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Kreis Lörrach Damit Frauen Schutz finden

Michael Werndorff
Die Hürden, einen Platz in einem Frauenhaus zu erhalten, werden immer höher. Foto: pixabay/pixabay

Das autonome Frauenhaus zieht für das Jahr 2022 Bilanz, das von der Coronapandemie und dem Um- beziehungsweise Ausbau der Schutzplätze für Frauen und Kinder geprägt war.

Insgesamt 49 Frauen und 44 Kinder, mehrheitlich unter sechs Jahre alt, haben vergangenes Jahr im Lörracher Frauenhaus Schutz gefunden. Wie auch in den Jahren davor kamen mehr als 40 Prozent der Frauen und mehr als 43 Prozent der Mädchen und Jungen aus der Stadt oder dem Landkreis Lörrach. Derweil mussten mussten 75 Frauen und 98 Kinder abgewiesen werden, da das Frauenhaus voll war oder geschlossen hatte.

Pandemie und Umbau

Das Jahr 2022 sei geprägt gewesen von der Coronapandemie und dem Um- und Ausbau der Schutzplätze für Frauen und Kinder, wie Carolin Throm im Rahmen eines Bilanzmediengesprächs berichtete. Hierzu mussten alle Plätze im bestehenden Frauenhaus geräumt werden, was zu einer zweimonatigen Schließung führte. Die Schließzeit bedeutete zugleich geringere Einnahmen. Der Kreis steuerte einen Zuschuss in Höhe von 30 000 Euro bei. Beantragt waren derweil rund 100 000 Euro.

„Die Baustelle hat uns nachhaltig beschäftigt“, so Throm. In der Zeit der Schließung fand der Umzug in das halb fertige neue Haus statt sowie die Möblierung und Herrichtung eines Stockwerks, um es als Frauenhaus nutzen zu können. Dieses Stockwerk bot aber nur Raum für maximal zehn Personen, kommentierte Throm die niedrige Belegungsquote von rund 61 Prozent.

Nur Notaufnahmen

Geschlossen werden musste das Frauenhaus in den Monaten April und Mai: In dieser Zeit fanden nur Notaufnahmen in einer eigens angemieteten Wohnung statt, in der die Frauen für ein bis zwei Nächte oder über das Wochenende Schutz finden konnten und dann in ein anderes Frauenhaus vermittelt wurden, wie Antje Lauber erklärte. Das ging nicht reibungslos vonstatten: „Die Hürden, einen Platz zu erhalten, werden immer höher“, verwies Lauber unter anderem auf das deutsche Aufenthaltsrecht. Solche Fragen, die sich auch auf die Finanzierung auswirken, dürften nicht zulasten der schutzsuchenden Frauen gehen. „Wir nehmen Frauen auch ohne Kostenzusage auf“, betonte Lauber.

Ab Juni konnten dann wieder Aufnahmen am zweiten Standort, dem neuen Frauenhaus, stattfinden. Dieses biete aber in sehr beengten Verhältnissen nur Platz für zwölf und nicht für 14 Menschen, wie weiter zu erfahren war. Insgesamt stehen nach Abschluss aller Arbeiten 24 Plätze zur Verfügung. Hierzu müssten aber noch offene Stellen besetzt werden. Der Ausbau der Plätze habe viel Energie gekostet und uns auch finanziell mehr gefordert als anfangs gedacht, erinnerte Throm.

Zweite Chance

Mehr als ein Viertel der Frauen waren im Jahr 2022 etwa zwei bis sieben Tage im Lörracher Frauenhaus, was sich mit der Schließung des Normalbetriebs erklären lasse. Zwölf Frauen waren acht bis 14 Tage da. Hier seien Frauen erfasst, die nach der Überwindung des ersten Schocks und nachdem sie etwas zur Ruhe gekommen sind, zum Misshandler zurückkehren, um der Beziehung noch einmal eine Chance zu geben, heißt es im Jahresbericht.

In die Kategorie 15 bis 30 Tage fallen jene Frauen, bei denen während ihres Aufenthalts im Frauenhaus klar wurde, dass sie zu gefährdet sind, um ihr Leben weiter in Lörrach zu führen. Sie können ihre Kinder nicht in die Schule oder den Kindergarten bringen, nicht einkaufen gehen oder Ämter und Behörden aufsuchen.

Alle Altersklassen

In der Verteilung der Altersstruktur zeigt sich, dass sich Gewalt gegen Frauen durch alle Altersklassen zieht. Wie immer sei der Anteil der Frauen zwischen 18 bis 25 Jahren am stärksten vertreten. Es kämen aber auch immer wieder Frauen in der Altersgruppe 51 bis 70 Jahren, die jahrelang in einer von Gewalt geprägten Beziehung gelebt haben. „Viele davon sind Frauen, die gewartet haben, bis die Kinder aus dem Gröbsten raus sind“, so Throm.

Polizei vermittelt

Der Anteil der Frauen, die durch die Polizei an das Frauenhaus vermittelt werden, ist laut Jahresbericht seit Jahren der höchste. Die Statistik erfasse auch jene Frauen, die durch Ärzte vermittelt werden. Im Jahr 2022 war das bei keiner einzigen Frau der Fall, monierte Throm. „Das versetzt uns immer wieder in Erstaunen, da gerade dort die durch Misshandlungen entstandenen Verletzungen auffallen müssten. Ich kann das nicht begreifen“, appelliert sie an Ärzte, das Thema anzusprechen. Laut Throm gibt es immer noch Berührungsängste, Gewalt zu thematisieren.

Ehemänner an Spitze

Mehr als 81 Prozent der schutzsuchenden Frauen sind vom Ehemann, Ex-Mann oder aktuellen Freund misshandelt worden, wie aus der Statistik hervorgeht. 48 Prozent der Frauen hätten Anzeige erhoben, so Throm. Das sei im Rückblick der vergangenen fünf Jahre die höchste Zahl. In den Vorjahren bewegte sich der Anteil bei 22 bis 33 Prozent.

Aufgrund der Istanbul-Konvention, die zum Ziel hat, Frauen und Mädchen vor Gewalt zu schützen, habe sich einiges verändert, auch bei den Strafverfolgungsbehörden. Vielen Frauen fehlten aber Mut und Kraft für eine Anzeige. Viele Opfer hätten auch jahrelang gelernt, dass ihnen niemand ihre Geschichte glauben wird, sagte Lauber. Deswegen freue es Throm und Lauber, wenn Frauen den Mut aufbringen, Anzeige gegen ihre Misshandler zu erstatten.

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