Die Landesregierung hat vor einigen Wochen den Weg frei gemacht für eine Unterschriftenaktion, am 23. September fiel der Startschuss. Das Volksbegehren-Bündnis wird die Unterstützungsunterschriften in allen etwa 1100 Kommunen des Landes sammeln, und vom 18. Oktober bis 17. Januar können sich Wahlberechtigte zudem in Unterschriftenlisten in den Rathäusern ihrer Wohnorte eintragen.
Der Landtag
Erreicht das Volksbegehren 770 000 Unterschriften, dann kann der Gesetzesentwurf der Landesregierung zur Abstimmung vorgelegt werden. Stimmt das Gremium dem Entwurf nicht unverändert zu, kommt es zu einer Volksabstimmung, bei der 20 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen müssten. Hierbei hat der Landtag aber die Möglichkeit, einen eigenen Gesetzesentwurf vorzulegen.
Der Interessenkonflikt
Die Forderung nach einem Pestizidverbot in Schutzgebieten sorgte in den vergangenen Wochen und Monaten für heftigen Widerstand. Zuletzt im Binzener Gemeinderat, der sich gegen die Initiative ausgesprochen hatte (wir berichteten). Er empfahl, keine Unterschrift zu leisten. So bezweifelte Ratsmitglied Frank Krumm, dass sich die Unterzeichner des Volksbegehrens aller Konsequenzen, die damit verbunden sind, bewusst seien.
Denn die Forderungen aus dem Volksbegehren bedrohen offenbar nicht zuletzt auch die Kulturlandschaft in und um Binzen. Konkret dreht es sich um das Pestizitverbot in Schutzzonen. In Binzen befinden sich fünf Hektar Rebflächen im Landschaftsschutzgebiet Tüllinger Berg, deren Bewirtschaftung durch das Verbot von Spritzmitteln schwierig werden könnte, wie Krumm ausführte. Doch nicht nur Binzen ist betroffen: Im Bereich der Kander (Landschaftsschutzgebiet) und des Mühlbachs (Biotop) ginge zudem landwirtschaftliche Fläche verloren, da sich der Schutzstreifen von zehn auf 20 Meter erhöhen würde.
Pestizidverbot
Das Pestizidverbot in Schutzgebieten, von denen es im Rebland einige gibt, stellt auch für Stefan Schweigler, Vorsitzender des Vereins Markgräfler Weingüter, ein zentrales Problem dar. Sollte der Vorschlag von „Rettet die Bienen“ Gesetz werden, würden die Winzer vor große Probleme gestellt. „Es gibt Betriebe, die dann schlichtweg nicht mehr existenzfähig wären.“ Schweigler weist auf die paradox anmutende Situation hin, dass es vor allem Bio-Winzer treffen könnte, weil sich diese mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ohnehin an der absoluten Untergrenze bewegen würden. Und: „Verboten werden dann nicht nur konventionelle Spritzmittel, sondern auch die Stoffe, die Biolandwirte einsetzen“, wurde dieser Tage Umweltminister Franz Untersteller in den Medien zitiert.
Ausnahmen möglich
Lilith Stelzner, Naturschutzreferentin vom BUND-Landesverband, relativiert das Verbot im Gespräch mit unserer Zeitung. So seien Ausnahmen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln möglich, die die Artenvielfalt nicht gefährdeten. Dennoch: Die Grünen, welche die Initiative grundsätzlich begrüßen, stimmten zuletzt einem Antrag zu, der sich gegen das generelle Verbot von Pestiziden in Schutzgebieten wendet. Und auch der Landkreistag warnte, einheimische Bauern könnten aufgeben, wenn die Forderungen so umgesetzt würden.
Kritik kommt auch vom heimischen SPD-Landtagsabgeordneten Rainer Stickelberger: Er sagte, dass das Volksbegehren über das Ziel hinausschieße und forderte ein eigenes Gesetzespaket der Landesregierung, „um das berechtigte Anliegen des Volksbegehrens aufzunehmen“. Nicht mittragen könne Stickelberger vor allem das prinzipielle Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten – laut Landesregierung betrifft dies etwa ein Drittel der Agrarfläche. Bei den Rebflächen in Baden seien es sogar etwa die Hälfte, im Kreis Lörrach vermutlich noch mehr, sagt der SPD-Politiker.
Durch das Volksbegehren sieht er die Wettbewerbsfähig der heimischen Landwirte gefährdet. Eine Folge wären mehr Importe aus dem Ausland, die teilweise mit deutlich mehr Pflanzenschutzmitteln behandelt sein können.
Preiswettbewerb
Stimmen werden laut, dass der geforderte Ausbau des Ökolandbaus einen ruinösen Wettbewerb und Preisverfall in Gang setzen würde. „Eine staatlich verordnete Ausdehnung des Ökolandbaus auf 50 Prozent bis zum Jahr 2035 würde das derzeit solide Wachstum der Ökobranche konterkarieren, den Markt erheblich unter Druck setzen und zu einem Verfall der Preise führen“, schreibt der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband (BLHV) in einer Mitteilung. Und: Landwirte müssen ihre Pflanzen je nach Schädlingsbefall oder Pilzdruck schützen können, um der Bevölkerung regional erzeugte Lebensmittel in gewohnter Qualität bieten zu können, betont der Verband.
Die Träger des Volksbegehrens sehen das anders: Der Bio-Anbau liege laut BUND in Baden-Württemberg derzeit bei rund 15 Prozent und wachse stetig. Der Markt könne weiter gesteigert werden mit Hilfe von Fördermaßnahmen und Initiativen zur besseren Verarbeitung und Vermarktung von Biolebensmitteln sowie durch den Einsatz von Bio in öffentlichen Kantinen.
Eine Angstkampagne?
Die Vertreter von „Rettet die Bienen“ sehen die immer lauter werdende Kritik und Vorbehalte als Ergebnis einer Angstkampagne. „Die Gegner haben es hervorragend geschafft, Ängste zu schüren“, sagte Tanja Holzschuh von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft dieser Tage vor den Medien. Insbesondere in der Bodenseeregion und am Kaiserstuhl habe sich bei den vielen Obst- und Weinbauern der Eindruck verfestigt, sie müssten nach den Gesetzesänderungen ihre Betriebe aufgeben, was nicht zutreffe. Dabei habe doch das Innenministerium mit der Zulassung des Antrags auf ein Volksbegehren die Verhältnismäßigkeit der Forderungen bestätigt, sind die Vertreter von „Rettet die Bienen“ überzeugt.
Nun haben die Initiatoren sechs Monate Zeit, genügend Unterschriften zu sammeln. Dann entscheidet der baden-württembergische Landtag über die Gesetzesvorlage.