Kreis Lörrach Dem System fehlen Milliarden

Silvia Waßmer
Joachim Wölle (l.), Leiter des DHBW-Studiengangs BWL-Gesundheitsmanagement, freute sich über den interessanten Vortrag von Mediziner Christoph Bielitz. Foto: Silvia Waßmer

Podium: Christoph Bielitz referierte in der DHBW zum Thema „Gesundheitswesen – Quo vadis?“.

Kreis Lörrach - „Was ist uns Gesundheit wert?“: Diese zentrale Frage stellte Professor Christoph Bielitz, Leiter des Sigma-Zentrums Bad Säckingen, im Nachklang seines Vortrags im Rahmen der Reihe „Gespräche zu Gesundheitsthemen“ an der Dualen Hochschule Lörrach.

Hatte er doch zuvor einen Überblick über die größten Problemfelder des deutschen Gesundheitssystems gegeben, gleichzeitig aber auch Lösungsansätze aufgezeigt. Dabei stellte er zunächst fest: „Unser Gesundheitswesen ist massiv destabilisiert.“ Anhand verschiedener Teilbereiche erläuterte er diese Aussage anschließend näher.

Als erstes nannte der Mediziner, der als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Suchtmedizin, Naturheilverfahren und Supervisor für Verhaltenstherapie tätig ist, dazu den im gesamten Gesundheitswesen herrschenden Fachkräftemangel. „Man muss sich hoch-kreativ etwas einfallen lassen“, berichtete er, um überhaupt Bewerbungen auf offene Stellen zu bekommen. Ist auch dies nicht erfolgreich, müsse die Hilfe von Agenturen in Anspruch genommen werden. Und diese „nutzen das Leid schamlos aus“, kritisierte Bielitz, sodass am Ende Geld am Patienten fehle.

Ein weiteres Problem sei allerdings auch die abnehmende Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung. Bei 54 Prozent der Bürger in Deutschland sei diese eingeschränkt, bei zehn Prozent sogar ganz schlecht, nannte der Mediziner hier konkrete Zahlen. In der Folge werden vor allem Notärzte oft für Fälle gerufen, für die es eigentlich keines Notarztes bedarf, sondern bei denen zum Beispiel auch der Hausarzt helfen könnte.

Unter den Ärzten herrscht eine tiefe Verunsicherung

In wirtschaftlicher Hinsicht fehlen dem Gesundheitssystem zudem Milliarden, zeigte Bielitz weiter auf und stellte die Frage in den Raum: „Warum muss soviel Investitionsstau entstehen, bevor die Bevölkerung wach gerüttelt wird?“ Auch bemängelte er hier die bisher fehlenden Lösungen der Berliner Politik.

Als weitere Herausforderungen nannte er unter anderem die „Digitalisierung“ – sie könne einen Klinikbetrieb schlimmstenfalls lähmen, zum Beispiel wenn Mitarbeiter Angst vor der digitalen Technik haben –, und sowohl die Rechtssprechung als auch die Behandlungen seit Jahren erschweren. Es herrsche unter den Ärzten eine „abgrundtiefe Verunsicherung“, wodurch ein Klima der Übervorsicht entstehe, das wiederum – auf Grund fehlender Entscheidungen – das System lähme. „Wenn das Generalmisstrauen im Gesundheitswesen ausbremse um sich greift, dann sind wir auf einem ganz schlimmen Irrweg“, mahnte Bielitz.

Allgemein gebe es aber durchaus auch Wege zum Gegensteuern: Im Bereich Personalmangel etwa könnten Ärzte zum Beispiel durch Assistenzberufe entlastet werden. Ebenso gelte es, Mitarbeiter pfleglich zu behandeln und die richtige Balance zwischen Fordern und Fördern zu finden. Hinsichtlich der Gesundheitskompetenz brauche es unter anderem mehr Aufklärung, die am Besten schon im Kindergarten und in der Schule beginnen sollte. Ebenso bedürfe es in wirtschaftlicher Hinsicht einer Grundhaltungsdebatte, was der Gesellschaft die Gesundheit wert sei. Und auch eine Aufklärung der Führungskräfte könne zum Beispiel – mit Blick auf die herrschende Verunsicherung – helfen, wie der Referent verdeutlichte.

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