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Kreis Lörrach Ärzte an der Belastungsgrenze

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Hausärzte haben vielerorts Schwierigkeiten, einen Nachfolger für ihre Praxis zu finden. Foto: Archiv

Gesundheit: CDU-Kreistagsfraktion beschäftigt sich mit medizinischer Versorgung / Hausarzt berichtet

Kreis Lörrach - Die ärztliche Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum ist schon seit einigen Jahren ein Sorgenkind der Politik. Will sich ein langjährig praktizierender Hausarzt aus Alters- und Gesundheitsgründen von seiner Tätigkeit zurückziehen, gestaltet sich die Suche nach einem Nachfolger häufig zu einem Hindernislauf und endet immer öfter mit der endgültigen Schließung der Praxis.

Junge Ärzte wollen ihre ersten Berufserfahrungen lieber in größeren Städten mit entsprechendem gesellschaftlichem Angebot und breitgefächerter Infrastruktur machen. Auch sind die Ansprüche der Patienten im Laufe der letzten Jahrzehnte gestiegen.

Bereits vergangenes Jahr hatte sich die CDU-Kreistagsfraktion einen entsprechenden Überblick über die Lage im Oberen Wiesental verschafft. In der letzten Sitzung vor der Sommerpause berichtete Jürgen Muthmann, Facharzt für Allgemeinmedizin, mit seiner Frau, Petra Muthmann, über das von ihm geleitete Hausarztzentrum in Schliengen, wie sich die Situation im Markgräflerland darstellt.

Alles unter einem Dach

Eines steht fest: Die gute alte Hausarztpraxis, in der ein Arzt 24 Stunden am Tag, bei Wind und Wetter Ansprechpartner seiner Patienten war, gibt es nicht mehr.

An ihre Stelle tritt heute das moderne Hausarztzentrum, in dem oft mehrere Mediziner verschiedener Fachrichtungen ein umfangreiches Spektrum an einander ergänzenden ärztlichen Dienstleistungen erbringen. Das macht kürzere Wege für die Kranken, denn nötige weitere Maßnahmen können zeitlich und räumlich in einem Haus koordiniert werden.

Dazu brauche es zeitgemäß ausgestaltete, rollstuhlgerechte Praxis-, Funktions- und Sozialräume, Labore, ausreichend Parkplätze, ein eng vernetztes Verwaltungs- und Organisationssystem mit qualifizierten Fachkräften, wenn möglich, ein Fahrzeug und ein Team für Hausbesuche, eventuell die Möglichkeit einer Videosprechstunde, schreibt die CDU-Kreistagsfraktion.

Wichtig sei auch, dass Auszubildende und Fachangestellte für die besonderen Bedürfnisse einer Hausarztpraxis geschult würden. Feste Arbeitszeiten seien selbstverständlich. Bedauerlicherweise hätten nur wenige Praxen eine Weiterbildungsermächtigung für Berufsanfänger.

Mehr Praxen schließen

In Schliengen kommen die Patienten zu etwa der Hälfte aus dem Ort selbst, die anderen aus dem Umkreis bis Kandern und Efringen-Kirchen. Der Anteil an Älteren und Personen mit Migrationshintergrund sei relativ hoch, heißt es weiter. Eine weitere Zunahme sei zu erwarten, berichtete Jürgen Muthmann, da Schliengen wachse und in den nächsten Jahren weitere Praxen schließen würden.

Hohe Investition

Die Ausstattung eines solchen Arztzentrums hat ihren Preis: Muthmann redet von Kosten um die 300 000 Euro. Einen solchen Schuldenberg gleich zu Anfang des Berufslebens auf sich zu nehmen – davor schreckten die meisten jungen Mediziner, die ansonsten auf eine Landarzttätigkeit durchaus ansprechbar wären, zurück. Aber nicht nur dieser Aspekt spiele eine Rolle.

Oft falle die Existenzgründung auch mit der Zeit der Familienphase zusammen, sodass sich die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, vor allem für Ärztinnen, stelle. Auch sei die Vorstellung der 24-Stunden-Verfügbarkeit an sieben Tagen in der Woche noch nicht ausgeräumt, ebenso die Befürchtung, Privatsphäre und die persönliche wie berufliche Weiterentwicklung fern einer größeren Stadt würden leiden. Nicht zuletzt wirke sich auch das gegenüber Fachärzten geringere Einkommen auf die Entscheidung aus, dass nur jeder 20. Medizinstudent sich ein Leben als Hausarzt auf dem Land vorstellen könne. So zögen viele, zumindest anfangs, eine Angestelltentätigkeit mit festen Arbeitszeiten in der Stadt einer Selbständigkeit vor.

Arbeit attraktiver machen

Kein Wunder also, dass der Landkreis Lörrach perspektivisch zum „Fördergebiet“ wird, schreibt die CDU. Das Bild der ärztlichen Versorgung verschiebe sich flächendeckend zusätzlich, da heute schon einige Fachärzte nur noch stundenweise praktizierten, in der Statistik aber einen Arztsitz besetzen. Die anderen Praxen arbeiteten dadurch oft an ihrer Belastungsgrenze.

Für die Zukunft müssten, so Muthmann, sowohl seitens der Ärzte als auch der Politik Maßnahmen eingeleitet werden, um das Hausarztdasein im ländlichen Raum attraktiver zu machen. Im Bereich des Markgräflerlandes ließen sich mit der Lage im Dreiländereck in unmittelbarer Nähe zum Schwarzwald und den Universitätsstädten Basel und Freiburg Pluspunkte erzielen.

flexibler Arbeitszeitgestaltung gefragt

Junge Ärzte erwarteten ein Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen mit flexibler Arbeitszeitgestaltung und der Möglichkeit zur Weiterbildung, Entlastung von Verwaltungsarbeiten, um Beruf und Privatleben – ohne Residenzpflicht – in Einklang zu bringen. Auch qualifiziertes Personal in Praxistätigkeit und Verwaltung rechne mit entsprechendem Entgegenkommen.

Daneben könnte die Politik das Ihre dazu beitragen durch Beratung und Unterstützung bei Förderprogrammen und Investitionen bei Existenzgründungen, einem regelmäßigen runden Tisch und Medizin-Infrastruktur-Tagen. Die Kommunen selbst sollten bei der Suche nach fachgerechten Räumlichkeiten, einem geeigneten Grundstück oder einer Immobilie und einem familienfreundlichen Umfeld behilflich sein.

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