Kreis Lörrach Am Maienbühl gab es eine Lücke

Die Oberbadische

Ausstellung: Ein 18 Kilometer langer Grenzzaun sollte Zwangsarbeiter an der Flucht hindern

Von Jörg Bertsch

500 junge Männer aus Aachen, Köln und Düren errichteten von Juni bis September 1942 entlang der deutsch-schweizerischen Grenze zwischen Weil am Rhein und Grenzach einen massiven Grenzverhau aus Stacheldraht. Die binationale Ausstellung „Endstation Grenzzaun?“ erinnert an dieses dunkle Kapitel der Regionalgeschichte.

Kreis Lörrach. In eindrücklichen Schwarz-weiß-Filmen ist zu sehen, wie die 17-jährigen Burschen sich fröhlich winkend von ihren Familien verabschieden, um die lange Reise zu ihrem Reichsarbeitsdienst-Einsatz im äußersten Südwesten des Landes anzutreten. In Weil am Rhein-Friedlingen wird ihr Lager errichtet, sie werden in ihre Aufgabe eingewiesen, und dann beginnt die harte Arbeit. Meist mit bloßem Oberkörper, denn es sehr heiß, jedoch mit Schutzhandschuhen versehen, bauen sie den Wall aus Holzpfählen und Stacheldraht. Am Boden ist er bis zu acht Metern breit, in der Mitte drei Meter hoch, 18 Kilometer wird er am Ende lang sein.

Die Filme – und zahlreiche Fotos – von den Bauarbeiten hat Siegfried Vetter aufgenommen. Er leitete als „Oberstfeldmeister“ beim Reichsarbeitsdienst die Baumaßnahme. Sein Sohn Rudolf Vetter (Siegen) hat die Dokumente dem Lörracher Regionalhistoriker Ulrich Tromm überlassen, der sie wiederum dem Kreisarchiv vermachte. Das Material war die Keimzelle der Ausstellung, die nun auch zu einem sehr passenden Zeitpunkt gezeigt wird: Der Bau des Grenzverhaus jährte sich diesen Sommer zum 75. Mal.

Was hatte das Reichssicherheitshauptamt 1942, mitten im Krieg, bewogen, diese teure und aufwendige „Grenzsicherungsmaßnahme“ in einem entlegenen Winkel des Reiches anzuordnen?

Das rechtsrheinische Stück eidgenössischen Bodens, auf dem sich Kleinhüningen, Kleinbasel, Riehen und Bettingen befinden, und das, von oben betrachtet, wie Hals und Kopf eines gehörnten Fabelwesens in deutsches Territorium hineinragt, war den Deutschen schon lange suspekt, denn hier gab es zahlreiche Möglichkeiten für illegalen Grenzübertritt in die Schweiz.

Es ging den Nazis aber 1942, entgegen einer weit verbreiteten Meinung, weniger darum, Juden an der Flucht zu hindern. Andere Bevölkerungsgruppen standen im Fokus, die zahlreichen „Ost“- und „Fremd“-, sprich: Zwangsarbeiter zumal, die anstelle der Kriegsdienst leistenden Deutschen die Rüstungsproduktion und Teile der Landwirtschaft am Laufen hielten. Aber auch Wehrmachtsangehörige sollten nicht mehr ins Nachbarland desertieren und eventuell militärische Geheimnisse verraten können. So entstand dieser Stacheldrahtverhau, der willkürlich grenzüberschreitenden Grundstücke, Weinberge und Äcker zerschnitt und auch die Menschen noch gründlicher trennte (der aber, nebenbei bemerkt, auch der politischen Führung in Bern ganz gut ins Konzept passte; denn in der Schweiz herrschte verbreitet Überfremdungsangst und „Das Boot ist voll“-Mentalität).

Es blieb aber eine Lücke: Am Maienbühl, zwischen Inzlingen und Lörrach-Stetten, ragt ein zwei Kilometer langer und rund 200 Meter breiter Streifen schweizerischen Terrains in deutsche Gelände hinein, die „Eiserne Hand“. Die vier Kilometer Stacheldraht für die Umzäunung dieses „Wurmfortsatzes“ reuten die Nazis, und sie fragten die Schweizer, ob sie nicht an dessen Wurzel auf eigenem Gelände 200 Meter Zaun ziehen und so den Streifen abriegeln könnten. Bern weigerte sich – aber wohl nicht aus humanitären, sondern aus territorialrechtlichen Erwägungen heraus. So blieb am Maienbühl ein oft benutzter Ort für Fluchtversuche.

Es gab mindestens eine weitere Lücke im Zaun, die, wie Ausstellungsmacher Ulrich Tromm herausgefunden hat, möglicherweise noch häufiger zur lebensrettenden Pforte wurde. In mindestens einem Falle wurde sie jedoch zur Todesfalle (wir berichten noch).

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