hat, möchte Pilar Buira Ferre feiern: Und so gibt es dieses Jahr ein Fest zum runden Geburtstag: vom 17. bis zum 21. Juni, mit Musiker- und Tänzerfreunden aus ihrem langen Wirken und vier verschiedenen Vorstellungen pro Abend.

20 Jahre Rosenhof

20 Jahre Rosenhof – ein Datum, das dazu anregt, Rückblick zu halten, den dieser Ort hat eine erstaunliche Geschichte und zog stets Menschen mit ungewöhnlichen Ideen an. Die ersten Gebäude entstanden bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. Dann siedelte sich hier im ursprünglichen Roser-Bauernhof in den 1920er Jahren ein Tüftler aus der Krupp-Dynastie an und baute eine Produktionsstätte für Einmachdosen auf. In den 30er Jahren wurden in Schwand Kaninchen für die Angora-Werke gezüchtet. Ein Bauunternehmer lebte hier ebenso wie in den 80er Jahren ein Psychoanalytiker mit Gleichgesinnten, die neue Formen des Zusammenlebens ausprobierten wollten. Schließlich stand der Rosenhof 15 Jahre leer – bis Pilar Buira Ferre ihn aus seinem Dornröschenschlaf weckte.

Der Traum

1999 kam die Tänzerin, die bei Pina Bausch lernte, mit ihrem Mann, einem Arzt, und ihren beiden Kindern nach Schwand. „Ich habe mein ganzes Leben in Großstädten verbracht. Doch ich kam an einen Punkt, da wollte ich das Schöpferische der Natur nutzen. Wir waren uns dann beide einig darüber, dass wir im Süden Deutschlands, im ländlichen Raum wohnen möchten.“

Im Mai besichtigte das Ehepaar die Gebäude des leer stehenden Rosenhofs. Beim Betreten der Scheune war der Spanierin sofort klar: „Hier bleiben wir“. Vor ihrem inneren Auge sah sie in den Räumen schon Ausstellungen und Aufführungen vor sich. Bereits im Juni war der Einzug. Im Dezember folgte die erste Veranstaltung: ein Gambenkonzert im Musiksaal. „Das Haus war damals noch eine halbe Baustelle. Am Premierenabend lag ein halber Meter Schnee. Ich dachte: Da kommt keiner!“ 50 Interessierte lauschten dann den Klängen – ein Erfolg.

Im Jahr darauf trat auch Pilar Buira Ferre selbst auf. In den ersten zehn Jahren wurden ihre Visionen Wirklichkeit. Sie lockte Tänzer- und Schauspielfreunde in den Schwarzwald, schuf mit „Encuentros im Land“ gar ein internationales Tanzfestival, machte aus Schwand ein Zentrum des zeitgenössischen Tanzes. Projekte für Kinder, Theater und Zirkus prägten ebenso das Programm wie Ausstellungen oder Workshops. „Wenn ich mir alleine das Archiv dieser Jahre ansehe, bin ich sehr bewegt. Die Magie dieses Ortes hat das alles erst möglich gemacht.“

Das Drama

2010 geschah dann das Unfassbare. „Wir waren am 28. November in einem Konzert in Schopfheim. Wir hörten die Sirenen, dachten uns nichts dabei. Als wir nach Hause fuhren, sahen wir von weitem, dass die Scheune wie eine Fackel brannte.“ Über 2000 Kostüme verbrannten. Es blieb Fassungslosigkeit. „Ans Aufgeben habe ich aber keine Sekunde gedacht“, erinnert sich Ferre. „La vida. Das Leben nimmt, das Leben schenkt“, sagt sie mit einem feinen Lächeln. Noch in der gleichen Nacht träumte sie von einem Glashaus, das anstelle der Scheune stand: ein Projekt, das sie seit langem ganz konkret verfolgt. Und so organisierte sie schon 2011 ein Tanz-Openair, bei dem die Brandruinen der Scheune in die Inszenierung integriert wurden.

Der Neuanfang

Nach dem Brand konzentrierte sich die Künstlerin neben den Kinderprojekten ganz auf den Tanz. Sie rief das Projekt „In-Zeit-Sprung“ mit älteren Tänzern ins Leben, das mittlerweile großen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Die erste Aufführung war allerdings eine Herausforderung. Kaum saßen die Zuschauer, fiel der Strom aus. Mit Scheinwerferlicht und CD aus dem Auto wurde improvisiert.

2015 kam ein weiterer Einschnitt: „Ich brauchte eine kreative Pause. Ich war so sehr mit meiner Planung und finanziellen Organisation beschäftigt, musste Kraft sammeln für die kommenden Projekte. Ich hatte nicht die Energie, nebenbei noch ein Tanzfestival auf die Beine zu stellen.“ Seit 2017 gibt es wieder Kultur auf dem Rosenhof.

Die Projekte

Im Juni sollen die Bebauungspläne für den Glasbau durchgehen. Wenn alles genehmigt wird, soll die Suche nach Sponsoren, Investoren oder Stiftungen intensiviert werden, nach „Menschen, die an uns glauben“. All die Jahre gab es keinerlei offizielle Finanzmittel für die Kulturarbeit auf dem Rosenhof – zu Unrecht, wie Pilar Buirra Ferre findet. „Die Politik spricht doch stets von der Förderung des ländlichen Raumes. Wo bleibt die?“, fragt sie sich.

Neben den Bauplänen für das Glashaus am Standort der Open-Air-Bühne hofft sie zudem auf die Realisierung eines Mehr-Generationen-Wohnhausprojektes. „Es gibt schon viele Interessenten.“

Von Stillstand ist nichts zu spüren: Ob neue Angebote wie „Wandern mit Zeit“ am 30. März, das Singersongwriter-Festival im Juni, das Tanz-Festival im Juli, Sommercamp oder Zirkus, vielleicht ein Tango-Festival im September: Solange Pilar Buirra Ferre hier lebt, herrscht ein kreativer Geist im Rosenhof. „Dieser Ort soll lebendig bleiben.“

www.pilar-tanz.de

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