Kreis Lörrach Damit Reisen wieder möglich wird

Michael Werndorff
Schaukeln am weißen Sandstrand in tropischen Gefilden: Die Corona-Pandemie macht vielen Reisehungrigen auch in diesem Jahr einen Strich durch die Rechnung. Foto: Die Oberbadische

Pandemie: Reisebranche sieht kein Licht am Ende des Tunnels / Für mehr Pragmatismus und Kreativität

Kreis Lörrach - Die Corona-Pandemie hat die Welt weiterhin fest im Griff. Davon betroffen ist auch die Reisebranche, die mit zu den großen Verlierern zählt. Angesichts der schleppenden Massenimpfung und der nun auftauchenden Virusvarianten lässt eine Trendwende auf sich warten.

„Uns steht das Wasser zwar nicht bis zum Hals, wir sind soweit strategisch gut aufgestellt. Allerdings muss das Geschäft bald wieder Fahrt aufnehmen“, kommentiert Aron Stiefvater, Geschäftsführer des Reisebüros Stiefvater mit Sitz in Weil am Rhein, die aktuelle Lage.

Seit März 2020 befindet sich der Großteil der Belegschaft des Familienunternehmens in Kurzarbeit. Hauptaufgabe war bisher die Abwicklung stornierter Reisen. Nun liegt die Hoffnung auf der Überbrückungshilfe III, wie er dieser Tage im Rahmen des Besuchs von Guido Wolf, Minister für Justiz, Europa und Tourismus, erklärte (wir berichteten).

Kurzarbeit, leere Hotels, Flugverbot, Quarantäne- und Test-Pflicht, Einreiseverbote und sich immer wieder ändernde Reisewarnungen und die Verunsicherung der Kunden: Reisebüros sind mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, die nicht folgenlos bleiben: Zwischen Anfang November 2019 und Ende vergangenen Oktober sank der Umsatz mit Pauschalurlauben in Reisebüros und auf Internetplattformen um 67 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie das Marktforschungsunternehmen Travel Data + Analytics (TDA) berichtet. In den Sommermonaten brachen die Erlöse sogar um 81 Prozent ein. 28 Milliarden Euro Umsatz gingen der Branche seit März verloren.

Große Kollateralschäden

„Wir werden auch das Jahr 2021 überleben“, zeigt sich Stiefvater im Gespräch mit unserer Zeitung optimistisch. Allerdings stehe die Frage im Raum, wie man letztlich aus der Krise herauskommt: Als großer Ausbildungsbetrieb im Landkreis Lörrach werde man erstmals seit Jahrzehnten nur einen Auszubildenden einstellen. Und: Die Kollateralschäden in den Urlaubsländern, wo Tourismus eine wesentliche Einnahmequelle darstellt, werden riesig sein.

Andere Betriebe im Landkreis stünden derweil vor dem Konkurs, auch weil Hilfsgelder noch nicht ausgezahlt worden seien, berichtet Stiefvater, der im Gespräch mit Wolf nicht mit Kritik sparte. Zusätzlich zu den finanziellen Folgen sei die gedeckelte Überbrückungshilfe I ein Schlag ins Gesicht gewesen. So habe ein Reisebüro mit zwölf Mitarbeitern Finanzmittel in gleicher Höhe erhalten wie sein Unternehmen mit 75 Angestellten. Bei der Überbrückungshilfe III müsse es unbedingt besser laufen, sieht Stiefvater für seine Branche dringenden Handlungsbedarf.

Seine Kritik gilt auch dem Krisenmanagement der Politik. Entscheidungen seien oft nicht nachvollziehbar, moniert er den „Kantönligeist“ in Deutschland. Jedes Bundesland mache es anders, aber selten zum Wohl der Bürger. Diese würden ständig mit neuen Verordnungen konfrontiert, während die Novemberhilfe noch im Januar auf sich warten lasse.

Runder Tisch gefordert

Dabei sei nicht nur die Wirtschaft betroffen. Die Auswirkungen der Coronamaßnahmen auf die gesamte Gesellschaft seien vielfältig und müssten im Rahmen eines runden Tischs aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Die Gesellschaft müsse hier an einem Strang ziehen, allerdings sei die Politik in Land und Bund gefordert, die Coronamaßnahmen auf den Prüfstand zu stellen.

Potenziale besser nutzen

„Was können wir gemeinsam tun, um die Pandemie in den Griff zu bekommen?“, fragt Stiefvater und liefert die Antwort gleich mit. Er fände es sinnvoll, wenn seine Mitarbeiter das Gesundheitsamt bei der Nachverfolgung von Infektionsketten unterstützen dürften. Vorhandene Potenziale müssten besser genutzt werden, appelliert er an den Pragmatismus und die Kreativität von Politik und Verwaltung in dieser außergewöhnlichen Situation. „Sich von Lockdown zu Lockdown zu hangeln, ist jedenfalls keine Lösung.“ Die Wirtschaft benötige dringend mehr Planungssicherheit und einen offenen Dialog mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft.

Licht am Ende des Tunnels ist derweil noch nicht zu erkennen. Ohne Herdenimmunität werde die Tourismusbranche auf keinen grünen Zweig kommen. Urlaub in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz mache lediglich 20 Prozent des Umsatzes des Reisebüros aus. 80 Prozent spiele sich außerhalb der drei Länder ab, macht der Unternehmer deutlich. „Wir sind also darauf angewiesen, dass Reisen wieder möglich wird.“

Seitens der Kunden spüre man ein starkes Verlangen nach Planungssicherheit. „Reisen ist nicht nur ein zwei- oder dreiwöchiges Erlebnis.“ Damit verbunden sei viel Vorfreude und ein Ziel vor Augen, das einen im Alltag motiviere.

Nachholbedarf

Stiefvater rechnet mit großem Nachholbedarf; derweil stehe in den Sternen, wann Reisen wieder uneingeschränkt möglich werden. Und: Die Folgen für die Urlaubsziele seien erheblich, verweist er auf eine sich ändernde Infrastruktur und die Entwicklung der Kriminalität vor Ort. Das seien alles Aspekte, die nicht ausgeklammert werden dürften.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading