Kreis Lörrach Anonyme Ansprechpartner in der Not

Alexandra Günzschel
Ein spezielles Dienstzimmer sorgt für die nötige Privatsphäre bei den oftmals heiklen Gesprächen. Foto: zVg

Telefonseelsorge: Ehrenamtliche Mitarbeiter haben ein offenes Ohr zu jeder Zeit und in allen Lebenslagen  

Jedes Jahr gehen bei der Telefonseelsorge für die Landkreise Lörrach und Waldshut etwa 5000 Anrufe ein. Oft sind es einsame Menschen, die das Gespräch suchen. „Viele sind chronisch krank und darüber bitter geworden“, sagt Karl-Wilhelm Frommeyer, zweiter Vorsitzender des regionalen Vereins und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Auch über die Weihnachtsfeiertage hatten die 50 ehrenamtlichen Mitarbeiter wieder gut zu tun.

Von Alexandra Günzschel

Regio. Wer eine der kostenlosen 0800er-Nummern anruft, wird je nach Region auf die 105 unabhängigen Vereine in Deutschland umgeleitet. Es sind zu 60 Prozent Frauen, die dort anrufen. Allein lebende Personen sind ebenfalls zu 60 Prozent vertreten. Mit einem Anteil von 45 Prozent ist die Altersgruppe der 50- bis 70-Jährigen dabei am stärksten vertreten. Die Gespräche, so zeigt die langjährige Erfahrung, dauern im Durchschnitt 28 Minuten.

Weihnachten dank Kooperation abgedeckt

Dank einer Kooperation mit der größeren Organisation in Freiburg konnte sichergestellt werden, dass auch über die Weihnachtsfeiertage immer ein Ansprechpartner zur Verfügung stand. Die nicht unwichtige Nachtschicht an Heiligabend zwischen 23 und 6 Uhr morgens hätte ohne diese Kooperation nicht bedient werden können, erklärt Frommeyer.

Dabei ist das Problem nicht so sehr Weihnachten an sich, vielmehr seien es die Wochenenden generell, an denen Kontakte fehlten. Und zu nächtlicher Stunde würden die Sorgen manchmal größer, wie der Experte aus langjähriger Erfahrung weiß. „Es gibt auch Leute, die mehrfach anrufen, die Telefonate sogar planen, damit sie nicht so alleine sind“, sagt Frommeyer.

Nicht selten sind darunter Menschen, die unter Krankheiten leiden. Doch das Umfeld dieser Leidgeplagten hat sich die Beschwerden schon derart oft anhören müssen, dass es zunehmend genervt reagiert.

Mit den vom Verein ausgebildeten Telefonseelsorgern passiert ihnen so etwas nicht. „Ein respektvoller Umgang, mit den Anrufern ist wichtig und wird auch trainiert“, betont Frommeyer. Natürlich gelte dies auch umgekehrt. Beschimpfen lassen müssten sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter jedenfalls nicht. Eine weitere Grenzlinie sei überschritten, sobald sexuelle Absichten erkennbar werden.

Weitreichende Schweigepflicht

Die Anrufer können sich im Gegenzug auf die Schweigepflicht der Telefonseelsorger verlassen, die in einem speziellen Dienstzimmer arbeiten. Ohnehin sind die Anrufer nicht verpflichtet, ihren Namen zu nennen oder andere Angaben zur Person zu machen. „Die Anrufe werden nicht registriert und lassen sich technisch auch nicht nachverfolgen“, betont der Pressesprecher.

Die Schweigepflicht gilt sogar für Verbrechen, die bereits geschehen sind. Anders sieht es aus, wenn eine Straftat oder ein Suizid angekündigt werden. In einem Fall konnte eine Mitarbeiterin einen akut selbstmordgefährdeten Anrufer mit Hilfe der Polizei retten. Er hatte zu erkennen gegeben, wo er wohnt.

Telefonseelsorger werden ein Jahr lang ausgebildet

Die anspruchsvolle, aber auch erfüllende Aufgabe erfordert eine einjährige kostenlose Ausbildung. Psychologische Vorkenntnisse in Form eines Studiums oder einer pastoral-psychologischen Zusatzausbildung sind dafür die Voraussetzung.

In 160 Stunden setzen sich die angehenden Telefonseelsorger zunächst mit ihrer eigenen Person auseinander. Durch die Rückkopplung mit anderen lernen sie dabei auch viel über sich selbst – gerade auch viel Positives, wie der Experte betont.

Schließlich geht es darum, sich in die Probleme der Anrufer, die zumeist nicht die eigenen sind, hineinversetzen zu können. Die Seelsorger sollen verstehen, was es bedeutet, krank und depressiv zu sein, um einen Lebenspartner zu trauern oder mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Oft stehen die Anrufer unter Stress, sind emotional erschöpft, manchmal auch verärgert und aggressiv. In Rollenspielen werden die unterschiedlichen Gesprächssituationen geübt. Frommeyer spricht von einer bereichernden Ausbildung.

Eher nicht erwünscht sind Tipps, seien sie auch noch so gut gemeint. „Ratschläge sind auch Schläge“, macht Frommeyer deutlich. Vielmehr gehe es ums Zuhören, darum, dem Anrufer das Gefühl zu vermitteln, verstanden zu werden und ihn vielleicht in eigenen Lösungsansätzen zu bestärken.

Auch Seelsorge für die Seelsorger

Aber auch die Seelsorger werden nicht alleine gelassen. Denn oft müssen sie sich Sorgen und Nöte anhören, die sie auch selbst belasten, etwa wenn es um sexuellen Missbrauch geht. Deshalb überschneiden sich die Schichten jeweils um eine Viertelstunde. Dem Seelsorger wird auf diese Weise Gelegenheit gegeben, etwas loszuwerden, es nicht mit nach Hause schleppen zu müssen. Darüber hinaus finden einmal pro Monat verpflichtende Treffen in kleinen Gruppen mit einem Supervisor statt.

Frommeyer würde sich wünschen, auch an jene Menschen heranzukommen, die Kontaktprobleme haben, nicht an den Erfolg eines Gesprächs glauben. „Es wäre schön, wenn sie es einfach mal versuchen würden.“ Er betont aber auch, dass die Telefonseelsorge ausdrücklich keine Psychotherapie ist und diese auch nicht ersetzen will.

Die Telefonseelsorge steht rund um die Uhr kostenlos zur Verfügung unter Tel. 0800/111 0 111 oder Tel. 0800/111 0 222.

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