Kreis Lörrach Bürger im Land sind tief besorgt

Toni Kostic
Vor allem die steigenden Kraftstoff- und Energiepreise belasten den Geldbeutel der Bürger. Foto: Pixabay/Skitterphoto

Meinungsforschung: Zukunftsoptimismus in Baden-Württemberg verharrt auf Tiefstand

„Nach wie vor beeinflussen der Ukraine-Krieg und die Inflationssorgen die Stimmungslage der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg massiv. Der Zukunftsoptimismus verharrt weiterhin auf einem historischen Tiefstand“, stellt das Institut für Demoskopie Allensbach fest.

Von Toni Kostic

Kreis Lörrach. Die aktuelle Untersuchung stützt sich auf einen repräsentativen Querschnitt der Einwohner Baden-Württembergs und untersucht die Einstellung der Bürger zu aktuellen Themen wie Preissteigerungen, Mobilität und Bürokratie.

Nur knapp ein Viertel der Baden-Württemberger sehe den kommenden zwölf Monaten mit Hoffnung entgegen, die große Mehrheit bleibe tief besorgt. Knapp ein Drittel der Befragten blickt sogar mit ausgeprägten Befürchtungen auf die nächsten zwölf Monate, ebenso viele mit Skepsis. Damit liege die Zuversicht in Baden-Württemberg unter dem Bundesdurchschnitt, teilt das Institut mit.

Inflation wirkt sich besonders negativ aus

Besonders negativ wirke sich die Inflation der vergangenen Monate auf die derzeitige Stimmungslage aus. Jeder Vierte empfindet die Preissteigerungen als besonders gravierend. Während sich in den unteren Einkommensgruppen 82 Prozent von den Preisen sehr stark oder stark belastet fühlen, seien es in den höheren Einkommensgruppen „nur“ noch 56 Prozent. Da die Inflation bei Benzin, Strom, Lebensmitteln und beim Heizen als besonders belastend wahrgenommen wird, versuche ein Großteil der Bürger gerade hier sparsamer zu sein und sich einzuschränken.

Der Staat soll mehr investieren

Was die staatlichen Ausgaben angeht, fordert die große Mehrheit der Bevölkerung von der grün-schwarzen Landesregierung in vielen Bereichen Mehrausgaben: Das gelte insbesondere für Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser oder Sozialstationen, Schulen, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, darunter Straßen und Bahnschienen, die Ausstattung der Polizei sowie den Klima- und Umweltschutz. Umgekehrt gebe es dagegen nur wenige Bereiche, in denen die Bevölkerung Einsparpotentiale sieht. Am ehesten träfe das noch auf große Bauvorhaben und auf kulturelle Einrichtungen zu.

Abbau von bürokratischen Hürden

Darüber hinaus stellt das Institut fest, dass die Bevölkerung den Abbau bürokratischer Hürden mit breiter Mehrheit unterstützt. So seien 83 Prozent der Bürger überzeugt, dass es in Deutschland zu viel Bürokratie gibt. Allen voran bei der Steuer gebe es aus Sicht der Bevölkerung zu viele und zu komplizierte Regelungen. Immerhin fast die Hälfte der Befragten hält es grundsätzlich für möglich, dass Bürokratie in Deutschland in größerem Umfang abgebaut werden kann.

Nach Angaben des Instituts Allensbach, werde besonders intensiv beim Ausbau der Infrastruktur für die Energieversorgung über den Abbau staatlicher Vorgaben diskutiert. Dies beispielsweise um Genehmigungsverfahren für Stromtrassen oder Windräder zu beschleunigen.

Wir haben örtliche Landtagsabgeordnete und Kommunalpolitiker um ihre Einschätzung gebeten.

Josha Frey

„Die aktuellen Preisentwicklungen stellen ganz klar unsere bisherige Gestaltung unserer Mobilität und Infrastruktur in Fragen. Ein sparsamer Umgang bei der Energie durch Bürger ist vollkommen nachvollziehbar und jetzt – für den eigenen Geldbeutel aber natürlich für den Klimaschutz – noch sinnvoller geworden“, äußert der Grünen-Landtagsabgeordnete Josha Frey.

Aufgrund der vielfachen Herausforderungen – Ukraine-Krieg, die noch nicht klaren Entwicklungen des Corona-Virus, die Folgen des Klimawandels und mögliche ausbleibende Steuer-Einnahmen – sei, laut Frey, sicherlich klar, dass der nächste Haushalt für alle Politikbereiche ein Diätprogramm sein werde. Der Grünen-Landtagsabgeordnete teilt die Position der Regierung, dass klar priorisiert werden müsse: Hier sehe er den Klimaschutz, die Verkehrsinfrastruktur sowie die Bildung als Schwerpunkte an.

Frey sieht dort Bedarf Bürokratie abzubauen, wo sie „einen schnellen Ausbau von Windkraft, Photovoltaik und ÖPNV verhindert“.

Jonas Hoffmann

Jonas Hoffmann, Landtagsabgeordneter der SPD, hält es für möglich, „dass wir nach einer langen Phase relativ großen Wohlstands in Deutschland nun in eine Zeit kommen, in der von uns mehr Selbstbeschränkung und gutes Haushalten gefordert ist“. Die Politik müsse den Übergang zwischen den Phasen erleichtern – etwa mit Entlastungspaketen.

„Es fehlt dem Land nicht an Finanzkraft, sondern an politischer Gestaltungskraft“, sagt Hoffmann. „Wichtiger wäre es aus meiner Sicht, gerade in dieser Phase, strukturell zu stärken, zum Beispiel bei Schule und Schiene, und auch selbst als Land aktiv zu werden, etwa mit einer eigenen Landesentwicklungsgesellschaft ,BWohnen’“.

Zum Bürokratieabbau sagt Hoffmann, dass es fast immer Möglichkeiten gebe, Vorgänge schlanker, verständlicher und weniger aufwändig zu gestalten.

Paul Renz

„Insbesondere Haushalte in der unteren Einkommensskala werden von den Preissteigerungen hart getroffen“, äußert Paul Renz, CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag. Der Energiemarkt bleibe, aufgrund der Abhängigkeit von Russland, sehr ungewiss und schwer einschätzbar. „Daran wird sich kaum etwas ändern.“ Bei Lebensmitteln zeichne sich laut Renz nach neuesten Informationen ein Rückgang der Teuerung aus.

Dass staatliche Mehrausgaben gewünscht und zum Teil auch notwendig seien, sei für Renz nachvollziehbar. Die Lieferengpässe im Energiesektor können insbesondere für Industrie und Wirtschaft fatale Folgen haben. „Zu einer zurückhaltenden Ausgabenpolitik sehe ich deshalb gegenwärtig keine Alternative.“

Den Bürokratieabbau hält auch er für erforderlich. „Wir sind zum Teil überreglementiert“, stellt Renz fest.

Martin Bühler

„Die Stimmungslage ist auch im Landkreis so wahrnehmbar und die Bereitschaft zum Verzicht wird im Handel schon spürbar“, teilt Martin Bühler, stellvertrender Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler mit. Im Landkreis setze man auf Nahwärmenetze und die Photovoltaiknutzung.

„Jede Reduzierung von Bürokratie an der einen Stelle produziert eine deutliche Erhöhung an anderer Stelle“, sagt er. Dies sei meist auch mit personellen Mehrkosten unterlegt. Insofern sei der Bürokratieabbau schön und wünschenswert aber nicht wirklich erwartbar, meint Bühler.

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